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BBM 2021, 20
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Die Grundsteuer wird digital – die älteste Steuer als Treiber

Der Bund setzte das Urteil des BVerfG zur Grundsteuer in einem Bundesmodell mit Abweichungskompetenz für die Länder um. Eine seit Jahrzehnten ruhende Steuer wurde somit während der Corona-Krise zur Aufgabe vieler Grundbesitzer. Ohne digitale Lösung, ein teures und risikobehaftetes Unterfangen.

Der Hauptfeststellungszeitpunkt zur neuen Grundsteuer am 1.1.2022 rückt näher. Um die steuerlichen Pflichten der aktuell fünf verschiedenen Grundsteuermodelle zu erfüllen, sind Grundbesitzer aufgerufen, die Akten- und Informationslage spätestens jetzt zu sichten, zu ordnen und in effizienten und effektiven Prozessen in eine den Gesetzen entsprechende Form zu bringen.

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass die deutsche Wirtschaft in weiten Teilen aus dem Homeoffice betrieben werden kann. Erfolgreich war, wer entweder kurzfristig den Digitalisierungsgrad seines Unternehmens erhöhte oder bereits einen hohen Digitalisierungsgrad hatte. Welcher Gedanke liegt dann näher, als die Grundsteuer nun von Anfang an digital aufzusetzen? Damit erfüllt die älteste aller Steuern alle Voraussetzungen, um als Treiber und Auslöser auch den letzten steuerlichen Berater aus dem Dornröschenschlaf von Papierablage und Aktenordner wachzuküssen.

Der folgende Beitrag beleuchtet die Anforderungen, den Lösungsansatz und einen Lösungsvorschlag für eine umfassende digitale Abbildung der Grundsteuer.

ANFORDERUNGEN

Die Anforderungen an eine Grundsteuererklärung sind im Grunde dieselben Anforderungen wie an jede andere Steuererklärung auch. Die maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse sind zu erheben und in amtlicher vorgeschriebener Form den zuständigen Behörden zu übermitteln, § 150 AO. Fordert das Finanzamt dazu auf, sind die erklärten Verhältnisse mit geeigneten Belegen, Unterlagen und Erläuterungen nachzuweisen.

Die Anforderungen an die gesetzlichen Anzeigen sind ähnlich und erinnern die langgedienten Berufskollegen an die Vermögensteuer. Haben sich die maßgeblichen Verhältnisse am Steuergegenstand geändert und führen diese zu Wert- oder Steuerabweichung von gesetzlich festgelegten Mindestwerten, sind die Änderungen innerhalb der gesetzlichen Fristen anzuzeigen. Die Anzeige ist eine Steuererklärung eigener Art, § 228 Abs. 5 BewG; zu Belegen, Unterlagen und Erläuterungen siehe oben.

Abbildung 24

Der tatsächlich anspruchsvolle Teil beim Erstellen von Grundsteuererklärungen ist das initiale Zusammenstellen der Informationen. Einige der Informationen ergeben sich aus Verträgen (Rechtsabteilung/externer Anwalt), Bauplänen (Facility Management/Mieterbetreuung) und/oder aus Steuerbescheiden (Steuer-/Finanzabteilung) wobei die Form der Informationen von elektronisch strukturiert aus Real Estate Management Systeme bis hin zur reinen Papierablage reichen kann. Um bei signifikantem Grundbesitz hier nicht den Überblick zu verlieren, gilt es, ein Workflow- und Dokumentenmanagementsystem aufzubauen, dass zwischen Flexibilität und Standardvorgehen wohl austariert ist.

Die Bescheidprüfung zeigt sich etwas komplexer als im üblichen Umfeld der Umsatz-, Einkommen- und Ertragsteuern. Die Grundsteuer wird in einem Dreiklang aus Grundlagen- und Folgebescheiden, § 170 Abs. 10 AO, festgesetzt. Zunächst wird seitens der Finanzverwaltung der Grundsteuerwertbescheid als Grundlagenbescheid erlassen, gefolgt vom Grundsteuermessbescheid als dessen Folgebescheid und gleichzeitig Grundlagenbescheid für den von der hebeberechtigten Kommune erlassenen Grundsteuerbescheid als Folgebescheid dazu. Da Einsprüche gegen Folgebescheide ausgeschlossen sind, § 351 Abs. 2 AO, muss das digitale System bei der (automatischen) Bescheidprüfung exakt den Bescheid benennen, in dem die Abweichung auftritt beziehungsweise in dem der Grundlagenbescheid unzutreffend umgesetzt wurde. Je nach dem, ob ein materieller BBM 2021 S. 20 (21)Fehler im Bescheid vorliegt oder ein Grundlagenbescheid unzutreffend umgesetzt wurde, ist der Rechtsbehelf zu erheben oder ein Änderungsantrag nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu stellen.

