R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
Logo ruw-online
Logo ruw-online
Suchmodus: genau  
 
 
CNL 2022, 2
Schulz/Schröder 

EU-Richtlinienvorschlag erweitert Sorgfaltspflichten in der Lieferkette

Prof. Dr. Martin R. Schulz und Dr. Christoph Schröder erläutern den Kommissionsvorschlag für eine EU-Lieferketten-Richtlinie im Vergleich zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

Abbildung 1

Wo kommt der Kaffee her? Nachhaltigkeitsaspekte wie Menschenrechte, Klimawandel und Umweltauswirkungen spielen eine immer größere Rolle.

Unternehmerische Verantwortung wird weiterhin kontrovers diskutiert, Unternehmen und ihre Leitungsorgane werden immer stärker in die Pflicht genommen. Einen aktuellen Beleg dieser Entwicklung bietet der am 23. Februar 2022 veröffentlichte Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence).

Der lange erwartete Entwurf weist Parallelen zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) auf, geht zum Teil aber deutlich darüber hinaus. Die Unterschiede beginnen beim Anwendungsbereich: Während das LkSG Unternehmen mit mindestens 3.000 (ab 2024: 1.000) Mitarbeitern erfasst, soll die EU-Richtlinie bereits für Gesellschaften mit mehr als 500 Arbeitnehmern und einem weltweiten Jahresumsatz von mehr als 150 Mio. EUR bzw. für Gesellschaften mit mehr als 250 Arbeitnehmern und einem weltweiten Jahresumsatz von mehr als 40 Mio. EUR gelten, sofern mindestens 50% dieses Umsatzes aus bestimmten Risikobranchen (z.B. Textilbranche, Lebensmittelindustrie) stammen. Anders als das LkSG erfasst die Richtlinie auch Unternehmen aus Drittstaaten ohne hiesige Ansässigkeit, und zwar solche mit einem Jahresumsatz in der EU von mehr als 150 Mio. EUR bzw. einem Jahresumsatz von mehr als 40 Mio. EUR, falls mindestens 50% des weltweiten Umsatzes aus Risikobranchen stammt. Allerdings gilt die EU-Richtlinie – anders als das LkSG – im Wesentlichen nur für Kapitalgesellschaften und regulierte Finanzunternehmen.

Ähnlich wie das LkSG regelt auch der Richtlinienvorschlag besondere Sorgfaltspflichten der Unternehmen für Menschenrechte und Umweltaspekte in ihren Lieferketten. Dazu gehören u.a. Risikoanalysen sowie Präventions- und Abhilfemaßnahmen zur Identifizierung, Vermeidung und Beendigung bzw. Minimierung nachteiliger Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt. Ferner müssen die Unternehmen ein Beschwerdeverfahren einrichten und jährlich einen Bericht auf ihrer Internetseite veröffentlichen. Nach dem Richtlinienvorschlag sollen die betroffenen Unternehmen dazu über eine Due Diligence Policy verfügen und die Due Diligence in ihre Geschäftsprozesse integrieren. Die Due Diligence Policy soll die langfristige Strategie des Unternehmens und die Umsetzungsmaßnahmen beschreiben sowie einen Code of Conduct enthalten. Im Hinblick auf die Umsetzung dieses Programms wird die Unternehmensleitung konkreter in die Pflicht genommen als nach dem LkSG: Die Unternehmensleitung muss die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf Nachhaltigkeitsaspekte wie Menschenrechte, Klimawandel und Umweltauswirkungen berücksichtigen.

Nach dem Richtlinienvorschlag beziehen sich die Sorgfaltspflichten auf die eigene geschäftliche Tätigkeit, die Tätigkeiten von Tochtergesellschaften sowie Tätigkeiten von Gesellschaften in der Wertschöpfungskette, zu denen das Unternehmen eine etablierte Geschäftsbeziehung unterhält. Anders als nach dem LkSG sind damit Tochtergesellschaften stets erfasst und überdies auch nachgelagerte Glieder der Lieferkette (downstream) zu prüfen.

Im Gegensatz zum LkSG, das eine zivilrechtliche Haftung für den Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten ausdrücklich ausschließt, schreibt die Richtlinie sie vor. Die Haftung gilt auch dann, wenn das Recht eines Drittstaats anzuwenden ist und danach eine Lieferketten-Haftung nicht besteht. Für behördliche Sanktionen macht der Richtlinienvorschlag nur vereinzelte Vorgaben, beispielsweise müssen Bußgelder umsatzabhängig sein. Ferner sollen alle Entscheidungen über Sanktionen veröffentlicht werden (naming and shaming).

Der Richtlinienvorschlag muss noch das gesamte Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Kommt die Richtlinie in der vorgeschlagenen Fassung, müsste der deutsche Gesetzgeber das LkSG noch einmal deutlich nachschärfen.

Prof. Dr. Martin R. Schulz und Dr. Christoph Schröder

Abbildung 2

Prof. Dr. Martin R. Schulz, LL.M. (Yale), ist Professor für Wirtschaftsrecht an der IU Internationale Hochschule, Erfurt sowie Rechtsanwalt und Counsel im Frankfurter Büro von CMS Deutschland.

Abbildung 3

Dr. Christoph Schröder ist Rechtsanwalt und Counsel im Hamburger Büro von CMS Deutschland.

 
stats