R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
Logo ruw-online
Logo ruw-online
Suchmodus: genau  
 
 
BBM 2021, 12
Findeisen/ Heer 

Die Begrenzung der Verkäuferhaftung durch den Einsatz synthetischer W&I-Versicherungen

Der Markt für W&I-Versicherungen bleibt innovativ. Zwecks Optimierung der Verkäuferposition finden synthetische W&I-Versicherungen zunehmend Verbreitung.

Abbildung 12

Trotz Covid-19-Pandemie war der deutsche M&A-Markt 2020 sehr stark. Insbesondere im letzten Quartal 2020 manifestierte sich der anhaltende Verkäufermarkt in einer Vielzahl von Transaktionen. In diesem Umfeld finden neuartige Konzepte zum weitestmöglichen Ausschluss der Verkäuferhaftung (zero recourse) immer größere Verbreitung. Ein wesentlicher Baustein der Haftungsvermeidung ist im Private M&A bereits seit einigen Jahren die Warranty & Indemnity (W&I) Versicherung. Eine neuere Entwicklung stellt dabei die Verwendung sogenannter synthetischer W&I-Versicherungen dar.

1. GRUNDLAGEN DER SYNTHETISCHEN W&I-VERSICHERUNGEN

Schon die herkömmliche W&I-Versicherung erlaubt eine Erweiterung des Leistungsumfangs der Police gegenüber den Bestimmungen des Kaufvertrages (sogenannter Knowledge Scrape, Verjährungsregelungen etc.). Der besondere Charakter der synthetischen W&I-Versicherung resultiert aus der Tatsache, dass Garantiekatalog und Kaufvertrag vollständig voneinander getrennt sind. Der Verkäufer gibt mithin gar keine Verkäufergarantien oder Steuerfreistellung mehr unter dem Kaufvertrag ab. Vielmehr muss der Käufer diese bilateral mit der W&I-Versicherung aushandeln. In der Vergangenheit wurden synthetische W&I-Versicherungen ausschließlich in Sondersituationen verwendet, beispielsweise im Distressed M&A, wenn der Insolvenzverwalter keinerlei Verkäufergarantien zum Target abgeben kann und will. Im gegenwärtigen M&A-Markt versuchen sich Verkäufer zunehmend auf eine synthetische W&I-Versicherung zu stützen, um ihre Rechtsposition weiter zu optimieren.

2. OPTIMIERUNG DER VERKÄUFERPOSITION

Der Vorteil des Verkäufers liegt in der zusätzlichen Reduzierung seines Haftungsrisikos. Grundsätzlich trägt der Verkäufer stets das Risiko der Vorsatzhaftung, auch beim Einsatz einer herkömmlichen W&I-Versicherung. Dieses Restrisiko stellt die Hintertür dar, mit der im Haftungsfall sämtliche vereinbarten Haftungsbegrenzungen ausgehebelt werden können. Insbesondere bei Anwendung der vielfältigen Rechtsprechung zur Wissenszurechnung kann selbst eine nur fahrlässige Verletzung der Pflicht des Verkäufers zur Wissensorganisation seiner Gruppe eine Arglist und mithin Vorsatzhaftung zur Folge haben. Der Fokus liegt hier auf der vorsätzlichen Haftung für Garantieverletzungen aufgrund von Erklärungen ins

BBM 2021 S. 12 (13)

Abbildung 13

BBM 2021 S. 12 (14)

Blaue hinein. Einer solchen Haftung wird indes die tatbestandliche Grundlage entzogen, wenn der Verkäufer selbst gar keine Garantien mehr abgibt. Aus Verkäufersicht ist zu beachten, dass eine gesetzliche Deliktshaftung beziehungsweise eine Haftung aus culpa in contrahendo selbstverständlich weiterhin möglich ist.

3. VORAUSSETZUNGEN UND GRENZEN DES EINSATZES SYNTHETISCHER W&I-VERSICHERUNGEN

Da der Käufer den Garantiekatalog allein mit der W&I-Versicherung verhandelt, stellt sich die Frage, wie die W&I-Versicherung Umfang und Inhalt dessen im Einzelfall festlegen und verifizieren kann. Die Qualität jeder W&I-Police wird ganz entscheidend beeinflusst durch die Qualität der Offenlegung von Informationen zum Target (Disclosure) – sowohl generell im Datenraum als auch spezifisch hinsichtlich einzelner Garantien durch die Erklärenden. Bei der herkömmlichen W&I-Versicherung sorgt das genannte Restrisiko der gesetzlichen Verkäuferhaftung für eine für den Versicherer akzeptable Interessenlage und zwar auch dort, wo die vertragliche Haftung des Verkäufers der Höhe nach beschränkt ist. Beim Einsatz einer synthetischen W&I-Versicherung besteht hingegen ein moral hazard.

