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BB 2021, I
Koch 

Stärkung des Prüfungsausschusses durch den FISG-RegE – Ausnahmen für kleine Unternehmen erforderlich

Abbildung 1

Im Dezember 2020 wurde der Regierungsentwurf (RegE) zum Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) veröffentlicht. Als Reaktion auf den Wirecard-Skandal sieht der Entwurf zahlreiche regulative Eingriffe auf dem Gebiet der Corporate Governance und Wirtschaftsprüfung vor.

Einen Schwerpunkt des FISG bildet die Stärkung des Prüfungsausschusses. Vorgesehen ist zunächst die verpflichtende Einrichtung eines Prüfungsausschusses für Unternehmen von öffentlichem Interesse (§ 107 Abs. 4 S. 1 AktG-RegE). Diese Vorschrift kodifiziert die gängige Praxis großer börsennotierter Unternehmen. Ausnahmefälle wie den der Wirecard AG, die bis 2019 keinen Prüfungsausschuss eingerichtet hatte, werden somit in Zukunft verhindert.

Zudem sind zusätzliche Kompetenzanforderungen für die Mitglieder des Prüfungsausschusses vorgesehen. So muss nach dem Regierungsentwurf bei Unternehmen von öffentlichem Interesse mindestens ein Mitglied über Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung und mindestens ein weiteres Mitglied über Sachverstand auf dem Gebiet der Abschlussprüfung verfügen (§ 100 Abs. 5 AktG-RegE i.V. m. § 107 Abs. 4 S. 2 AktG-RegE). Nach dem Referentenentwurf war es noch ausreichend, wenn ein Mitglied beide Kompetenzen kumulativ besitzt.

Flankiert werden diese Vorschriften sinnvollerweise durch Vorschriften zu einer Stärkung der Informationsrechte des Aufsichtsrats (§ 107 Abs. 4 S. 3 AktG-RegE) und einer Konkretisierung der Aufgaben des Prüfungsausschusses (§ 107 Abs. 3 S. 2 AktG-RegE).

Für große börsennotierte AG erscheinen die vorgesehenen Maßnahmen angemessen. Für kleine börsennotierte Unternehmen sind die vorgesehenen Regelungen allerdings zu weitgehend. Maßgeblicher Grund hierfür ist, dass die Aufsichtsräte dieser Unternehmen häufig nur drei Mitglieder aufweisen (Dreier-Aufsichtsrat).

Da Ausschüsse ebenfalls regelmäßig aus zumindest drei Mitgliedern bestehen, wird der Prüfungsausschuss mit dem Aufsichtsrat personell vollständig übereinstimmen, so dass dieser dann nur symbolischen Charakter besitzen wird. Auch wenn ein solcher Symbolcharakter des Prüfungsausschusses positiv gesehen werden kann, sollte überdacht werden, ob hierfür eine zwingende gesetzliche Regelung erforderlich ist.

Noch gravierender sind für diese Aufsichtsräte die zusätzlichen Kompetenzanforderungen. Da diese nun für zwei der drei Mitglieder gelten sollen, verbleibt nur ein Mitglied, das nicht zwingend entsprechende Expertisen auf dem Gebiet der Rechnungslegung und Abschlussprüfung vorweisen muss. Dies schränkt den Spielraum erheblich ein, Experten beispielsweise auf dem Gebiet der Strategie, der Digitalisierung oder der Nachhaltigkeit für den Aufsichtsrat zu gewinnen. Es wird daher schwerer werden, den Aufsichtsrat so zu besetzen, dass dieser alle notwendigen Spezialkompetenzen besitzt. Zwar dürfte die stärkere Betonung der Finanzexpertise die Qualität der Prüfung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat erhöhen. Allerdings könnte dies zu Lasten anderer wichtiger Aufgaben gehen, wie z. B. der Auswahl und Beratung des Vorstands.

Als Lösung sollten Ausnahmeregelungen für kleine Aufsichtsräte geschaffen werden, wie sie auch vom Deutschen Aktieninstitut e. V. (DAI) in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf (abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de, Abruf: 5.2.2021) gefordert wurden.

Alternativ könnten Unternehmen ihren Dreier-Aufsichtsrat personell aufstocken. Sofern weiterhin klare Mehrheitsverhältnisse im Aufsichtsrat sichergestellt werden sollen, würde dies eine Aufstockung auf fünf Mitglieder erfordern. Unternehmen, die der Drittelbeteiligung unterliegen, müssten den Aufsichtsrat sogar auf sechs Mitglieder erweitern.

Eine Vergrößerung des Aufsichtsrats hat Vor- und Nachteile: Den Vorteilen einer breiteren Abdeckung von Spezialkompetenzen stehen die Nachteile einer erschwerten Koordinierung entgegen. Die optimale Aufsichtsratsgröße ergibt sich aus der Gewichtung dieser Vor- und Nachteile und hängt maßgeblich von der Größe des Unternehmens und der Komplexität des Geschäftsmodells ab. Bei kleinen Unternehmen kann ein Dreier-Aufsichtsrat durchaus zweckmäßig sein, was auch ein Grund dafür sein dürfte, weshalb viele kleine börsennotierte Unternehmen diese Aufsichtsratsgröße wählen. Auch wenn bei der Wirecard AG als großem und komplexem Unternehmen ein Dreier-Aufsichtsrat (wie er noch 2018 bestand) sicherlich ungeeignet war, lässt sich hieraus nicht schlussfolgern, dass ein Dreier-Aufsichtsrat für alle börsennotierten Unternehmen generell ungeeignet ist.

Damit kleine börsennotierte Unternehmen auch weiterhin die Möglichkeit haben, einen Dreier-Aufsichtsrat zu bilden, sollte das FISG somit Ausnahmeregelungen in Bezug auf die Einrichtung eines Prüfungsausschusses und die Kompetenzanforderungen vorsehen. Ansonsten sind diese Unternehmen von den vorgesehenen Regelungen besonders stark betroffen, was die Attraktivität des Kapitalmarkts für kleine Unternehmen weiter schwächen würde.

Prof. Dr. Christopher Koch ist Inhaber der Professur für Corporate Governance und Wirtschaftsprüfung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er unterrichtet zudem an der Mannheim Business School und ist Mitglied des Arbeitskreises Corporate Governance Reporting der Schmalenbach-Gesellschaft sowie Associate Editor bei der Zeitschrift European Accounting Review.

 
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