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CNL 2024, 2
Zöllter-Petzoldt/Hampe 

Europäische Lieferkettenrichtlinie: Weitere Verschärfungen der Lieferketten-Compliance zunächst ausgebremst

Seit Anfang des Jahres sind auch Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern im Inland durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet, bestimmte menschen- und umweltrechtliche Sorgfalts- und Berichtspflichten zu befolgen. Viele Unternehmer betrachten das Gesetz als aufwändiges Bürokratiemonster. Von der geplanten EU-Lieferkettenrichtlinie könnten nun noch mehr Unternehmen betroffen sein. Diese ist aber zunächst ausgebremst.

Abbildung 1

Im Verhältnis zur EU-Lieferkettenrichtlinie mutet das deutsche LkSG so manchem eher wie ein kleiner Fisch an.

Im Dezember 2023 einigten sich EU-Parlament und der Rat nach langen Verhandlungen auf konkrete Inhalte der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (kurz CSDDD oder CS3D). Die Einigung auf zentrale Inhalte der Lieferkettenrichtlinie wurde als „historischer Durchbruch“ gefeiert. Allerdings musste das Vorhaben noch vom Europäischen Parlament sowie dem Rat der EU genehmigt werden. Eine für Anfang Februar geplante Abstimmung wurde zunächst verschoben, da innerhalb der Bundesregierung keine Einigung erzielt werden konnte. Insbesondere wurden Vorbehalte wegen einer weiteren Bürokratisierung geltend gemacht. Deutschland hatte daher angekündigt, sich im Rat enthalten zu müssen. Auch andere Länder galten als Wackelkandidaten. Bei einer mündlichen Abfrage kurz vor der Abstimmung am 28. Februar 2024 enthielt Deutschland sich nun im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten, weshalb das Thema von der Tagesordnung genommen wurde. Offen ist, ob das Gesetzesvorhaben nochmals modifiziert und wann über das Thema erneut abgestimmt wird.

Ziel der Lieferkettenrichtlinie ist der EU- und weltweite Schutz von Umwelt und Menschenrechten. Dafür sieht die Richtlinie nach dem im Dezember ausgehandelten Kompromiss eine Reihe an Pflichten für betroffene Unternehmen vor.

Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist zunächst auf große Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern und einem Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. EUR festgelegt. Darüber hinaus sollen auch Unternehmen ab 250 Arbeitnehmern und einem Umsatz von 40 Mio. EUR aktiv werden müssen, wenn 20 Mio. EUR des Umsatzes in Hochrisikosektoren erwirtschaftet werden. Dazu gehören etwa die Herstellung und der Großhandel mit Textilien, die Lebensmittelherstellung oder der Bausektor. Experten schätzen, dass insgesamt etwa 15.000 deutsche Unternehmen betroffen sein werden. Der Anwendungsbereich ist damit deutlich weiter als der des deutschen LkSG (aktuell etwa 3.000 Unternehmen).

Betroffene Unternehmen müssen die neuen Sorgfaltspflichten in ihre Risikomanagementsysteme und ihre Unternehmens-Policy integrieren. Das bedeutet unter anderem genaue Beschreibungen der unternehmerischen Konzepte. Es muss ein Plan zur Vereinbarkeit des Geschäftsmodells mit dem 1,5 Grad-Ziel aufgestellt werden. Hierzu wird den Unternehmen auferlegt, Nachhaltigkeitsrisiken zu identifizieren und Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Die neuen Sorgfaltspflichten gelten dabei entlang der Wertschöpfungskette, also anders als nach dem LkSG auch bezüglich nachgelagerter Aktivitäten (z.B. Vertrieb).

Bemerkenswert ist auch die nach der Lieferkettenrichtlinie vorgesehene zivilrechtliche Haftung der Unternehmen sowie die Sanktionsmöglichkeiten. Nach der Einigung muss jeder Mitgliedsstaat eine Aufsichtsbehörde bestimmen. Diese kann unter anderem Kontrollen vornehmen und Untersuchungen einleiten. Verstöße können eine Reihe von Sanktionsmöglichkeiten begründen. Dazu gehören die öffentliche Nennung der Firma („naming and shaming“) sowie die Verhängung von Bußgeldern bis zu 5 % des weltweiten Nettoumsatzes. Damit sind Bußgelder in mehr als doppelter Höhe im Vergleich zum deutschen LkSG möglich. Gänzlich anders als noch das LkSG sieht die Einigung der EU-Organe sogar eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen gegenüber Betroffenen vor. Diesen sollen künftig Schadensersatzansprüche zustehen und auch ihr Zugang zur Justiz soll erleichtert werden. Schließlich kann die Einhaltung der Sorgfaltspflichten auch als Teil der Vergabekriterien für öffentliche Aufträge herangezogen werden.

Eine unmittelbare Verpflichtung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bleibt zunächst aus. Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der Lieferkettenrichtlinie fallen und mit KMU zusammenarbeiten, werden aber auf deren Unterstützung angewiesen sein und den KMU entsprechende vertragliche Pflichten auferlegen. Nach dem Richtlinienvorschlag werden zwar gewisse Erleichterungen für KMU implementiert werden. Trotzdem werden sich auch diese mit neuen Herausforderungen im Hinblick auf Lieferketten-Compliance konfrontiert sehen.

Dr. Irka Zöllter-Petzoldt und Willi Hampe

Abbildung 2

Dr. Irka Zöllter-Petzoldt ist Rechtsanwältin und Partnerin bei Flick Gocke Schaumburg in Berlin und berät mit den Schwerpunkten Aktien- und Kapitalmarktrecht und Corporate Governance.

Abbildung 3

Willi Hampe ist Diplom-Jurist und Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Flick Gocke Schaumburg in Berlin und unterstützt in den Bereichen Corporate, M&A und Litigation.

 
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