a. Veränderung der Motivationslage

Der Wegfall der möglichen Haftung aufgrund von Erklärungen ins Blaue hinein verschiebt die für die Versicherung relevanten Parameter erheblich. Dabei ist nicht der Umstand entscheidend, dass es an einer Haftung fehlt, die dem Versicherer über § 86 VVG als Regress zur Verfügung steht. Vielmehr geht es um die (wahrgenommene) Interessenlage: Aus Sicht der Versicherung ist dort, wo eine Vorsatzhaftung droht, das Interesse des Erklärenden an einem ordentlichen und sorgfältigen Prozess sichergestellt. Fällt dieses „Damoklesschwert“ weg, fehlt ein wichtiges Korrektiv.

b. Offenlegung und Deckungsumfang

Zusätzlich erschwert der Wegfall des Verkäufers als Erklärender auch die gebotene Disclosure zu den einzelnen Garantien. In marktgängigen Garantiekatalogen sind etliche Garantien nur deswegen für den Käufer von Bedeutung, weil der Verkäufer entgegenstehende Umstände offenlegen müsste. Daran fehlt es. Da die Versicherung grundsätzlich nicht bereit ist, dieses Risiko vollständig zu übernehmen, wird sie zwingend den Umfang der Garantien auf das beschränken, was für sie objektiv nachprüfbar ist, das heißt auf die Informationen, die im Datenraum oder aus den Q&A zur Verfügung stehen. Der Deckungsumfang der synthetischen Police wird immer hinter dem einer traditionellen Police zurückbleiben. Ausnahmen kann es dort geben, wo das Management des Targets eine Offenlegung zu einzelnen Garantien geben kann. Dies ist oftmals der einzig gangbare Weg, um den Garantiekatalog so auszugestalten, dass die Mindestanforderungen eines Käufers gewahrt werden. Dann stellen sich freilich Folgefragen hinsichtlich einer aus einer fehlerhaften Offenlegung eventuell resultierenden Haftung der Erklärenden.

c. Kosten

Die beschriebenen besonderen Anforderungen und das geänderte Risikoprofil bedingen, dass synthetische W&I-Versicherungen teurer sind als herkömmliche Transaktions-Versicherungen. Die genauen Mehrkosten hängen stark vom Einzelfall ab, belaufen sich aber im Mittel auf 50 bis 100 Prozent der üblichen Kosten.

4. HANDLUNGSALTERNATIVEN DES KÄUFERS

Wenn der Käufer im Bieterverfahren zum Abschluss einer synthetischen W&I-Versicherung bewegt werden soll, sind die Reaktionsmöglichkeiten naturgemäß begrenzt. Einerseits sollte der Fokus dann auf einer umfassenden Due Diligence liegen und sollten identifizierte beziehungsweise nicht durch die Police abgedeckte Risikofelder möglichst kommerziell eingepreist werden. Andererseits sollten frühzeitig entsprechende Workstreams aufgesetzt werden, die parallele Verhandlungen mit dem Verkäufer über den Kaufvertrag und mit der W&I-Versicherung über die synthetische Police erlauben. Bei einem weniger kompetitiven Verkaufsprozess steht dem Käufer ein breiteres Spektrum an Handlungsalternativen zur Verfügung. So gibt es auch Hybridmodelle, bei denen bestimmte Garantien vom Verkäufer und andere von der W&I-Versicherung abgegeben werden.

5. ZUSAMMENFASSUNG

Die nach wie vor starke Verhandlungsposition vieler Verkäufer hält den M&A-Markt in Bewegung und führt zu einer kontinuierlichen Ausdifferenzierung verkäuferfreundlicher Kaufverträge. Im Vordergrund steht dabei die substanzielle Beschränkung beziehungsweise Verlagerung der Haftungsrisiken des Verkäufers. Der Einsatz synthetischer W&I-Versicherungen stellt dabei einen weiteren Baustein dar, der zunehmend im M&A-Markt Verbreitung findet.

Nicht zuletzt aufgrund der hohen Anforderungen an die gebotene Disclosure wird die synthetische W&I-Versicherung den üblichen Erwartungen der Käufer an die vertragliche Absicherung ihrer Risikoposition nur sehr begrenzt gerecht. Im kompetitiven Bieterverfahren können die Käufer rechtliche Risiken daher oft nur noch kommerziell einpreisen oder faktenbasierte Sicherheit durch ihre Due Diligence suchen.

Abbildung 14 Abbildung 15

Autoren

Dr. Maximilian Findeisen

Partner Eversheds Sutherland

Dr. Philipp Heer

Partner HWF Partners

 
stats