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CNL 2025, 4
Kahlen-Pappas 

„Den Anteil der Compliance-Kultur an unserer Neuausrichtung kann man gar nicht hoch genug bewerten“

Im Interview erläutert Dr. Max Steiger, wie das Fintech-Unternehmen Unzer sich nach einem gravierenden Compliance-Vorfall erst vor wenigen Jahren in Sachen Compliance komplett neu aufgestellt hat.

Abbildung 4

Dr. Max Steiger ist Chief Compliance and Governance Officer beim Fintech Unzer, wo er seit 2021 unter anderem die Themen Compliance, Geldwäschebekämpfung, Informationssicherheit und ESG (Umwelt, Soziales und Governance) verantwortet. Zuvor war er fast zwanzig Jahre in leitenden Compliance-Funktionen bei der Deutschen Bank in Frankfurt. Seit 2024 ist Steiger Teil des Präsidiums des Bundesverbandes der Zahlungs- und E-Geld-Institute (bvzi).

Compliance: Im August 2022 verhängte die BaFin Sanktionen gegen eine Unzer-Tochter wegen Mängeln in der Geschäftsorganisation und bei der Einhaltung geldwäscherechtlicher Verpflichtungen. Wie hat Unzer auf die Sanktionen reagiert, um weiterhin am Markt zu bestehen?

Steiger: Ich kam Anfang 2021 zu Unzer und habe schnell gemerkt, dass es in Sachen Compliance bei der Unzer E-Com GmbH einiges aufzuholen gab. Deshalb haben wir direkt umfassende Veränderungen angestoßen. Die BaFin-Sonderprüfung fiel genau in diesen Zeitraum – sie hat unseren eingeschlagenen Kurs also bestätigt und beschleunigt.

Wir haben in den letzten drei Jahren nicht nur erhebliche Summen in Compliance investiert, sondern unser gesamtes Governance-System auf ein neues Level gehoben. Ein neues Management-Team, eine neue technische Plattform und vor allem ein konsistentes Compliance-Management-System mit klaren Prozessen und Strukturen – all das hat uns geholfen, die höchsten Branchenstandards zu erfüllen.

Compliance: Können Sie die Schritte hin zur Neuausrichtung des Unternehmens in Sachen Compliance genauer beschreiben?

Steiger: Eine der wichtigsten Maßnahmen war die Einführung einer gruppenweiten Compliance-Strategie nach höchsten Branchenstandards. Wir haben ein einheitliches Compliance-Management-System geschaffen, das klare Prozesse, eine strenge Governance und belastbare Strukturen umfasst. Ein zentraler Schwerpunkt lag auf der nachhaltigen Etablierung einer Risikokultur. Wir haben interne Prozesse systematisch überarbeitet, Kontrollmechanismen ausgebaut und ein strukturiertes Monitoring für alle Geschäftseinheiten eingeführt. Besonders entscheidend war die Neugestaltung des Onboarding-Prozesses für Kunden mit klaren Kriterien für risikobehaftete Branchen. Zudem haben wir eine Software implementiert, die eine kontinuierliche Überwachung von Händlern und deren Transaktionen ermöglicht.

Neben diesen technologischen Verbesserungen haben wir unser Compliance-Team personell verstärkt und eine Unternehmenskultur geschaffen, in der Integrität und Transparenz an oberster Stelle stehen. Dazu gehört auch die Einführung einer Whistleblower-Hotline und regelmäßige Schulungen für Mitarbeiter, um Compliance fest in unserem Unternehmen zu verankern.

Compliance: Abgesehen von verbesserten Strukturen und Prozessen sprechen Sie die Compliance-Kultur an: Welchen Anteil hat sie an der Neuausrichtung?

Steiger: Den Anteil der Compliance-Kultur an der Neuausrichtung kann man gar nicht hoch genug bewerten. Strukturen und Prozesse sind essenziell, aber ohne eine gelebte Compliance-Kultur bleiben sie letztlich nur Regeln auf dem Papier. Ich bin seit über 20 Jahren in der Compliance tätig und habe immer wieder gesehen, dass Regeln allein nicht ausreichen, denn sie können nicht jede Eventualität abdecken. Entscheidend ist, dass Mitarbeiter nicht nur das tun, was erlaubt ist, sondern das, was richtig ist.

Genau deshalb haben wir bei Unzer die Compliance-Kultur in den Mittelpunkt unserer Transformation gestellt. Wir haben klare ethische Leitlinien geschaffen, die allen Mitarbeitenden Orientierung geben und transparent vermitteln, wofür wir stehen und wo unsere Grenzen liegen. Ein weiteres zentrales Element ist unsere Speakup-Kultur. Compliance ist nicht nur eine Aufgabe der Kontrollmechanismen, sondern eine Haltung, die im gesamten Unternehmen gelebt und vor allem vorgelebt werden muss.

Compliance: Gerade in der Finanzbranche scheint es – zumindest aus Sicht Außenstehender – womöglich schwierig, „softe“ Standards wie Haltung und Verantwortung über die Versuchungen zu stellen, schnell den eigenen Vorteil zu erreichen. Arbeiten Sie an dieser Stelle mit Incentives für Verhalten, das compliant ist?

Steiger: Wir glauben nicht daran, dass man ethisches Verhalten „belohnen“ muss. Denn Compliance sollte nicht etwas sein, das man tut, weil es einen Bonus gibt, sondern weil es selbstverständlich ist. Wir setzen also weniger auf finanzielle Anreize, sondern viel mehr auf Anerkennung und Wertschätzung.

Compliance: Aktuell befindet sich nicht nur Deutschland, sondern die halbe Welt (politisch) im Umbruch, was Auswirkungen auch auf Schwerpunktsetzungen in der Compliance haben dürfte. Was sind aus Ihrer Sicht die entscheidenden Themen für Compliance in der unmittelbaren Zukunft?

Steiger: Ich denke, das Wichtigste ist, Kurs zu halten. Regulierungen schwanken immer – mal gibt es strengere Vorgaben, mal eine pragmatischere Haltung. Das habe ich in über 22 Jahren in Compliance mehrfach erlebt. Dieses ständige Auf und Ab gehört in demokratischen Systemen wohl einfach dazu. Trotzdem dürfen Unternehmen nicht nachlassen. Denn eine starke ethische Kultur ist mehr als nur Risikomanagement – sie zahlt sich aus. Davon bin ich überzeugt.

Das Interview führte Christina Kahlen-Pappas.

 
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