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BB 2020, I
Graf von Westphalen 

Erste Gehversuche des Europäischen Rechts zur Regelung von AGB im b2b-Bereich

Abbildung 1

Man muss es uneingeschränkt begrüßen, dass nunmehr erstmals die EU in ihrer neuen Verordnung Nr. 2019/1150 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (VO – ABl. vom 11.7.2019, L 186/57) Rechtsregeln aufgestellt hat, die für alle Vertragsverhältnisse gelten sollen, die zwischen einem solchen Vermittlungsdienst und einem gewerblichen Nutzer kontrahiert werden. Im Hintergrund steht ja mit den Onlinevermittlungsdiensten (sowie Suchmaschinen) ein neues innovatives Geschäftsmodell, das vor allem das Verbraucherwohl im Binnenmarkt verbessern soll. Doch das setzt, wie die VO mit Recht anfügt, voraus, dass ein “wettbewerbsfähiges, faires und transparentes Online-Ökosystem” – mit eigenen AGB-Regeln – bereit steht.

Leider ist die Definition von AGB in Art. 2 Nr. 10 VO etwas sehr sperrig und steht kaum im Einklang mit § 305 Abs. 1 BGB. Danach sind nämlich AGB “alle Bedingungen und Bestimmungen, die unabhängig von ihrer Bezeichnung oder Form das Vertragsverhältnis zwischen dem Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und ihren gewerblichen Nutzern regeln und einseitig vom Anbieter der Online-Vermittlungsdienste festgelegt werden”. Soweit so gut; doch das im deutschen Recht bekannte Element der “Vielzahl” fehlt hier, was allerdings – noch – verschmerzt werden kann.

Das Verb “festlegen” in Art. 2 Nr. 10 VO kann und muss ja wohl als gleichwertig mit dem Begriff des “Stellens” aufgefasst werden, was indessen nach deutschem Rechtsverständnis gleichbedeutend mit dem Befund ist, dass der Verwender seinen Vertragspartner mit den einzubeziehenden AGB “konfrontiert” (BGH, 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BB 2010, 915 m. BB-Komm. Abels, NJW 2010, 1131). Doch diese auf die Einseitigkeit des Stellens abzielende Definition von AGB wird in Art. 2 Nr. 10 VO nachhaltig verwässert. Denn die VO will, dass insoweit eine “Gesamtbetrachtung” angestellt wird. In dieser sind die “relative Größe der betroffenen Parteien” sowie “die Tatsache, dass Verhandlungen stattgefunden haben”, “für sich genommen nicht entscheidend”. Das kann man möglicherweise noch so verstehen, dass damit noch nicht die Schwelle des Aushandelns nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB erreicht ist (BGH, 22.11.2012 – VII ZR 222/12, BB 2013, 403, Ls m. BB-Komm. Schütt, NJW 2013, 856, 858).

Doch die Definition von AGB in Art. 2 Nr. 10 VO bejaht das Vorliegen von AGB auch für den Fall, dass einzelne Bestimmungen “Gegenstand von Verhandlungen” zwischen den Parteien waren und “gemeinsam” von ihnen “festgelegt wurden”. Nach deutschem Rechtsverständnis aber wäre damit der Charakter von AGB zerstört (BGH, 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, a. a. O.). Doch nach Art. 2 Nr. 10 VO führen gemeinsame Verhandlungen auch dann, wenn sie eine bestimmte Klausel (gemeinsam) abändern, nicht zur Verneinung des AGB-Charakters der Vertragsbeziehung zwischen dem Online-Vermittlungsdienst und dem gewerblichen Nutzer. Das aber ist – ohne Anfrage ist dies zu unterstreichen – ein Eingriff in die Privatautonomie beider Parteien, den das deutsche AGB-Recht im b2b-Bereich – trotz einer weitreichenden Inhaltskontrolle noch nicht vollzogen hat.

Soweit dann Art. 3 Abs. 1 lit. b) VO vorschreibt, dass die AGB “während der Phase vor Vertragsabschluss leicht verfügbar sind”, wird man dieses Erfordernis im Zweifel dahin verstehen müssen, dass die einzubeziehenden AGB rechtzeitig vor Abschluss des Vertrages dem gewerblichen Nutzer zu übermitteln sind. Das geht freilich tendenziell weiter als in den §§ 145 ff. BGB für die Einbeziehung von AGB im unternehmerischen Bereich vorgesehen. Danach reicht es nämlich aus, dass der Verwender auf die einzubeziehenden AGB verweist; dann ist es Sache des Vertragspartners, sich nach deren Inhalt zu erkundigen. Leichter einzuordnen ist allerdings dann das weitere Erfordernis, dass nämlich nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) VO die einbezogenen AGB “für den gewerblichen Nutzer zu jedem Zeitpunkt der Geschäftsbeziehung” leicht verfügbar sein müssen. Denn diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die AGB ständig online verfügbar sind.

Das Kernstück der AGB ist in Art. 3 Abs. 1 lit. a) VO mit dem Merkmal der Transparenz verankert. “Klar und verständlich formuliert” müssen die AGB sein. Das deckt sich zunächst einmal mit den Merkmalen des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, das ja auch ungekürzt für den unternehmerischen Verkehr gilt (BGH, 3.8.2011 – XII ZR 205/09, NZM 2012, 24). Doch der Erwägungsgrund Nr. 15, der eigentlich dazu dienen sollte, dieses Gebot näher zu konkretisieren, verfängt sich in eine bemerkenswerte Intransparenz.

Soweit dort davon die Rede ist, dass AGB eben nicht “unbestimmt oder ungenau abgefasst” sein dürfen, ist das ja noch leicht verständlich. Doch dann kommt eine Satzfolge, bei der jedermann nur hilflos die Fahne der intellektuellen Kapitulation hissen kann. Es heißt nämlich dann weiter: Eine Vertragsgestaltung sei eben auch als intransparent einzuordnen, “wenn Angaben zu wichtigen gewerblichen Fragen nicht ausführlich genug” geregelt sind, so dass für den gewerblichen Nutzer “in den wichtigsten Aspekten des Vertragsverhältnisses kein angemessenes Maß an Vorhersehbarkeit gegeben ist”. Es bleibt leider sehr dunkel, wie “wichtige gewerbliche Fragen” im gleichen Satz mit einem Handstreich den Superlativ erreichen und nunmehr zu den “wichtigsten Aspekten des Vertragsverhältnisses” im Sinn und Interesse der Vorhersehbarkeit für den gewerblichen Nutzer aufsteigen können. Mal abwarten, wie der deutsche Gesetzgeber aus dieser Schlinge herausfindet.

Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen, RA, ist Namenspartner der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Köln, Frankfurt a. M., Freiburg, Alicante, Brüssel. Seit 1998 Lehrbeauftragter, seit 2004 Honorarprofessor der Universität Bielefeld. Mitglied des Herausgeberbeirats von ZIP, EWiR, Schriftleiter der IWRZ sowie im Beirat des BB.

 
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