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CB 2023, I
Petrasch 

CB 2023, Heft 1-2, Umschlagteil S. I (I)

Hinweisgeberschutz – Nachbesserung wäre gut!

„Die Handwerkskunst des Gesetzgebers sinkt.“

Das sich im parlamentarischen Verfahren befindliche Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG-E) wird zu weitreichenden Anpassungen im nationalen Recht führen, um – so die Zielsetzung – ein umfassendes Schutzsystem für die Meldung und Offenlegung von Verstößen in Unternehmen und Behörden in den unterschiedlichsten Rechtsbereichen zu schaffen. Dazu wird ein persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich definiert werden; es werden mit internen und externen Meldekanälen zwei gleichwertig nebeneinanderstehende Meldewege geschaffen sowie ein umfangreicher Repressalienschutz etabliert werden. In den Schutzbereich werden vor allem Verstöße gegen das Strafrecht und bestimmte Ordnungswidrigkeiten einbezogen, ferner weitere Tatbestände des nationalen Rechts.

Man könnte mithin meinen, dem Gesetzgeber sei beim Hinweisgeberschutzgesetz „der große Wurf“ ohne jeglichen Nachbesserungsbedarf gelungen. Auf den ersten Blick lässt der Entwurf in der Tat wenig Raum für Fundamentalkritik; orientiert er sich doch im Wesentlichen an der EU-Richtlinie zum Hinweisgeberschutz und den einschlägigen Vorgaben der Kommission. Blickt man aber in die Details, so ist man erstaunt, wie viele Fragen das Gesetz nicht beantwortet und wie es damit die Normadressaten im Ungewissen lässt. So erwähnt § 18 Nr. 1 HinSchG-E als eine der möglichen Folgemaßnahmen bei der Nachverfolgung von Hinweisen zwar die „interne Untersuchung“ beim Beschäftigungsgeber, also die interne Aufklärung des gemeldeten Missstandes (sog. Internal Investigation). Das Gesetz definiert und regelt indes an keiner Stelle, was im Hinblick darauf seitens des Unternehmens oder der Behörde getan werden muss, nicht getan werden darf bzw. ganz grundsätzlich beachtet werden sollte.

Dieses Regelungsdefizit ist umso erstaunlicher, als dass der Gesetzgeber und die meisten politischen Kräfte vor nicht einmal zwei Jahren insbesondere bei den internen Untersuchungen einen verstärkten Regelungsbedarf postuliert hatten. Im gescheiterten Verbandssanktionengesetz (VerSanG) hat man seinerzeit als einen der Hauptgründe für dessen Notwendigkeit fortwährend die bestehende Rechtsunsicherheit auf dem Gebiet der Internal Investigations angeführt. Die flächendeckend in den Unternehmen durchgeführten internen Ermittlungen seien zwar fester Bestandteil der Unternehmens-Compliance, würden aber – so der Gesetzentwurf zum VerSanG – keiner Regelung unterfallen. Dies schaffe Rechtsunsicherheit, Rechtsungleichheit und führe zu Frustration in den Unternehmen.

Diese Feststellungen sollten gleichermaßen beim HinSchG-E gelten.

Warum nutzt der Gesetzgeber die Gunst der Stunde nicht, um die vielen offenen Fragen zu den internen Untersuchungen im HinSchG-E zu regeln? Auch bei Umsetzungsgesetzen zu EU-Richtlinien hat der nationale Gesetzgeber einen gewissen Ermessenspielraum. Er kann die Regelungen des nationalen Rechts den im jeweiligen Mitgliedstaat bestehenden Regelungsbedürfnissen anpassen. Es wäre daher ein Leichtes, im Rahmen des HinSchG-E endlich Klarheit und Rechtssicherheit bei den internen Untersuchungen zu schaffen. Denn eines ist klar: Die einschlägigen Fragen hierzu werden immer wieder auftreten und müssen irgendwann gelöst werden. Seit langer Zeit ungeklärt ist zum Beispiel die Frage, wie sich das Ergebnis interner Untersuchungen rechtsdogmatisch überhaupt einordnen lässt. Stellt es ein rein internes – gegenüber staatlichem Zugriff und Beschlagnahme geschütztes – Untersuchungsprodukt dar oder ist es freie Verfügungsmasse für den Strafverfolger? Ferner fraglich ist, welcher Standard bei internen Untersuchungen ganz allgemein zu beachten ist. Dies insbesondere dann, wenn es um die Sichtung von Unterlagen bzw. die Sicherstellung elektronischer Daten der Beschäftigten geht. Auch wäre es an der Zeit zu klären, wie die Aussageverpflichtung der Mitarbeitenden ausgestaltet sein soll, wenn diese zu sie selbst belastenden Sachverhalten bei internen Untersuchungen Rede und Antwort stehen müssen.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Normgeber bei Gesetzesentwürfen in einen gewissen Widerspruch zu eigenen Zielvorgaben und Beweggründen setzt. Die Zeiten, in denen die Gesetzgebung vom Willen getragen war, langfristig ausgerichtete und in sich schlüssige Regelungswerke zu schaffen, scheinen vorbei zu sein. Es zählt schnelles und vermeintlich „anpackendes“ Handeln, wobei an die Handwerkskunst des Gesetzesgebers immer weniger Anforderungen gestellt werden. Dies alles ist nicht nur schade für diejenigen, die es auszubaden haben (in diesem Fall die Unternehmen und Behörden). Es ist auch schlecht für die Qualität und Nachhaltigkeit unserer Gesetzeslandschaft im Allgemeinen.

Abbildung 1

Dr. Martin Petrasch, Chief Counsel Compliance und Global Head of Investigation in einem Großkonzern.

 
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