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CNL 2023, 2
Szesny 

Habemus Hinweisgeberschutzgesetz!

Abbildung 1

Whistleblowing ist kein leichter Schritt: Es liegt darum auch in der Hand der Unternehmen, ihre Beschäftigten zu ermutigen, Meldungen über Compliance-Verstöße intern abzugeben.

In diesen Tagen ist das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft getreten. Ein Regelwerk dessen es mit Blick auf die Einrichtung von Meldestellen „rein rechtlich“ nicht unbedingt bedurft hätte. Der Repressionsschutz für gutmeinende hinweisgebende Personen, sei hingegen zweifellos nötig, schreibt Dr. André-M. Szesny in unserem Aufmacher. Nun gilt es mit dem lang diskutierten Gesetz umzugehen, denn „die ‚richtige‘ Arbeit fängt mit dem Eingang der Meldungen an“.

Was verbinden Sie mit Whistleblower-Hotlines? Denunziantentum und falsche Verdächtigungen? Böswillige Falschmeldungen und Angriffe feiger, weil anonymer Verbalheckenschützen? Ungerechtfertigte Verdächtigungen und blinden Verfolgungseifer? Schäden für das Vertrauen innerhalb der Belegschaft – keiner traut keinem mehr?

Sie haben Recht – diese Gefahren bestehen. Sie bestehen aber stets, völlig unabhängig davon, ob Sie in Ihrem Unternehmen eine Whistleblower-Hotline einrichten oder nicht. Denn Whistleblower suchen sich ihren Weg und wenden sich mit ihrem Anliegen an Vorgesetzte oder den Betriebsrat, und wenn das nichts nützt, an Behörden oder die Öffentlichkeit. Es liegt in Ihrer Hand, Ihre Beschäftigten zu ermutigen, Meldungen über Compliance-Verstöße oder auch nur einen Verdacht intern abzugeben, entsprechende Kanäle zu schaffen und sich damit in die Lage zu versetzen, selbst einzugreifen, wo es Not tut.

Anfang Juli tritt – EU-initiiert – ein Gesetz in Kraft, das öffentliche und private Beschäftigungsgeber verpflichtet, interne Meldestellen einzurichten. Ein langes, politisch motiviertes Hin und Her in Bundestag und Bundesrat mit abstrusen Argumenten gegen einzelne Vorschriften des Gesetzes aus der Ecke der Opposition und verfassungsrechtlich zweifelhaften Volten der Regierungsfraktionen führt nun endlich zu einer gesetzlichen Regelung über die Ausgestaltung des Schutzes nicht nur von hinweisgebenden Personen, sondern auch von Verdächtigten. Habemus Hinweisgeberschutzgesetz!

An der Legitimation interner Meldestellen, wie das HinSchG sie jetzt gesetzlich vorschreibt, besteht kein Zweifel – meines Erachtens hätte es rein rechtlich eines besonderen Gesetzes insoweit nicht bedurft. Es gibt die dunklen Ecken in jeder Organisation, in Unternehmen, in Behörden, in Vereinen und Verbänden, in die keiner schaut, in denen sich Dreck ansammelt und Schimmel und wo sich unbeobachtet wähnende schwarze Schafe wohlfühlen. Die Schäden für Arbeitgeber, für Beschäftigte, für Kunden, für Lieferanten und für Wettbewerber durch Betrug, Veruntreuung, Mobbing, sexuelle Nötigung, Korruption, Kartelle, Steuerhinterziehung können immens sein. Organisationen, die es zulassen und fördern, dass ihre Beschäftigten ohne Angst über Straftaten oder andere schwere Verstöße oder auch nur über einen entsprechenden Verdacht berichten dürfen, haben die Möglichkeit, frühzeitig einzugreifen und tiefergehende Schädigungen zu vermeiden. Oftmals befürchtete „Meldeschwemmen“ habe ich bislang nicht erlebt. Unterlassen Unternehmensleiter es hingegen, Meldungen nachzugehen oder verhindern sie sie sogar, verletzen sie ihre Legalitäts- und ihre Aufsichtspflichten und verantworten die deshalb entstehenden Vertiefungsschäden mit. Und die damit einhergehenden Reputationsverluste.

Deshalb ist es gut, dass das HinSchG – und dafür ist das Gesetz zweifellos nötig – gutmeinende hinweisgebende Personen einem Repressionsschutz unterstellt.

Eine Meldestelle ist schnell eingerichtet. Fragen wie die Zulässigkeit anonymer Meldungen, die Möglichkeit gemeinsame, gegebenenfalls gruppenweit zentrale Meldestellen einzurichten, die datenschutz- und kollektivarbeitsrechtlichen Aspekte – all das ist Technik, dafür sind Juristen da. Mit der Einrichtung der Meldestelle werden bereits wichtige Signale gesetzt. Ein webbasiertes Formular reicht rechtlich aus, und in der Tat schreiben manche hinweisgebenden Personen lieber online, als dass sie sprechen. Doch manch ein Whistleblower möchte erst einmal „reden“, um einschätzen zu können, was da eigentlich passiert mit der eigenen Meldung. Welche Meldekanäle zu welchem Unternehmen passen, ist eine strategische, unternehmenskulturelle Frage, die individuell zu beantworten ist.

Doch die „richtige“ Arbeit fängt mit dem Eingang der Meldungen an. Das Vertrauen der Belegschaft in ein Hinweisgebersystem verlangt den verantwortungsvollen, sensiblen und fachkundigen Umgang mit Verdachtsmeldungen.

Vorverurteilung und Verfolgungseifer sind fehl am Platze. Auch Bagatellisierung und Gleichgültigkeit sind ein „no go“. Unvoreingenommenheit, Vertraulichkeit, Objektivität und Unabhängigkeit sind das Gebot der Stunde – jetzt erst recht, nachdem zum 2. Juli in Stein gemeißelt ist, dass Beschäftigungsgeber Meldestellen haben müssen.

Dr. André-M. Szesny

Abbildung 2

Dr. André-M. Szesny, LL. M., ist Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Düsseldorf. Zu seinen Beratungsschwerpunkten zählen Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Compliance und Interne Ermittlungen. Er ist Co-Sprecher des Arbeitskreises Kapitalmarktstrafrecht der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V., hat einen Lehrauftrag an der Universität Liechtenstein (Wirtschaftsstrafrecht) und ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Wirtschaftsstrafrecht.

 
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