R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
Logo ruw-online
Logo ruw-online
Suchmodus: genau  
 
 
BB 2025, I
Löw 

Gender Balance in Business

Abbildung 1

Change the Minds to close the Gap.

Das Europarecht verpflichtet zu Maßnahmen gegen Diskriminierung. Nach Artikel 3 Abs. 3 EU-Vertrag fördert die Union soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz sowie die Gleichstellung von Männern und Frauen.

Diesem Auftrag folgend hat die EU die Richtlinie zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den Direktoren börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen erlassen, deren Regeln spätestens seit Januar dieses Jahres Anwendung finden. Danach müssen mindestens 40 % der nicht geschäftsführenden Direktoren oder mindestens 33 % aller Direktoren dem unterrepräsentierten Geschlecht angehören. Dieses Ziel muss bis zum 30.6.2026 erreicht sein. Dazu wird ein diskriminierungsfreies Auswahlverfahren für diese Positionen vorgeschrieben.

Ein Mitgliedstaat kann diese Vorschriften aussetzen, wenn das nationale Recht bestimmte Quoten vorschreibt, auch wenn diese unter denjenigen der Richtlinie liegen. Das ist eine bemerkenswerte Regelungstechnik, weil sie Mitgliedstaaten von der Anwendung der festgelegten Quoten ausnimmt, wenn eine geringere Quote national geregelt ist.

Unter diese Ausnahme fällt auch Deutschland. Durch die Führungspositionengesetze (FüPoG) I und II sind bestimmte Mindestquoten für Aufsichtsräte und Vorstände börsennotierter und mitbestimmter Unternehmen vorgeschrieben. Diese Maßnahmen zeigten zunächst Wirkung. Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen stieg von 25 % im Jahre 2016 auf 30,2 % im Jahre 2019. Zu diesem Zeitpunkt lag der Frauenanteil in den Vorständen allerdings erst bei 8,8 %. Er stieg erst mit Inkrafttreten des FüPoG II vor nunmehr genau vier Jahren, durch das eine Mindestberücksichtigung des unterrepräsentierten Geschlechts in den Vorständen börsennotierter Unternehmen mit mindestens vier Mitgliedern vorgeschrieben wurde. Ende 2021 betrug die Frauenquote in den Vorständen börsennotierter Unternehmen 13,4 %, im internationalen Vergleich immer noch am Ende der Skala. Gleichzeitig stagnierte der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder, offensichtlich nachdem die gesetzliche Quote erreicht wurde.

Ähnliche Tendenzen zeigen sich auch bei der Entwicklung der Quoten in den Vorständen. Zwar stieg der Anteil – im Gleichlauf mit den Anforderungen des FüPoG II – bis Ende 2023 auf rund 18 %. Von den 94 börsennotierten Unternehmen mit weiblichen Vorstandsmitgliedern hatten 71 nur eine einzige Frau im Vorstand. Es drängte sich der Eindruck auf: “Jedes Unternehmen sollte eine Frau im Vorstand haben, und zwar genau eine!” Das verstärkt die Erkenntnis, dass gesetzgeberische Maßnahmen zwar wirken, allerdings die gläserne Decke nicht aufheben, sondern entsprechend den Vorgaben lediglich nach oben schieben.

Interessanterweise bleiben Familienunternehmen, für die die gesetzlichen Vorgaben nicht gelten, weit hinter diesen Zahlen zurück. Nach einer Erhebung aus dem Jahre 2022 betrug der Anteil weiblicher Mitglieder der Geschäftsführungen nur etwa die Hälfte derjenigen in börsennotierten Unternehmen.

In anderen Wirtschaftsfeldern zeigen sich ähnliche Phänomene. Nach einer Studie der AllBright-Stiftung von Juli 2025 über den Frauenanteil in Wirtschaftskanzleien werden nur 16 % Frauen als Partnerinnen berufen, obwohl an der Basis der Kanzleien, also bei den Einstiegsjahrgängen, der Frauenanteil noch 47 % beträgt.

Neben den gesetzgeberischen Maßnahmen ist Überzeugungsarbeit erforderlich, um das Ziel einer Gender Balance zu erreichen. Die Wirkung von gesetzlichen Quoten haben sich gezeigt: Sie wirken, bis die Quote erreicht ist. Einen bedeutenden Beitrag leisten die regelmäßigen Berichte der AllBright-Stiftung. Für börsennotierte Unternehmen spielt das Verhalten von Investoren eine wesentliche Rolle. Hier ist die Arbeit der 30 % Club Germany Investor Group zu erwähnen, einer Kooperationsgruppe institutioneller Investoren. Das Ziel der Gruppe besteht darin, den Anteil von Frauen in den Vorständen und Führungspositionen der DAX 40- und MDAX-Unternehmen in Deutschland zu erhöhen. Für DAX-Unternehmen soll ein Frauenanteil von 30 % bis 2030 erreicht werden.

Auch die Bundesregierung fühlt sich diesem Thema verpflichtet. Der Koalitionsvertrag konstatiert, dass das FüPoG zu messbaren Verbesserungen geführt habe. Der Bund müsse weiter mit gutem Beispiel vorangehen. Um den Anteil von Frauen in Führungspositionen von Bundesunternehmen zu erhöhen, sollen weitere gesetzliche Schritte geprüft werden. Verstöße gegen die Vorgaben zu Zielgrößen sollen künftig konsequent und spürbar sanktioniert werden.

Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Maßnahmen da kommen werden. Das mit dem guten Beispiel ist jedenfalls so eine Sache. Das Foto vom Treffen der Bundesregierung mit der Initiative “Made for Germany” zeigt neben Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche und Commerzbank-CEO Bettina Orlopp 48 Herren mit gedeckten Anzügen, 47 davon mit Krawatte. Vielfalt sieht anders aus! Etwas mehr Hoffnung in dieser Hinsicht macht die Kommission “Bürokratiearme Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie”, die im Koalitionsvertrag vorgesehen ist und deren Zusammensetzung und Auftrag Frau Ministerin Karin Prien Mitte Juli vorgestellt hat. Sieben der elf Kommissionsmitglieder sind weiblich.

Auf der Suche nach Erfolgsrezepten stoße ich unter anderem auf den Bericht der AllBright-Stiftung aus dem Herbst letzten Jahres. Danach haben Frauen in Großbritannien deutlich bessere Chancen, in der Wirtschaft Top-Positionen einzunehmen – und das obwohl es im Gegensetz zu Deutschland keinerlei gesetzliche Quoten gibt. Zum einen wird es immer selbstverständlicher für Frauen in Großbritannien in Vollzeit zu arbeiten. Es gibt kein Ehegattensplitting, das einen steuerlichen Anreizt setzt, in geringer Teilzeit zu arbeiten. Seit 2011 haben jährliche Reports Transparenz über den Frauenanteil im Top-Management geschaffen. Die Reports haben einen starken Fokus auf konkret zu ergreifende Maßnahmen, um mehr Frauen in verantwortliche Positionen zu bringen.

Der Titel dieses Berichts der AllBright-Stiftung lautet “Mind the Gap”. Angesichts des Befundes über die Situation in Deutschland würde ich das erweitern: “Change the Minds to close the Gap”.

Dr. Hans-Peter Löw, RA, leitet als Senior Counsel gemeinsam mit Nils Grunicke den Fachbereich Financial Services Employment Law innerhalb der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei DLA Piper UK LLP. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf der arbeitsrechtlichen Beratung von Finanzinstituten, auch an den Schnittstellen zu Aufsichtsrecht und Datenschutz.

 
stats