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CNL 2023, 12
Passarge 

Der Gesetzgeber vergisst die öffentliche Hand

CB-Chefredakteur Dr. Malte Passarge schaut in seinem Beitrag zurück auf die Entwicklung der Compliance. Er lenkt dabei den Blick auch auf die öffentliche Hand, wo Compliance häufig nur ein Lippenbekenntnis sei. Für ihn steht fest: Compliance-Strukturen sind längst auch in Politik und Verwaltung notwendig.

Abbildung 17

Unter dem Richterhammer: Dort finden sich Politik und Verwaltung in Sachen Compliance eher selten wieder.

Sie erinnern sich noch dunkel an Hegel? These – Antithese – Synthese usw. Daran musste ich bei der Entwicklung von Compliance in den letzten 10-15 Jahren denken. Die älteren Leser erinnern sich noch an die Anfänge von Compliance, wo man regelmäßig mit hunderprozentiger Ablehnung bedacht wurde, sobald der Begriff „Compliance“ auch nur vorsichtig genannt worden ist. Reaktionen wie „das geht so nicht“, „das haben wir schon immer so gemacht“, „das machen die anderen auch so“ waren noch die harmlosen Wortmeldungen. Forscher kam es von den altgedienten Vertrieblern: „Sie haben ja keine Ahnung, was da draußen los ist“, „dann können wir das Geschäft in der Region XY dichtmachen“ bis hin zu „ich schütze ja nur die Arbeitsplätze“ und „ansonsten müssen wir eben Pleite machen“.

Nun, erfreulicherweise hat sich alles ein wenig anders entwickelt, Compliance ist mittlerweile (weitestgehend) positiv besetzt und Unternehmen und Mitarbeiter verstehen Compliance als Bestandteil der unternehmerischen Wertschöpfungskette. Mittlerweile hat sich der Ausspruch „kein Geschäft ist es wert, dass wir gegen Gesetze verstoßen“ weitgehend etabliert. Waren zu Beginn die rechtlichen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Compliance-Programm unklar, haben sich diese recht schnell in der Praxis herauskristallisiert, weiterentwickelt und etabliert. Und dies ganz ohne die treusorgende Hilfe des Gesetzgebers. Gewisse Unklarheiten blieben, es gab einige zarte Rufe nach dem Gesetzgeber.

Wie immer wurde die gute Idee auf dem Fuße bestraft und der Gesetzgeber kam auf die Idee, Compliance-Gesetze zu schaffen. Diese haben jedoch mehr Lücken und Unklarheiten gebracht, als Probleme gelöst und vornehmlich Dokumentations- und Berichtspflichten entwickelt. Altbekannt die umfangreichen Regularien im Bereich Geldwäsche, die diese freilich nicht verhindert haben; erst die Umkehr der Beweislast in § 261 StGB hat geholfen.

Der Entwurf des Verbandsanktionsgesetzes hat mehr Schrecken verbreitet, als Lösungen im Blick gehabt. Es folgte das unsägliche GeschGehG mit einem falsch verstandenen Hinweisgeberschutz. Die neuesten Kreationen, das LkSG und das lang erwartete HinSchG werden die gesteckten Ziele nicht erfüllen und allen Beteiligten, Unternehmen, Mitarbeitern, Subunternehmern, und Hinweisgebern nicht helfen. Lediglich klage- und PR-freudige NGOs werden hiervon profitieren.

All diesen Gesetzesinitiativen ist zu eigen, dass Unternehmen quasi unter Generalverdacht gestellt werden und mit verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriffen in der unternehmerischen Freiheit beschränkt werden, ohne dass positive Lösungsansätze entwickelt werden.

Demgegenüber wird im Hinblick auf Amtsträgerdelikte häufig vergessen, dass hier zweierlei Tätergruppen beteiligt sind, neben dem Bestechenden der Bestochene – also ein Amtsträger. So vergisst der Gesetzgeber regelmäßig, dass die Verwaltung und Unternehmen der öffentlichen Hand nicht gehindert sind, im Bereich Compliance als Vorbild voranzuschreiten und strenge Compliance-Regularien einzuführen.

Was aber geschieht tatsächlich in Verwaltung und Politik? Eher wenig. Insoweit weichen die öffentliche Diskussion und das Narrativ in der Politik von der Realität erheblich ab. Spiegelbildlich zu den aktuellen, die Unternehmen stark belastenden, Gesetzen häufen sich Korruptionsskandale auf Seiten von Verwaltung und Politik. Allein die publikumswirksamen Korruptionsskandale der letzten Monate beim öffentlichen Rundfunk, der EU und bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt a.M. haben unmissverständlich deutlich gemacht, wie wichtig Compliance nicht nur im Prozess der Gesetzgebung selbst ist, sondern wie notwendig Compliance-Strukturen in Politik und Verwaltung sind.

Für die kommenden Jahre ist es weniger wichtig, dass Unternehmen bei der Einführung von Compliance-Strukturen von Politik und Verwaltung geleitet und bevormundet werden. Tatsächlich sollte sich der dialektische Prozess der Compliance-Kultur künftig stärker auf Politik und Verwaltung fokussieren und dort zeitgemäße Compliance-Strukturen gefordert und etabliert werden. Für die kommenden 10 Jahre wird dies die entscheidende Herausforderung für die Compliance-Kultur sein.

Dr. Malte Passarge

Abbildung 18

Dr. Malte Passarge ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Partner in der Kanzlei HUTH DIETRICH HAHN Rechtsanwälte PartGmbB, Vorstand des Instituts für Compliance im Mittelstand (ICM) und Geschäftsführer von Pro Honore e.V. sowie Chefredakteur des Compliance-Beraters.

 
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