R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
Logo ruw-online
Logo ruw-online
Suchmodus: genau  
 
 
CNL 2024, 12
 

Europäisches Handeln: BaFin setzt auf einheitliche Qualitätsstandards

Zur Jahrespressekonferenz der BaFin am 14. Mai 2024 stellte Mark Branson, Präsident der BaFin, Europa in den Vordergrund: „Wenn wir nicht europäisch handeln, wird Europa wirtschaftlich wahrscheinlich der Verlierer dieser schwierigen Phase sein“, nahm er Bezug auf die unzähligen Krisen, die sich auch auf die Finanzbranche niederschlagen.

Abbildung 16

BaFin-Chef Branson warnt vor einem Standortwettbewerb der Aufsichtsbehörden in Europa.

Wie gut Europa abschneide, hänge auch davon ab, wie sich das Finanzsystem entwickelt. Der aktuelle Befund sei gemischt: Die Bankenunion noch immer nicht vollendet, der Kapitalmarkt in Europa fragmentiert und ineffizient. „Wir haben nicht einen Markt, wir haben 27 Märkte“, bemängelte Branson und forderte einen einheitlicheren und effizienteren Kapitalmarkt, damit die milliardenschweren Investitionen in die grüne und digitale Transformation der europäischen Volkswirtschaft leichter finanziert werden könnten.

Ein solches einheitlicheres europäisches Finanzsystem werde auf Dauer aber auch nur erfolgreich sein, wenn es zugleich stabil und integer ist. Regulierung und Aufsicht sprach er dabei erwartungsgemäß eine Schlüsselrolle zu. Dabei seien vor allem auch weniger Komplexität in der Regulierung und mehr Proportionalität entscheidend sowie eine europaweite Aufsichtskonvergenz mit gleich hohen Qualitätsstandards.

Branson forderte eine Überprüfung, ob noch die eine oder andere Schwäche in der Regulierung korrigiert werden könne und verglich das Finanzsystem mit dem Straßenverkehr: „Damit alle sicher ans Ziel kommen, brauchen wir an manchen gefährlichen Stellen ein strenges Tempolimit, sonst kommt es zum Crash. Wenn aber der Schilderwald im Straßenverkehr immer dichter und unübersichtlicher wird, geht die Orientierung verloren.“ Überflüssige „Verkehrszeichen“ sollten daher entfernt werden. Auch im Finanzwesen: „Deswegen sollten wir die Komplexität in der Regulierung reduzieren.“

Als aktuelles Beispiel nannte er MiCAR, die europäische Regulierung von Kryptowerten. MiCAR und das nationale Umsetzungsgesetz zu MiCAR seien notwendig, „aber brauchen wir auch die 52 europäischen Rechtsakte, mit denen MiCAR konkretisiert werden soll? Ginge es nicht einfacher? Pragmatischer?“

Auch die verschiedenen Regelwerke rund um das Thema Nachhaltigkeit seien extrem komplex. Das habe negative Auswirkungen auf die Nachfrage von nachhaltigen Produkten, deren Verkauf stagniere.

Branson forderte daher, Regelwerke systematisch zu vereinfachen, zu entschlacken und von Überlappungen zu befreien. Dies sei gerade bei neuen Regulierungsprojekten wie denen zur Nachhaltigkeit möglich, denn „hier sind wir in der Praxis noch nicht so eingefahren und können die Regelungen leichter hinterfragen“.

Deutschland habe außerdem die Tendenz, zusätzliche Komplexität zu schaffen. Darum müssten auch einige der spezifischen deutschen Lösungen hinterfragt werden, die eigentlich nicht oder nicht mehr gebraucht würden: „Wir haben in den vergangenen Monaten ein paar Dutzend Gesetzesstellen ausgemacht, die der deutsche Gesetzgeber entschlacken könnte. Und zwar, ohne die Wirksamkeit der Regulierung zu schwächen. Die Effekte wären zum Teil kleiner, zum Teil größer. Aber es ließe sich auf jeden Fall unnötiger Aufwand vermeiden: bei den Finanzinstituten, bei der Aufsicht – oder bei beiden.“

Aber auch die BaFin-Regelungen machten das Ganze nicht immer verdaulicher, stellte Branson selbstkritisch fest. Mit 14 ihrer 69 Jahresziele für 2024 will die Aufsichtsbehörde darum den bürokratischen Aufwand reduzieren oder Prozesse beschleunigen.

Die Komplexität der Regulierung erschwere vor allem jungen Unternehmen den Markteintritt und belaste generell kleine Unternehmen besonders stark. „Etablierte, große Unternehmen können komplexe Regelwerke noch am ehesten verkraften“, sagte Branson. Daher brauche es mehr Proportionalität in der Regulierung: „Wir könnten einige Anforderungen an kleinere Unternehmen deutlich reduzieren – zumindest für die, die besonders sicher und stabil sind. Ich denke da zum Beispiel an Meldepflichten und die Berechnung komplexer Risikoindikatoren.“ Länder, wie die Schweiz und Großbritannien, hätten gezeigt, dass dies funktionieren kann.

Branson warnte davor, dass sich Aufsichtsbehörden in Europa einen Standortwettbewerb liefern, indem sie Unternehmen mit besonders toleranter Aufsicht locken. Es brauche darum einheitlich hohe Qualitätstandards in der Aufsicht. Das bedeute auch, dass die europäischen Aufsichtsbehörden EBA, EIOPA und ESMA stärker eingreifen sollten. Die BaFin selbst hatte von der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA im vergangenen Jahr schlechte Noten in der Wohlverhaltensaufsicht erhalten. Branson wies auf die Fortschritte hin, die die BaFin seither zurückgelegt habe und forderte die europäischen Aufsichtsbehörden auf, die nationalen Aufsichtsbehörden noch öfter und hartnäckiger auf Defizite hinweisen.

chk

 
stats