BGH entscheidet zu Informationspflichten von Anlagevermittlern
Der BGH hat mit Urteil vom 19. September 2024 (Az.: III ZR 299/23) klargestellt, dass ein Anlagevermittler seiner Pflicht zur Information über die Bonität des Emittenten einer Kapitalanlage jedenfalls gegenüber einem geschäftserfahrenen Anlageinteressenten im Normalfall dadurch genügt, dass er diesem eine im Anlagezeitpunkt aktuelle Bewertung einer Rating-Agentur mitteilt. Auf die Richtigkeit dieses Ratings darf der Anlagevermittler sich grundsätzlich verlassen.
Wer als geschäftserfahrener Anleger strauchelt, kann dafür nicht unbedingt seinen Anlagevermittler in die Pflicht nehmen.
Im konkreten Fall nahm eine bayerische Gemeinde ein Finanzdienstleistungsunternehmen auf Schadensersatz wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage in Anspruch. Die Gemeinde schloss über das Finanzdienstleistungsunternehmen seit 2012 insgesamt 85 Festgeldanlagen bei mehreren Banken ab. In der Zeit zwischen März 2017 und Dezember 2020 legte sie Festgelder bei der G. Bank AG an, die günstigere Konditionen anbot als viele andere Banken, oder prolongierte solche Anlagen. Im August 2020 berichtete der Nachrichtendienst Bloomberg über eine Prüfung der Bank durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wegen einer möglicherweise zu großen Abhängigkeit von einem britisch-indischen Unternehmenskonglomerat und dem damit verbundenen „Klumpenrisiko“. Daran angelehnt erschienen im Folgenden weitere Berichte verschiedener Finanzmarkt-Informationsdienste über die G. Bank AG im Internet. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde vereinzelt über eine mögliche Insolvenz der Bank spekuliert. Im September 2020 wurde deren Rating von einer europäischen Rating-Agentur, von A- auf BBB+ herabgestuft. E-Mails des Finanzdienstleisters an die Gemeinde aus dieser Zeit enthielten jeweils Mitteilungen über das zu diesen Zeitpunkten aktuelle und seit Herbst des Jahres abgesenkte Rating der Bank. Im Dezember 2020 legte die Gemeinde eine weitere Summe bei der G. Bank AG an. Die G. Bank AG wurde im März 2021 insolvent und die bei der Bank investierten Gelder der Gemeinde gingen verloren. Die Gemeinde verlangte daraufhin von dem Finanzdienstleistungsunternehmen die Erstattung eines Teils der verlorenen Gelder. Die Parteien stritten darüber, ob zwischen ihnen ein Auskunftsvertrag zustande gekommen war, aufgrund dessen der Finanzdienstleister verpflichtet war, sich über die Bonität der G. Bank AG zu informieren. Die Gemeinde machte geltend, sie habe darauf vertraut, dass das Unternehmen über entsprechende Marktkenntnis verfüge und ihr nur sichere Anlagen vermittele.
Der BGH stellte fest, dass zwar zwischen den Parteien ein Auskunftsvertrag über die Vermittlung einer Kapitalanlage zustande gekommen sei, dem Finanzdienstleister aber keine in Ausführung des Vertrages begangene Pflichtverletzung vorzuwerfen sei. Richtig sei, dass im Zusammenhang mit der Vermittlung von Kapitalanlagen ein Auskunftsvertrag zumindest stillschweigend zustande komme, wenn der Interessent deutlich macht, dass er auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, und der Anlagevermittler mit der gewünschten Tätigkeit beginnt. Ein solcher Vertrag verpflichte den Vermittler nach ständiger Rechtsprechung zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind.
Der BGH ist der Auffassung, dass das Finanzdienstleistungsunternehmen seine Pflicht gegenüber der Gemeinde zur Information in Bezug auf die hier in Rede stehende Bonität der G. Bank AG als Emittentin der Festgeldanlage hinreichend erfüllt hat. Der Anlagevermittler müsse sich nach ständiger Rechtsprechung über die Bonität des Emittenten grundsätzlich (nur) informieren. Eine fachkundige Bewertung und Beurteilung dieses für die Anlageentscheidung bedeutsamen Gesichtspunkts schulde er hingegen nicht. Auch an den Umfang der über die Bonität des Emittenten einzuholenden Informationen müssten keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden und der damit verbundene Aufwand müsse dem Vermittler zumutbar sein: „Die Grenzen der dem Anlagevermittler obliegenden Pflicht bestimmen sich auch insoweit nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls, wobei insbesondere die Geschäftserfahrung und der konkrete Kenntnisstand des Anlageinteressenten von Bedeutung sind“, so der BGH. Eine Möglichkeit, sich über die Bonität des Emittenten zu informieren, liege in dem Rückgriff auf dessen aktuelle Bewertung durch eine Rating-Agentur. Mit der Mitteilung eines solchen Ratings lasse der Vermittler jedenfalls einem, wie im vorliegenden Fall, geschäftserfahrenen Anlageinteressenten im Normalfall eine ausreichende Information zukommen, mit der dieser die Kapitaldienstfähigkeit des Emittenten der in Aussicht genommenen Anlagemöglichkeit sachgerecht beurteilen könne.
Auf der Grundlage der per Mail mitgeteilten Information zum aktuellen Rating sei es Sache der Gemeinde gewesen, vor ihrem Anlageentschluss zu entscheiden, ob sie die G. Bank AG als Anbieterin der Festgeldanlage für ausreichend kreditwürdig hielt. Jedenfalls von einer Gemeinde und den in ihrer Kämmerei mit der Anlage von Geldern in Millionenhöhe befassten Personen durfte der Finanzdienstleister erwarten, dass sie das jeweilige Rating zur Kenntnis nehmen werden und auch einzuordnen wussten.
chk