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CNL 2022, 4
Müller/Jarocki 

Harmonisierung mit Nebenwirkungen

Bankenregulierung bedeutender Institute nach der 6. MaRisk-Novelle, KWG und SSM-Verordnung: die komplexen Zusammenhänge und Lösungsmöglichkeiten.

Abbildung 4

Komplex und widersprüchlich: Zwei differierende Interpretationen des Begriffs „bedeutendes Institut“ nach KWG und nach MaRisk sorgen für Probleme.

Mit dem AT 1 Tz. 6 MaRisk referenzieren die überarbeiteten MaRisk in ihrer sechsten Novelle der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) für die Definition „bedeutendes Institut“ auf den Artikel 6 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013. Als bedeutende Institute werden hiernach grundsätzlich Kreditinstitute bezeichnet, die im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) der direkten Aufsicht durch die Europäische Zentralbank (EZB) unterliegen. Wie passt dies in den MaRisk-Kontext?

Die BaFin verwendet mit der geänderten Wortwahl „bedeutende Institute“ in der MaRisk eine Begrifflichkeit, die sie bereits zuvor in § 1 Abs. 3c KWG mit einer anderen Ausprägung und Bedeutung verwendet hatte. Im KWG werden hierunter Institute mit einer Bilanzsumme von mehr als 15 Mrd. EUR subsumiert. Der Begriff dient hierbei unter anderem zur Bestimmung der Risikoträger (sog. Risk Taker) und in Bezug auf die Anwendbarkeit besonderer Anforderungen aus den §§ 25c und 25d KWG.

Durch diesen Schritt der BaFin werden nun zwei differierende Interpretationen des Begriffs „bedeutendes Institut“ nach KWG und nach MaRisk in der nationalen Regulatorik möglich. Unschärfen bestehen insbesondere dann, wenn es sich um ein BaFin-reguliertes Institut bzw. eine Institutsgruppe handelt, die als LSI (Less Significant Institution) nach SSM-Verordnung gilt und eine Aktiva/Bilanzsumme zwischen 15 Mrd. und 30 Mrd. EUR aufweist. Die Folge: Diese „bedeutenden Institute“ unterliegen grundsätzlich höheren Aufsichtsanforderungen, auch wenn sie weiter der nationalen Aufsicht (BaFin) unterliegen.

Hiervon kann u.a. auch die MaRisk-Compliance Funktion als „regulatorische Compliance Funktion“ nach AT 4.4.2 MaRisk betroffen sein, woraus sich wiederum weitreichende Auswirkungen ergeben können, je nachdem welche Definition für das Institut anzuwenden ist.

Dies bedeutet:

1. Nur Kreditinstitute (nicht Finanzinstitute/Finanzdienstleistungsinstitute) sind als „bedeutend“ zu erfassen, sofern deren Aktiva-Gesamtwert über 30 Mrd. EUR liegt.

2. Institute mit einem niedrigeren Gesamtwert der Aktiva (> 30 Mrd. EUR) unterfallen dann nicht (mehr) den strengeren Reglementierungen der MaRisk (BA) 10/2021, wie es mit einem Bezug auf die Definition nach KWG gewesen wäre.

3. Sollten Institute einen Aktiva-Gesamtwert von 30 Mrd. EUR unterschreiten, aber das Kriterium des § 1 Abs. 3 lit c KWG (Ø Bilanzsumme der letzten 4 Geschäftsjahre Ø 15 Mrd. EUR) erfüllen, unterfallen sie den für bedeutende Institute einschlägigen Regelungen des KWG. Die MaRisk als Rundschreiben kann ein Gesetz nicht außerkraftsetzen.

4. Die Reglementierungen bzw. Auslegungsregeln der MaRisk (BA) 10/2021 sind auf die ausschließlich nach § 1 Abs 3 lit c. KWG als „bedeutend“ zu qualifizierenden Banken und Kreditinstitute – allenfalls analog anzuwenden.

Zudem besteht die Gefahr inhaltliche Unklarheiten durch die Verwendung zweier unterschiedlicher Definitionen der „Bedeutung“ von Instituten im nationalen Kontext. Mangels einer klaren Auslegung ist eine heterogene Anwendung der Begrifflichkeit im Rahmen von Prüfungen zu befürchten bzw. erwartbar.

Diese Problematik ist umso gravierender als die Festlegung der „Bedeutung“ den Anwendungsbereich aufsichtsrechtlicher Regelungen und mithin den der MaRisk (BA) 10/2021 bestimmt.

Die neu geschaffene Regelungssituation scheint in Bezug auf die unterschiedlichen Definitionen von „bedeutenden Instituten“ nach KWG und MaRisk durchaus merkwürdig. Offensichtlich hat die Aufsicht den vorgenannten Regelungskonflikt bei der Finalisierung der MaRisk (BA) 10/2021 nicht wahrgenommen.

Bei genauer Durchsicht scheint die Aufsicht die neue Regelung insbesondere auf die Geschäftsmodelle und die neueren Entwicklungen zugeschnitten zu haben, die auf die aufsichtsrechtliche Kontrolle der Förderbanken, großen Sparkassen und umorganisierten, ehemaligen Landesbanken, sowie die großen Brexit-Banken ohne nationale Beaufsichtigung durch die EZB abzielen dürften.

Schaut man sich die Statista-Liste der „Top-100 der deutschen Banken nach der Bilanzsumme“ an, lässt sich das Vorgenannte bestätigen durch Namen wie die KfW, die Hamburger Sparkasse AG oder die ehemalige Landesbank Berlin.

Um dem deutschen nationalen Gesamtregelungswerk wieder eine inhaltliche Konsistenz zu geben, erscheint den Verfassern eine Folgeanpassung sinnvoll. Eine inhaltliche Korrektur der Definition sollte dabei nicht nur auf Ebene der BaFin erfolgen, sondern wäre zur Vereinheitlichung im regulatorischen Definitions- und Sprachgebrauch auch auf Gesetzgebungsebene (KWG) unerlässlich. Hierzu sind Schwellenwerte des europäischen Rechts, mit denen der nationalen Regulatorik sinnvoll zu vereinheitlichen, konsistent anzugleichen und einheitliche Begrifflichkeiten und Definitionen zu verwenden, auch um das vorgenannte Ziel zu erreichen. Dies erleichtert insbesondere kleineren Instituten das Verständnis, schützt Institute im „definitorischen Spannungsfeld“ vor Fehlinterpretationen, schafft Rechtssicherheit und beugt einer Regulierungsarbitrage vor.

Markus Müller und Tabea Jarocki

Mehr zu den komplexen Zusammenhängen und Lösungsmöglichkeiten lesen Sie in einem ausführlichen Beitrag von Markus Müller und Tabea Jarocki in der November-Ausgabe des Compliance-Beraters, die am 27. Oktober 2022 erscheint.

Abbildung 5

Markus Müller ist Deputy Head MaRisk-Compliance / Compliance Risk Management, Vice President, Citigroup Global Markets Europe AG, Frankfurt/Main.

Abbildung 6

Tabea Jarocki ist Manager Compliance Consulting Operations, SKS Unternehmensberatung GmbH & Co. KG, Frankfurt/Main.

 
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