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CNL 2022, 8
Schemmel 

Der neue Gesetzesentwurf des HinSchG im Vergleich zum Referentenentwurf

Das Bundeskabinett hat am 27. Juli 2022 den Gesetzesentwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes beschlossen. Dieser soll bis Ende September im Bundestag beraten und verabschiedet werden. Im Vergleich zum Referentenentwurf (HinSchG-Ref) gibt es teilweise wichtige Änderungen, die nachfolgend kurz aufgezeigt werden.

Abbildung 11

Hinweisgeberschutz: Der neue Gesetzesentwurf enthält einige praxisrelevante Änderungen.

Hinsichtlich des Anwendungsbereichs in § 2 wurde in der Gesetzesbegründung klargestellt, dass die nach dem deutschen Gesellschaftsrecht bestehende Kompetenzordnung durch die Einbeziehung von Anteilseignern und Aufsichtsratsmitgliedern in den Hinweisgeberschutz nicht ausgehebelt werde, da die aus der Organstellung erwachsende Überwachungspflicht nicht durch das Hinweisgeberschutzsystem verdrängt wird.

Die erste für die Praxis bedeutende Änderung findet sich dann in § 9, wonach Informationen über die Identität Beschuldigter und Zeugen/Beteiligter nunmehr auch bei Vorliegen einer diesbezüglichen Einwilligung (Abs. 4 Nr. 1) an die zuständige Stelle weitergegeben werden dürfen. Erfreulich aus Praktikersicht ist ebenso, dass die Gründe der Weitergabe dem Hinweisgeber nicht mehr nur schriftlich, sondern auch elektronisch dargelegt werden können (Abs. 2 S. 3).

Ebenfalls praxisrelevant sind die neuen Äußerungen in der Begründung zur Verarbeitung personenbezogener Daten (§ 10). Demnach besteht entsprechend § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG kein Recht auf Auskunft gem. Art. 15 DSGVO, wegen der regelmäßig überwiegenden berechtigten Interessen des Hinweisgebers – und zwar auch nach Abschluss der Ermittlungen. In der Gesetzesbegründung wird auch klargestellt, dass der spezialgesetzliche Verarbeitungstatbestand auch sensible Daten i. S. d. Art. 9 DSGVO umfasst, hierbei aber ein dem Art. 9 entsprechend hohes Schutzniveau gelte. Umgekehrt wurde jedoch (leider) die Klarstellung gestrichen, wonach bei Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten durch interne Stellen § 26 BDSG Anwendung findet.

Das „Konzernprivileg“ in § 14 Abs. 1 wurde trotz Kritik einer möglichen Europarechtswidrigkeit und Verstoß gegen die Richtlinie nicht abgeschafft, jedoch etwas entschärft. Interne Meldungen müssen künftig auch in der im jeweiligen beauftragenden Tochterunternehmen vorherrschenden Arbeitssprache möglich sein. Zudem ist sicherzustellen, dass durch die Beauftragung einer zentralen Meldestelle bei einer Konzerngesellschaft keine zusätzlichen Hürden für hinweisgebende Personen aufgebaut werden.

Der Gesetzgeber hat zudem die massive Kritik aus Verbänden, Wissenschaft und Praxis hinsichtlich anonymer Meldungen zumindest teilweise gehört. Denn nunmehr wurde sowohl für interne (§ 16 Abs. 1 S. 3) als auch externe Meldestellen (§ 27 Abs. 1 S. 2) klargestellt, dass auch anonym eingehende Meldungen bearbeitet werden sollen, soweit dadurch die vorrangige Bearbeitung nicht-anonymer Meldungen nicht gefährdet wird. Dies dürfte die wichtigste Änderung im Vergleich zum HinSchG-Ref sein. Leider wurde jedoch weiterhin beibehalten, dass es keine Verpflichtung zur Gestaltung der Meldekanäle zur Abgabe anonymer Meldungen gibt – also eine lediglich halbherzige Anpassung an die allseits geforderte „best practice“.

Für kartellrechtliche Verstöße wurde geklärt, dass sich der Hinweisgeber jederzeit an das Bundeskartellamt wenden kann, auch wenn er bereits sein Wahlrecht nach § 7 Abs. 1 S. 1 für den internen Meldekanal ausgeübt hat, muss er nicht den Abschluss des dadurch in Gang gesetzten internen Meldeverfahrens abwarten.

Eine für die Praxis eher nachteilige Änderung findet sich nun in § 28. Hinweisgeber sollen insbesondere dann auf interne Stellen verwiesen werden, wenn der Verstoß durch interne Maßnahmen besonders effektiv abgestellt werden könnte und ein Eingreifen der externen Meldestelle oder anderer Aufsichtsbehörden nicht erforderlich erscheint. Dies dürfte zu einem Ping-Pong und Hin-und-Her-Geschiebe zwischen ex- und internen Stellen führen, denn die Gesetzesbegründung macht keine Aussage was „besonders effektiv“ heißt.

Erfreulich sind hingegen die weiteren Klarstellungen in der Begründung zur Beweislastumkehr in § 36. Die Vermutung kann widerlegt werden, wenn die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte. Ein hinreichend gerechtfertigter Grund kann beispielsweise vorliegen, wenn aus betriebsbedingten Gründen oder wenn ein vertraglich oder strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Hinweisgebers tragender Beweggrund für die benachteiligende Maßnahme war. Dies gelte insbesondere, wenn die benachteiligende Maßnahme erfolgte, weil der Hinweisgeber selbst an einem gemeldeten Verstoß, etwa an einem Korruptionssachverhalt, beteiligt war.

Schließlich wurden die Bußgeldhöhen in § 40 Abs. 6 angepasst: Wissentliche Offenlegung unrichtiger Informationen gem. § 32 Abs. 2 kostet zukünftig 20.000 EUR statt bisher 100.000 EUR, übrige Verstöße 10.000 EUR statt bisher 20.000 EUR.

Weitere Informationen zum neuen Gesetz und Thema Whistleblowing finden Sie hier

Dr. Frank Schemmel

Abbildung 12

Dr. Frank Schemmel, Compliance Officer (Univ.), ist Practice Lead International Privacy und Compliance bei DataGuard in München und berät Unternehmen und Behörden in allen Fragen des Datenschutzrechts sowie der allgemeinen Compliance.

 
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