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BB 2023, 2035
 

Im Blickpunkt

Abbildung 26

Mehr als erwähnenswert ist eine junge Entscheidung des BAG (Urteil vom 24.8.2023 – 2 AZR 17/23 – Vorinstanz: LAG Niedersachsen, Urteil vom 19.12.2022 – 15 Sa 284/22). Das BAG entschied, dass ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten (Whatsapp-)Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, sich gegen eine dies zum Anlass nehmende außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen kann. Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger gehörte seit 2014 einer Chatgruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren nach den Feststellungen der Vorinstanz “langjährig befreundet”, zwei miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Kläger – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise u. a. über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Nachdem die Beklagte hiervon zufällig Kenntnis erhielt, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos. Die von dem Kläger erhobene Kündigungsschutzklage hatte in den ersten beiden Instanzen Erfolg. Dem hingegen war die Revision der Beklagten vor dem Zweiten Senat des BAG erfolgreich. Dieser sprach dem Kläger eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen ab. Eine Vertraulichkeitserwartung sei nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen könnten. Das wiederum sei abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten könne, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben. Es ist nunmehr von dem LAG zu erörtern, warum der Kläger angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung hätte haben dürfen (PM des BAG Nr. 33/23 vom 24.8.2023). Der folgende Verfahrensverlauf wird sicherlich dazu beitragen, dass Arbeitgeber weitere Erkenntnisse gewinnen, wie sie unter Berücksichtigung eines bestehenden Prozessrisikos bei solchen Sachverhaltskonstellationen vorgehen können.

Prof. Dr. Christian Pelke, Ressortleiter Arbeitsrecht

 
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