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BB 2011, 1
Barckow, Andreas 

IASB und FASB entdecken zunehmend Unterschiede in ihren Sichtweisen

Konvergenz internationaler Rechnungslegungsstandards

Am 26.5.2011 legte die US-amerikanische Börsen- und Wertpapieraufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) ihre jüngsten Überlegungen zu einer möglichen Übernahme der International Financial Reportings Standards (IFRS) in den USA vor, den sog. Condorsement-Ansatz - eine Mischung aus fortgesetzten Konvergenzbemühungen und Übernahmeverfahren à la EU. Darin werden dem US-amerikanischen Financial Accounting Standards Board (FASB) und der SEC umfangreiche Eingriffsrechte zugesprochen, die IFRS für Zwecke der US-Bilanzierung zu ändern.

Das Ziel weltweit gültiger, qualitativ hochwertiger Standards verfolgen der International Accounting Standards Board (IASB) und der FASB seit nunmehr knapp zehn Jahren. Viele Absichtsbekundungen sind zu Papier gebracht, verfeinert, überarbeitet und abgearbeitet worden. Allerdings: Die ganz große Liebe von einst ist mittlerweile mehr einer Zweckehe gewichen, die man nur der "Kinder" - sprich: der G-20 - wegen nolens volens aufrechterhält.

Mit der internationalen Rechnungslegung länger Vertraute werden sich an die letzten Jahre des International Accounting Standards Committee (IASC), der Vorgängerorganisation des IASB, erinnern: Dieses hatte 1995 mit der internationalen Vereinigung der Börsenaufsichten (International Organization of Securities Commissions - IOSCO) eine Übereinkunft getroffen, der zufolge der Standardsetzer einen Grundkanon an Bilanzierungsstandards vorlegen würde. Entsprechende Qualität und Abarbeitung vorausgesetzt, wollte IOSCO sodann seinen Mitgliedern die Anerkennung von Abschlüssen, die nach diesen Standards erstellt wurden, für Listingzwecke empfehlen. Und wie heute geriet das Projekt ins Straucheln, je näher man dem anvisierten Abgabezeitpunkt kam. Auch damals hatte man sich die schwierigen Brocken bis zum Schluss aufgespart. Déjà vu?

Gewisse Parallelen sind nicht von der Hand zu weisen: IASB und FASB hatten im November 2002 in Norwalk eine Übereinkunft ausgehandelt, in der das große Ziel eines einzigen, weltweit gültigen Satzes qualitativ hochwertiger Bilanzierungsstandards erstmals propagiert wurde. In blumigen Worten wurde vereinbart, dass man gemeinsam durch den Dschungel der Vorschriften streifen, den jeweiligen Vorgarten des Anderen begutachten und entweder den eigenen umpflügen und entsprechend jenem des Partners bepflanzen oder diesem das eigene Saatgut zur Verfügung stellen wollte. Auf jenen Parzellen, wo man weder mit der eigenen Gärtnerei noch mit dem Gartenbau des Partners zufrieden war, sollte gemeinsam nach einer schickeren Begrünung gesucht werden.

Formal ist in der Tat vieles abgearbeitet worden: Nach dem aktuellen Arbeitsplan stehen nur noch drei Projekte von ehemals 23 auf dem Programm: die Bilanzierung von Leasingverhältnissen, die Erlöserfassung sowie die Bilanzierung von Finanzinstrumenten. Vordergründig also keine schlechte Bilanz. Indes: Von den elf Großbaustellen, bei denen sich IASB und FASB auf eine gemeinsame Neuregelung verständigt hatten, sind de facto nur zwei wirklich abgeschlossen worden: die Bilanzierung von Unternehmenszusammenschlüssen (IFRS 3) und die Bemessung des beizulegenden Zeitwerts (IFRS 13). Die meisten anderen teilten ein unrühmliches Schicksal und wurden entweder inhaltlich teilweise bis zur Unkenntlichkeit zurückgestutzt oder wegen unüberbrückbarer Differenzen - höflicher ausgedrückt: aufgrund mangelnder Ressourcen - vorerst zurück in den Schuppen gebracht. Bei den restlichen hat es sich der FASB zwischenzeitlich anders überlegt und wieder Gefallen an seiner eigenen Gartenzier gefunden (wie unlängst bei der Konsolidierung).

Nun ist Konvergenz kein leichtes Geschäft: Erstens wäre es vermessen, in fünf Jahren das Dickicht lichten zu wollen, das man in den davorliegenden 30 Jahren hat wuchern lassen. Zweitens ist die Welt schnelllebiger und komplexer geworden - Standardsetzung bei Moving Targets ist eine Herausforderung. Drittens waren bestimmte Querschläger wie die Finanzmarktkrise nicht vorhersehbar, hatten aber einen wesentlichen Einfluss auf das Arbeitsprogramm und die Arbeitsweise beider Boards.

Gleichwohl: Wenn man die Beratungen über die letzten zwei Jahre verfolgt, muss man den Eindruck gewinnen, dass echte Kompromissbereitschaft - und um nichts anderes geht es in der internationalen Welt - anders aussieht. Das Zögern und Zagen, das die SEC bei der Beantwortung der Frage an den Tag legt, ob Amerika denn nun die internationalen Standards übernimmt, strapaziert die Nerven vieler am Prozess Beteiligter - man fühlt sich an den legendären Ausspruch von Maggie Thatcher "The continent is isolated" erinnert, mit welchem sie ihr Abweichlertum in der EU zu schönen suchte. Zugegeben: Ein Mittelständler mit Sitz in Idaho und Außenwirtschaftsbeziehungen nach Montana ist mit einem internationalen Regelwerk nicht zu beglücken. Einem weltweit tätigen Konzern mit Tochterunternehmen in aller Herren Länder, die dort für lokale Zwecke bereits nach IFRS Rechnung legen, wäre dagegen nichts lieber als ein zügiger Übergang auf die internationalen Regeln. Nur: Wissen wir das wirklich erst seit gestern?

Und nun also Condorsement mit Eingriffsmöglichkeiten. Selten soll es dazu kommen - gleichwohl: Ein klares "Ja" sieht anders aus. Es ist an der Zeit, dass IASB und FASB Farbe bekennen und der Politik verdeutlichen, dass, auch wenn viel erreicht wurde, gleiche Bilanzierungsregeln auf beiden Seiten des Atlantiks kurzfristig nicht erreichbar scheinen.

Prof. Dr. Andreas Barckow, ist Leiter des deutschen IFRS Centre of Excellence von Deloitte und Mitglied im Global IFRS Leadership Team des internationalen Deloitte-Verbunds. Er ist darüber hinaus Mitglied im Deutschen Standardisierungsrat des DRSC. Barckow ist Honorarprofessor für internationale Rechnungslegung an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Der Beitrag stellt seine persönliche Meinung dar.
 
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