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CNL 2023, 2
Petrasch 

Greenwashing: Neue Herausforderung für Internal Investigations

Der Begriff „Greenwashing“ ist derzeit in aller Munde. Er betrifft im Kern die sogenannte Grün- oder Schönfärberei von umwelt- und klimaschutzbezogenen Tatsachen durch Unternehmen hinsichtlich ihrer Produkte und Dienstleistungen. Immer dann, wenn diese – entgegen den Angaben – nicht den genannten Nachhaltigkeits-, Umweltvorgaben und -standards entsprechen, kann dies den Unternehmen schnell als unlauteres Handeln auf die Füße fallen. Ein wesentliches Element des internen Maßnahmenkatalogs zur Bewältigung dieser neuen Herausforderung ist eine zügige interne Aufklärung von Sachverhalten, die „Internal Investigation“.

Abbildung 1

Demo gegen die Automobilindustrie: Unternehmen müssen sich der Klimadebatte zunehmend auch aus Reputationsgesichtspunkten stellen.

Materiell-rechtlich kommt eine große Anzahl an Regelungsverstößen in Betracht, die vom Strafrechtsverstoß (Betrug, § 263 StGB, Unterlassungsdelikte) über arbeitsrechtliche Verstöße bis zu Organisations- und Aufsichtspflichtverletzungen reichen. Das Werben mit Begriffen wie „klimaneutral“, „nachhaltig“ oder „CO2-neutral“ wird künftig noch mehr unter die Lupe genommen und beobachtet werden. Ein neuer Richtlinienentwurf der EU gegen Greenwashing (siehe Beitrag Seite 4) sieht verschärfte (auch rückwirkende) Maßnahmen gegen Unternehmen vor sowie die Verhängung empfindlicher Bußgelder. Geschützt werden Verbraucherinnen und Verbraucher, die in die Lage versetzt werden sollen, umweltgerechte Entscheidungen zu treffen, um somit mittel- und langfristig den nachhaltigen Konsum zu fördern.

Zwar gab und gibt es schon bisher rechtliche Instrumente, irreführende Werbung zu bekämpfen und zu ahnden; die Dynamik, mit der die neuerliche Diskussion zu diesen Themen geführt wird, ist allerdings von anderer Dimension. Neben rechtlichen Risiken stehen zunehmend Reputationsgesichtspunkte im Raum, die seitens der Unternehmen nicht unterschätzt werden sollten. Die Klimadebatte ist zum Teil emotional aufgeladen und birgt für Unternehmen die Gefahr, dass diese rasch medial und damit öffentlichkeitswirksam in die Ecke der Klimaschutzverweigerer gedrängt werden. Dem müssen Unternehmen entgegenwirken. Dem müssen sie sich stellen.

Ein wesentliches Element des internen Maßnahmenkatalogs zur Bewältigung dieser neuen Herausforderungen ist eine zügige interne Aufklärung von Sachverhalten, die zu einem Greenwashing-Vorwurf führen können oder diesen schon erhärten. Solche „Internal Investigations“ kennt man aus der klassischen Compliance-Arbeit als wesentliche Säule eines gut funktionierenden Compliance-Management-Systems. Deren Grundansätze sind auch beim Greenwashing anzuwenden. Es gilt aber auch, einige Besonderheiten zu beachten. Die Thematik Greenwashing ist (nicht nur, aber auch) technischer und produktspezifischer Natur und weicht damit von den herkömmlichen Betätigungsfeldern des internen Aufklärenden, der sich in der Regel mit Korruption, Kartell und anderem strafbewehrten Verhalten beschäftigt, tendenziell ab. Beim Greenwashing ist neben Fach- und Technikkenntnissen vor allem auch eine gewisse Affinität für das konkrete Produkt und die Produktionszusammenhänge gefordert. Es ist vor allem wichtig, dass sich der Untersuchende damit auseinandersetzt, warum es zu den vermeintlich falschen und/oder verwässerten Angaben bei Produktkennzeichnungen gekommen ist, und welche internen Fehlleitungsmechanismen dahinterstecken: (1) Waren es die eigenen unternehmensinternen Bemessungsgrundlagen, an denen man die Bewertung des Produkts ausgerichtet hat und wenn ja, wie sind diese zustande gekommen? (2) Gibt es markt- und branchenspezifische Zertifizierungsmechanismen, die gegebenenfalls nicht ordnungsgemäß überwacht wurden? Oder (3) liegen vorsätzliche Taten Einzelner oder Gruppen im Unternehmen vor, die zu der strukturellen Fehlentwicklung geführt haben? Hier kann es letztendlich auch notwendig sein, bereits in einem frühen Stadium der internen Untersuchung Sachverständigenrat in Anspruch zu nehmen, um rasch die Deutungshoheit über die Themenfelder zu erlangen.

Denn eines ist klar: Interne Aufklärung bei Greenwashing ist auch ein Rennen gegen die Zeit. Whistleblower oder NGOs werden mit der Weitergabe von Informationen an die Öffentlichkeit oder gar die Einbindung von investigativen Journalisten nicht lange zuwarten. Daher ist es neben der Ermittlungstätigkeit auch sinnvoll, eine generelle Strategie zu entwickeln, wie man mit potenziellen Hinweisgebern einen Kommunikationskanal schafft, ohne damit selbstverständlich die eigenen Firmeninteressen zu beeinträchtigen. Whistleblower können gerade im Bereich Greenwashing wertvolle Erkenntnisquellen darstellen. Das interne Untersuchungsteam wird hier noch mehr als bisher zum Kommunikator und integrierenden Element.

Bei großen und mittelgroßen Unternehmen kann es zudem sein, dass die aufklärungsbedürftigen Greenwashing-Sachverhalte internationale und grenzüberschreitende Aspekte beinhalten. Dies erfordert neben der genannten fachlichen Expertise und den kommunikativen Fähigkeiten auch länderspezifische Rechtskenntnisse. Nur, wenn das Thema vom Untersuchungsteam von Anfang an holistisch angegangen wird, wird man spätere Überraschungen vermeiden können.

Fazit: Das Thema Greenwashing nimmt Fahrt auf. Es führt herkömmliche Untersuchungsmethoden mit neuen Ansätzen im Bereich der technischen und fachspezifischen Aufklärung zusammen. Dabei müssen Unternehmen künftig auch immer mehr ihre Lieferanten im Blick haben (Stichwort: LkSG), dürfen aber auch die Kommunikation nach außen und innen nicht vernachlässigen, denn Greenwashing ist stellenweise „erklärungsbedürftig“. Insgesamt also eine Mammutaufgabe, die neben Sachverstand und Erfahrung auch einen klaren Kompass voraussetzt. Und auch hier gilt: Die beste Prävention ist immer das lautere Verhalten selbst!

Dr. Martin Petrasch

Abbildung 2

Dr. Martin Petrasch ist Chief Counsel Compliance und Global Head of Investigation and Regulatory in einem Großkonzern.

 
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