Hinweisgeberschutz in Deutschland – Teil 3
Teil 3 der mehrteiligen Beitragsreihe über den Hinweisgeberschutz in Deutschland befasst sich mit dem Hauptbestandteil des Gesetzes: dem Schutz vor Repressalien. Außerdem beleuchten die Autoren die Einbindung des Betriebsrats. Teil 4 der Reihe wird die Umsetzung in Konzernen thematisieren.
Hinweisgeberschutz: Whistleblower sollen durch ihre Meldungen nicht zur Zielscheibe werden.
Hauptbestandteil des HinSchG ist das Verbot von Repressalien gegenüber der hinweisgebenden Person (§ 36 Abs. 1 HinSchG). Unter einer Repressalie ist jede Handlung oder Unterlassung im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit zu verstehen, die eine Reaktion auf eine Meldung ist und durch die der hinweisgebenden Person ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder entstehen kann (§ 3 Abs. 6 HinSchG). Hierzu sind auch arbeitsrechtliche Maßnahmen zu zählen, die gegenüber der hinweisgebenden Person in Reaktion auf deren Meldung durchgeführt werden wie z.B. Abmahnung, (nachteilige) Versetzung oder Kündigung. Damit eine verbotene Repressalie gegeben ist, müssen folgende Tatbestandsmerkmale erfüllt sein: Aus der Handlung oder Unterlassung, die in kausalem Zusammenhang mit der Meldung stehen muss, muss sich – wiederum kausal – ein nicht gerechtfertigter Nachteil ergeben.
Praktisch bedeutsam ist die vom Gesetz geschaffene Beweislastumkehr: Macht eine hinweisgebende Person geltend, dass sie aufgrund einer erfolgten Meldung benachteiligt wurde, wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie darstellt, die auf der Meldung beruht (§ 36 Abs. 2 S. 1 HinSchG). Ergreift ein Unternehmen z.B. gegen einen seiner Mitarbeiter eine Maßnahme, die im Zusammenhang mit einer Meldung zu stehen scheint, die dieser Mitarbeiter abgegeben hat, ist das Unternehmen dann gezwungen zu beweisen, dass die Benachteiligung auf gerechtfertigten Gründen beruht und nicht auf der Meldung basiert (§ 36 Abs. 2 S. 2 HinSchG). Liegt ein Verstoß gegen das Repressalienverbot vor, so muss der für die Repressalie Verantwortliche Schadensersatz leisten (§ 37 HinSchG).
Die Einrichtung und Ausgestaltung interner Meldestellen ist grundsätzlich mitbestimmungspflichtig, weil das Hinweisgebersystem eine Frage der betrieblichen Ordnung darstellt (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Dies folgt aus der Tatsache, dass das Unternehmen mit einer Meldevorgabe (z.B. in einer für Mitarbeiter verbindlichen Verfahrensordnung für das Hinweisgebersystem) das Verhalten der Beschäftigten zu steuern versucht, was mit der eigentlichen Arbeitsleistung nichts zu tun hat. Entscheidend hierbei ist, dass das Unternehmen bestimmt, wie, wann, an wen, sowie unter welchen Voraussetzungen gemeldet wird und wie eingegangene Meldungen zu bearbeiten sind. Je nach Ausgestaltung des internen Meldekanals im jeweiligen Unternehmen (z.B. mittels eines digitalen Meldekanals) kommt auch eine Mitbestimmungspflicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Einführung von technischen Einrichtungen) in Frage.
Die Einbindung des Betriebsrats kann auch unabhängig von einem etwaigen Mitbestimmungsrecht bei Einführung und Ausgestaltung einer internen Meldestelle sinnvoll sein. Die Mitwirkung des Betriebsrats und eine offene Kommunikation des Unternehmens gegenüber diesem und den Mitarbeitern stärkt die Akzeptanz des Hinweisgebersystems bei den Betriebsräten und in der Belegschaft und schafft Vertrauen. Dies ist für Unternehmen wichtig, damit sich hinweisgebende Personen bei Verstößen nicht direkt an externe Meldestellen (z.B. beim Bundesamt für Justiz) oder gar die Presse wenden, sondern an die interne Meldestelle. Dadurch kann der unternehmerisch erwünschte Zweck erreicht werden, einen möglichen Compliance-Verstoß zunächst „hausintern“ aufzuklären.
RA Dr. Bernd Federmann, LL.M., RA/FAArbR Andreas Pruksch, RA Gracjan Modrzyk und RAin Dr. Patricia Bernheim, Rechtsanwälte bei der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Teil 4 des Beitrags erscheint in der März-Ausgabe von Compliance und befasst sich mit der Umsetzung in Konzernen. Teil 1 der Reihe erschien in der November-Ausgabe 2024, Teil 2 in der Dezember-Ausgabe 2024.
Mehr zum Hinweisgeberschutzgesetz nach (fast) zwei Jahren Praxiserfahrung hören Sie auch bei der Deutschen Compliance Konferenz 2025, am 13. und 14. Mai 2025 in Frankfurt am Main.