Home-Office: Kein Weg zurück?
Mit der Corona-Pandemie kam die flächendeckende Einführung von Homeoffice in Dienstleistungs- und Produktionsbetrieben. Doch was kommt nach Corona? Zurück ins Büro – oder kann der Betriebsrat das verhindern? Ein Blick in die Rechtsprechung der ersten und der dritten Welle.
Während zu Zeiten der ersten Corona-Welle noch die Einführung mobilen Arbeitens von besonderem Interesse war, geht es mittlerweile (auch) um eine möglichst geregelte Rückkehr in den Büroalltag. Dies gilt umso mehr, nachdem die aus der Corona-Arbeitsschutzverordnung folgende Arbeitgeberpflicht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Arbeit im Homeoffice zu ermöglichen, zum Juli (jedenfalls zunächst) endete. Dabei stellt sich im Hinblick auf die Einführung mobilen Arbeitens und – im Gegenzug – die Rückkehr an die „alte Arbeitsstätte“ in Corona-Zeiten insbesondere die Frage der Mitbestimmung des Betriebsrats und etwaiger Auswirkungen, soweit diese ausbleibt. Anlass, einige Entscheidungen in der Rechtsprechung hierzu sowie den neuesten Mitbestimmungstatbestand aus § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG komprimiert in den Blick zu nehmen.
(Potenzielle) Mitbestimmungsrechte im Zusammenhang mit der Einführung von mobilem Arbeiten und der Rückkehr in den Büroalltag
Als potenzielle Mitbestimmungstatbestände aus dem Bereich der sozialen Angelegenheiten des § 87 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) kommen insbesondere die Ordnung des Betriebs nach Nr. 1, die Arbeitszeitverteilung nach Nr. 2, die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen nach Nr. 6 sowie der Gesundheitsschutz nach Nr. 7 in Betracht.
Mit Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes wurde der Katalog der Mitbestimmungstatbestände aus § 87 Abs. 1 BetrVG zum 18. Juni 2021 zudem durch die neue Nr. 14 erweitert. Danach hat der Betriebsrat bei der „Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird“, mitzubestimmen. Laut Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/28899, S. 3, 23) soll dadurch die mobile Arbeit gefördert und in diesem Zusammenhang der Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz sichergestellt werden. Dabei wird ebenso klargestellt, dass der Mitbestimmungstatbestand ausschließlich die Ausgestaltung des mobilen Arbeitens und damit das „Wie“ betrifft, während über das „Ob“ der Einführung mobilen Arbeitens weiterhin der Arbeitgeber entscheidet.
Neben der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten kann allerdings auch eine solche in personellen Angelegenheiten aus §§ 99, 95 Abs. 3 BetrVG in Betracht kommen, soweit die Einführung von mobilem Arbeiten oder die Rückkehr in den Büroalltag (insbesondere in zeitlicher Hinsicht) eine „Versetzung“ im Sinne der vorstehenden Vorschriften darstellt.
Einstweilige Unterlassungsverfügung bei Einführung des mobilen Arbeitens?
Bereits Mitte des letzten Jahres hatte das LAG Hessen (Beschluss vom 18. Juni 2020, Az.: 5 TaBVGa 74/20) darüber zu entscheiden, ob der Betriebsrat bei ausgebliebener Mitbestimmung im Wege der einstweiligen Verfügung einen Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Einführung von mobilem Arbeiten durchsetzen kann. Hintergrund war, dass der Arbeitgeber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die (zeitlich begrenzte) Wahlmöglichkeit mobilen Arbeitens zum Schutz vor Infektionen einräumen wollte.
Das LAG wies den Antrag des Betriebsrats auf Erlass der Unterlassungsverfügung mangels überwiegender Interessen des Betriebsrats zurück. Den Mitbestimmungstatbestand aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hielt das LAG aufgrund der Kopplung der Einführung des mobilen Arbeitens mit der Erbringung der Arbeitsleistung für nicht einschlägig. Ebenso hielt es den Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mangels Veränderung im Zusammenhang mit der Arbeitszeit für nicht betroffen. Auch Nr. 6 und 7 des § 87 Abs. 1 BetrVG kamen in dem zu entscheidenden Fall nicht zum Tragen, da die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre technische Ausstattung unverändert weiter nutzten. Zweifel meldete das LAG schließlich – gerade wegen der Wahlmöglichkeit und der zeitlichen Begrenzung – auch im Hinblick auf das Vorliegen einer „Versetzung“ an. Im Ergebnis sah das LAG insofern die Gefahren für Gesundheit und wirtschaftliche Auswirkungen im Vergleich zu etwaigen Nachteilen als für die Entscheidung ausschlaggebend an.
Einstweilige Unterlassungsverfügung bei Rückkehr in den Büroalltag?
Zur Rückkehr aus dem mobilen Arbeiten hin zur „alten Arbeitsstätte“ existieren einige (erstinstanzliche) Entscheidungen. So gab das ArbG Stuttgart einem vom Betriebsrat gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Unterlassung der Öffnung einer Filiale, unter anderem wegen eines Verstoßes gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG statt, da eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über Maßnahmen zum Gesundheitsschutz fehlte (Beschluss vom 28. April 2020, Az.: 3 BVGa 7/20). Ähnliche Entscheidungen trafen das ArbG Berlin (Beschluss vom 27. April 2020, Az.: 46 AR 50030/20) sowie das ArbG Neumünster (Beschluss vom 28. April 2020, Az.: 4 BVGa 3 a/20).
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich die vorgenannten Entscheidungen vor allem auf die erste Corona-Welle bezogen. Mit steigender Anzahl der verabreichten Impfdosen (derzeitiger Stand laut Medienberichten: ca. 100 Millionen in Deutschland) und jedenfalls bei sinkenden Inzidenzwerten dürften derartige Entscheidungen jedoch nicht zwingend sein. Ebenso ist zu beachten, dass der Gesetzgeber die Pflicht des Arbeitgebers zur Ermöglichung des Arbeitens im Homeoffice aus der Corona-Arbeitsschutzverordnung (bislang) nicht verlängert hat und diese damit zum Juli endete. Trotz dieser Aspekte wird der sicherste Weg letztlich sein, die Einzelheiten zum mobilen Arbeiten verbindlich in einer Betriebsvereinbarung zu regeln.
Fazit
Auch während der Corona-Pandemie gelten (etwaige) Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zum mobilen Arbeiten. Die Entscheidung über die Einführung mobilen Arbeitens liegt aber – jedenfalls ohne gesetzlich geregelte Pflicht – beim Arbeitgeber. Dies verdeutlicht nicht zuletzt die Gesetzesbegründung zu § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG.
Angesichts der Entscheidung des LAG Hessen dürfte gerade bei hohen Infektionsrisiken sowie zeitlicher Begrenzung und Wahlmöglichkeit eine einstweilige Unterlassungsverfügung wegen Missachtung etwaiger Mitbestimmungsrechte in Bezug auf die Einführung von mobilem Arbeiten in der Regel ausscheiden. Umgekehrt sprechen bei steigendem Impfschutz und fallenden Inzidenzwerten durchaus Gründe gegen den Erlass einstweiliger Unterlassungsverfügungen im Hinblick auf die Rückkehr in den Büroalltag. Zur Vermeidung ungewollter Risiken bietet es sich dennoch an, klare Regelungen zum mobilen Arbeiten (vorab) in einer Betriebsvereinbarung festzulegen.
Autor Ruven Bäsemann Rechtsanwalt GvW Graf von Westphalen Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaft mbB, Frankfurt |