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CNL 2024, 4
 

Ganzheitlicher Blick auf die Compliance

Die Finanzaufsicht BaFin hat am 30. Oktober 2023 ein Rundschreiben (08/2023) zur Überwachung und Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft veröffentlicht. Dessen Anforderungen sind von den betroffenen Unternehmen vom 1. Mai 2024 an einzuhalten. Das Rundschreiben hat bei den betroffenen Instituten für Kritik gesorgt. Sie sehen keine Verbesserung für Verbraucher, sondern nur zusätzliche Belastungen für die Branche. Hartmut T. Renz und Andreas Marbeiter ordnen diese Kritik ein und raten zu einem ganzheitlichen Blick auf die Compliance.

Abbildung 4

Zu viele Anforderungen und Belastungen für die Finanz-Branche?

Als Erhöhung der Bürokratie und Regulierungskosten im Segment vergleichsweise einfacher Produkte, kritisierte die Deutsche Kreditwirtschaft laut der Börsenzeitung die Regelungen. Ein verhältnismäßig angemessener Nutzen für den Verbraucher stelle sich nicht ein, wohl aber weitere Belastungen für die Organisationsstrukturen und -prozesse von Banken.

Ob tatsächlich ein Eingriff in die Organisationsstrukturen und prozesse der Banken in großem Umfang erforderlich ist, hängt laut Renz und Marbeiter, die sich hierzu ausführlich in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen vom 1. Dezember 2023 äußern, davon ab, mit welcher Philosophie eine Compliance mit ihren vielen verschiedenen Regulierungsansätzen in einem Unternehmen umgesetzt werde: „Die Erfahrung zeigt, dass eine Methode in einer strikt themen- bzw. produktbezogenen Umsetzung mündet.“ Im Ergebnis bringe dieses Vorgehen zwar die erforderliche Compliance. Es berge aber auch das Risiko, bestimmte Kontroll- und Dokumentationsabläufe redundant zu gestalten, wenn es hausintern verschiedene Zuständigkeiten für die einzelnen Produkte gibt. So entstünden „Silos, die zudem das Risiko bergen, verschiedene Datenhaushalte für identische Dokumentationsvorgaben zu kreieren, unterschiedliche Bewertungsparameter für ähnlich gelagerte Sachverhalte anzuwenden und im Ergebnis sogar unterschiedliche Risikobewertungen zu erhalten – vom redundanten Administrationsaufwand und Ressourcenverbrauch ganz zu schweigen“.

Vermeiden lasse sich dies mit einer thematisch unabhängigen Prozessbetrachtung von Aufgabenabläufen. Dieser Ansatz zeige sich insbesondere bei Unternehmen, die sich ihre Prozesse nach ISO-Direktiven entweder zertifizieren lassen oder zumindest daran ausrichten. Die ISO-Norm 9001 zeige zum Beispiel, dass hier ein festgelegter Ablauf für ein grundsätzliches Vorgehen definiert wird, ganz gleich, um welche inhaltlichen Thematiken es geht. Unternehmen könnten so vermeiden, unterschiedliche oder sich gar widersprechende Abläufe für gleich gelagerte Aufgabenstellungen zu implementieren.

Renz und Marbeiter raten dementsprechend zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise der Compliance. Dieser Ansatz ermögliche – nicht nur im Fall des Rundschreibens 08/2023 – die Nutzung standardisierter Verfahren und Abläufe bei gleichzeitiger Flexibilität, neue Ansätze auf Basis der bestehenden Verfahren effektiv und effizient zu integrieren. chk

Das Rundschreiben

(08/2023) richtet sich an Produkthersteller und -vertreiber und gibt vor, wie sie Bank- und Zahlungsprodukte überwachen und ihre Governance gestalten müssen. Es geht insbesondere um (Immobilar-)Verbraucherdarlehnsverträge, Einlagenprodukte und Zahlungsdienste. Mit dem Rundschreiben setzt die BaFin die Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde für die Überwachung und Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft (EBA/GL/2015/18) um. Da deren Rechtsgrundlage bezweifelt wurde, hatte die BaFin die Leitlinien zunächst nicht in ihre Verwaltungspraxis übernommen. In einem vom französischen Staatsrat Conseil d’État angestrengten Vorabentscheidungsverfahren (C-911/19) hatte der Europäische Gerichtshof allerdings deren Gültigkeit klargestellt.

Abbildung 5

Hartmut T. Renz, Rechtsanwalt und Partner, STRATECO GmbH, Bad Homburg vor der Höhe.

Abbildung 6

Andreas Marbeiter, Director, STRATECO GmbH, Bad Homburg vor der Höhe.

 
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