LÖSUNGSANSATZ

Um diese Anforderungen durch ein digitales System zu unterstützen ist eine Mischung aus Dokumenten-, Workflow und Datenmanagement erforderlich. Während das Dokumentenmanagement die Belege, Urkunden und Unterlagen in einer Klammer zum jeweiligen Grundstück und/oder wirtschaftlichen Einheit zusammenfasst, sorgt das Workflowmanagement dafür, dass zu jeder Zeit sichtbar ist, wer gerade was bis wann zu tun hat; Eskalationsmechanismen inklusive. Das Datenmanagement speichert dann die in Zahlen und Werte gegossenen Erkenntnisse aus der Beurteilung der wirtschaftlichen Einheit und stellt diese für Erklärungs-, Auswertungs- und Visulisierungszwecke zur Verfügung. Idealerweise wird das digitale System als Webanwendung zur Verfügung gestellt, um zum Beispiel im Bedarfsfall dem steuerlichen Berater oder Dritten (beispielsweise Mietern, Pächtern, Eigentümern von Gebäuden auf fremden Grund und Boden) dienlichen Zugriff und Zuarbeit zu ermöglichen.

Um die Anzeigenpflichten zu erfüllen, müssen Werte vom zuletzt festgestellten Stichtag auf den maßgeblichen aktuellen Stichtag vorgerollt und an die geänderten Verhältnisse angepasst werden können. Im Anschluss ist die tatsächliche Anzeigepflicht zu prüfen, gegebenenfalls die notwendigen Fristen einzutragen und die Anzeige durchzuführen.

Der stets digitale und vollständige Überblick über den Fortgang der Bearbeitung lässt ein effizientes Ressourcenmanagement und Mitarbeiterallokation zu; sind Fristen und Ressourcen knapp, können einzelne Fälle an den steuerlichen Berater delegiert werden. Gleiches gilt, wenn die Komplexität einzelner Fälle die Zuziehung von oder die Abgabe an den steuerlichen Berater tunlich erscheinen lassen. Zuletzt bietet die automatisierte Bescheiddatenrückübermittlung beziehungsweise der digitale Verwaltungsakt (DiVa) die Möglichkeit, die Bescheidprüfung weitestgehend zu automatisieren; wo dies nicht möglich ist, leisten intelligente Scanner- und Datenextraktionslösungen einen wertvollen Beitrag.

LÖSUNG

Der Autor hat die oben dargestellten Überlegungen in Zusammenarbeit mit einem Softwarehaus in eine Softwarelösung gegossen. Dabei wurde auf bestehende Systeme zurückgegriffen und diese sinnstiftend miteinander verzahnt. Als Basis diente ein Workflowsystem, welches um die notwendigen Schnittstellen (etwa ELSTER), Auswertungsfunktionen (Power BI) und eine leistungsfähige Scannerstraße ergänzt wurde. Die Bereitstellung zum Mandanten erfolgt über eine im Hause existierende und etablierte Kollaborationslösung.

Auf Grund der flexibel gestalteten Workflows bietet die Softwarelösung die Möglichkeit, dass Mandanten einzelne, einige oder alle notwendigen Tätigkeiten in Eigenregie durchführen und/oder nach Bedarf (zum Beispiel knappe personelle Ressourcen, komplexe Grundstücke) den steuerlichen Berater hinzuziehen. Die komplette Abwicklung durch den steuerlichen Berater und lediglicher Freigabe durch den Mandanten ist ebenfalls darstellbar.

AUSBLICK

Der ursprüngliche Einheitswert, der für alle steuerlichen Zwecke zu Grunde gelegt wird, hat ausgedient. Mit den Änderungen zur GrESt, Erb/SchenkSt und der GrSt hat spätestens ab dem 1.1.2025 der Einheitswert keine materielle Bedeutung mehr. Haben sich die Bewertungsvorschriften für die genannten steuerlichen Zwecke voneinander emanzipiert, bleibt ein verbindendes Element bestehen: die wirtschaftliche Einheit. Das heißt, es erscheint sinnschlüssig, dass eine digitale Lösung, welche Zahlenwerke und Informationen zu einer wirtschaftlichen Einheit sammelt so erweitert wird, dass jederzeit für alle drei genannten steuerlichen Zwecke eine Auskunftsfähigkeit besteht, beispielsweise im Rahmen von Gestaltungsberatungen oder „was-wäre-wenn“ Gedankenspielen.

Abbildung 25

Autor

Patrick Bernd Findeis

Steuerberater und Softwareentwickler, leitet den Bereich Tax Technology bei der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

 
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