Die nationale Personalwirtschaft wird durch das „Normalarbeitsverhältnis“ geprägt: eine unbefristete arbeitsvertragliche Beziehung zwischen dem Unternehmen und dem Arbeitnehmer 1 . Das Unternehmen nutzt die menschliche Arbeitskraft zur Erreichung seiner Unternehmensziele. Auf der anderen Seite hat es die typischen Arbeitgeberrisiken zu tragen, z. B. Restriktionen bei der Beendigung der Arbeitsverhältnisse durch den allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz oder die Fortzahlung von Vergütung für Zeiten ohne Arbeitsleistung (Urlaub, Krankheit). Hinzu kommen Kosten infolge der Beteiligung der Arbeitgeber an der Finanzierung der Sozialversicherungssysteme. Weitere wirtschaftliche Belastungen können sich bei einer Tarifbindung in Form tariflicher Zusatzleistungen (z. B. höhere Stundenentgelte, Zuschläge für Überstunden und andere Erschwernisse, Jahressonderzahlungen, Betriebsrente) ergeben. Auf der anderen Seite schreitet die Globalisierung der Märkte voran. Stetig bessere Kommunikations- und Transporttechnologien ermöglichen einen immer schnelleren und auch kostengünstigeren Transport von Daten und Waren. Arbeitsintensive Produktionsschritte lassen sich ebenso profitabel in ein sog. Billiglohnland auslagern wie die unternehmensinterne IT-Technologie. Als Folge sehen sich die nationalen Unternehmen in einem zunehmenden internationalen Wettbewerb. Der Druck auf die Produktivität nimmt zu. Das gilt besonders für eine exportorientierte Volkswirtschaft wie die der Bundesrepublik Deutschland. Man muss seine Ressourcen also genau definieren und möglichst effizient einsetzen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.
Einen Standortnachteil für die Bundesrepublik Deutschland stellen die vergleichsweise hohen Arbeitskosten 2 , insbes. für die Industrie, dar. Hier rangiert die Bundesrepublik Deutschland deutlich über dem Niveau vieler anderer Industriestaaten.
Nach den Ergebnissen einer Erhebung von Eurostat für das Jahr 2015 betrugen die Arbeitskosten in der Industrie für Unternehmen mit 10 und mehr Beschäftigten durchschnittlich in Deutschland 38,00 Euro pro Stunde. Höher waren diese Kosten nur in Belgien (44,20 Euro), Dänemark (42,90 Euro) und in Schweden (41,60 Euro). In sieben Mitgliedstaaten liegen die Arbeitskosten für Industriebeschäftigte je Stunde unter 10,00 Euro. Am Ende der Skala rangieren Bulgarien (3,90 Euro), Rumänien (5,00 Euro), Litauen und Lettland (je 6,70 Euro) 3 .
Eine solche Strategie ist die Fremdvergabe betrieblicher Aufgaben. Die Unternehmen stellen sich die Frage des „Make or buy“:
→Was können wir selber besser oder billiger als andere? Das machen wir selbst, und dort stellen wir uns dem Wettbewerb.
→Was können andere besser und kostengünstiger? Das lassen wir machen und nutzen den Wettbewerb verschiedener Anbieter zum eigenen Kostenvorteil.
Kostendruck und Spezialisierung auf das Kerngeschäft („lean production“) führen dazu, dass zunehmend personalwirtschaftliche Modelle praktiziert werden, deren gemeinsames Ziel es ist, die in den Unternehmen anfallende Arbeit nicht mehr durch eigenes Personal ausführen zu lassen, sondern zu externalisieren.
In dieser Abhandlung werden die einzelnen Modelle sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken aus der Sicht der Unternehmen behandelt. Im Mittelpunkt der Darstellung steht die Arbeitnehmerüberlassung 4 . Sie ist der vom Gesetzgeber vorgesehene Grundtyp des Fremdpersonaleinsatzes. In der Praxis nicht minder bedeutsam ist die Fremdvergabe betrieblicher Aufgaben auf der Grundlage von Werk- und Dienstverträgen und der Einsatz freier Mitarbeiter („freelancer“). Auf die Besonderheiten und Unterschiede der Arbeitnehmerüberlassung im Vergleich zum sonstigen Fremdpersonaleinsatz wird an jeweils passender Stelle eingegangen.
Nicht behandelt werden Fragen des klassischen Outsourcings:
Ein abgrenzbarer Aufgabenbereich wird unter Einstellung eigener Aktivitäten insgesamt und vollständig einem fremden Unternehmen übertragen. Das eigene Unternehmen zieht sich vollständig aus diesem Bereich zurück und tritt nur noch als Nachfrager am Markt auf.
Beispiele: | Verpachtung der Betriebskantine, Beauftragung externer Reinigungs- und Security-Unternehmen, Schließung des eigenen Lagers und des Fuhrparks und Organisation von Lagerhaltung und Transport über Drittfirmen, Auslagerung der Lohnbuchhaltung auf eine Steuerberatergesellschaft. |
Fragen des Outsourcings werden im Band 219 der RdW-Schriftenreihe behandelt. Beim Fremdpersonaleinsatz geht es im Unterschied dazu um den Einsatz von Fremdfirmenarbeitnehmern innerhalb der eigenen Betriebsorganisation. Im Rechtssinne ausgelagert wird nicht die Aufgabe als solche, sondern die Aufgabenwahrnehmung durch eigenes Personal. Im Fall des Einsatzes von Leiharbeitnehmern handelt es sich um ein reines „Personaloutsourcing“, bei der Fremdvergabe auf der Grundlage eines Werk- oder Dienstvertrags spricht man von „Inhouse-Outsourcing“.
1 | Die Verwendung der männlichen Form erfolgt allein aus darstellungstechnischen Gründen. |
2 | = Lohn und Lohnnebenkosten je Arbeitsstunde. |
3 | Abrufbar unter . |
4 | Auch als „Zeitarbeit“, „Leiharbeit“ oder „Personal-Leasing“ bezeichnet; die vorliegende Darstellung verwendet die Terminologie des AÜG. |