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CNL 2022, 10
Windoffer 

Hinweisgebersystem im Mittelstand: so viel wie nötig, so wenig wie möglich

Am 13.4.2022 hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) den lang erwarteten Entwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG-E) vorgelegt. Mittelständische Unternehmen sind stets bestrebt, überbordende Administration zu vermeiden und betrachten zu Recht den Kosten-Nutzen-Aspekt von Regelungen und Anforderungen kritisch. Bevor nun also eine weitere regulatorische Bürde aus Brüssel beklagt wird und moralische Bedenken („Denunziantentum!“) geäußert werden, lohnt es sich, die Vorteile eines Hinweisgebersystems zu betrachten.

Abbildung 13

Übersicht über verschiedene Hinweisgebersysteme

Das HinSchG-E verpflichtet Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten, Meldekanäle für Personen, die „im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über (Gesetzes-)Verstöße“ melden wollen, einzurichten. Die Verpflichtung kann auch Unternehmen mit weniger Mitarbeitenden treffen, wenn das Unternehmen in einem „Hochrisikobereich“ tätig ist, wie z.B. Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Datenbereitstellungsdienste, Börsenträger, Kapitalverwaltungsgesellschaften und ähnliche, regulierte Unternehmen. Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitenden haben gem. § 42 HinSchG-E bis zum 17.12.2023 Zeit, die Anforderungen des HinSchG-E umzusetzen.

Häufig sind es gerade sehr loyale Mitarbeitende, die ihr Unternehmen vor Schaden schützen wollen und zugleich Konflikte erleben, die sie daran hindern, ihre Meldung offen im Unternehmen kundzutun. In solchen Fällen ist das Hinweisgebersystem ein überaus „wert“-volles Frühwarnsystem. Zugleich kann die Einrichtung eines unternehmenseigenen Hinweisgebersystems verhindern, dass die meldende Person sich direkt an externe Meldestellen oder die Öffentlichkeit wendet. Bei einer Meldung über gut bekannte interne Meldekanäle hat das Unternehmen die Möglichkeit, zunächst ohne Polizei und Behörden eine interne Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. So kann es selbst Missstände beheben oder, wenn es z.B. rechtlich geboten ist, Kontakt mit Behörden aufnehmen. Gegebenenfalls kommen sogenannte Selbstanzeigen oder weitere strafmildernde oder sogar strafausschließende Handlungen in Betracht.

Leider gibt das HinSchG-E nicht der Meldung über interne Kanäle den Vorzug. Das Unternehmen kann aber sicher bei der Gestaltung der Information an die Mitarbeitenden zum Hinweisgebersystem und den externen Meldemöglichkeiten die Vorteile der internen Meldung herausstreichen.

Da Ziel des HinSchG-E der Schutz der hinweisgebenden Person ist, und damit die Vertraulichkeit der Identität derselben in jedem Fall zu gewährleisten ist, stellt sich nun die Frage nach einer für das mittelständische Unternehmen angemessenen und ausreichenden Lösung.

Der Briefkasten ist dabei wohl eher nicht die Lösung, die diesen Anforderungen genügt. Mitarbeitende, die eine Meldung abgeben wollen, können bei Einwurf einer Meldung in den Briefkasten gesehen werden. Jeder kann theoretisch die Nachricht herausfischen, sie vernichten – und bei einer anonymen Meldung ist eine Rückfrage bei der meldenden Person und damit auch die rechtlich zwingende Empfangsbestätigung unmöglich.

Bei Einrichtung einer internen E-Mail-Adresse hingegen ist die rechtlich geforderte Empfangsbestätigung möglich. Allerdings weiß der Hinweisgebende nicht sicher – wie auch im Fall des Briefkastens –, bei wem die E-Mail am Ende landet. Das schwächt das Vertrauen in eine solche Lösung. Darüber hinaus ist die Datensicherheit – und damit Vertraulichkeit – bei einer internen E-Mail nicht zwingend gewährleistet, denn die interne IT-Administration hat nicht nur theoretisch Zugriffsmöglichkeiten.

Ähnliches gilt für eine sogenannte Hotline, also im einfachsten Fall eine unternehmensinterne Telefonnummer mit Anrufbeantworter, oder die Beantwortung von Anrufen durch ein Callcenter. Bei einem Anrufbeantworter ist wiederum nicht klar, wer den Anruf abhören kann; damit wäre die Vertraulichkeit gefährdet.

Vor diesem Hintergrund erscheint ein extern installiertes, online verfügbares Meldesystem die deutlich bessere Lösung. Hier sind mittlerweile auf dem Markt eine Vielzahl von Anbietern zu finden. Insbesondere für Unternehmen mit ausländischen Tochtergesellschaften kann dies eine gute Lösung für Nachrichten in Textform und die weitere Bearbeitung der Meldung sein.

Erfreulicherweise sieht § 14 Abs. 2 HinSchG-E – anders als eine Mitteilung des Expertenrates der Europäischen Union es angekündigt hat – derzeit die Möglichkeit vor, dass sich mehrere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten eine gemeinsame Meldestelle einrichten können, wobei es für jedes Unternehmen separate Zugänge geben muss. Hier ist dann möglicherweise Raum für Lösungen auf Wirtschafts- oder Interessenverbandsebene.

Schließlich gibt es noch die Möglichkeit eines Meldesystems über eine Ombudsperson. Diese kann sowohl intern als auch extern angesiedelt sein.

Pia Windoffer, LL.M.

Abbildung 14

Pia Windoffer, LL.M., ist als Of Counsel für die Rechtsanwaltskanzlei Deloitte Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH tätig. Zuvor war sie ca. 20 Jahre in verschiedenen Unternehmen inhouse überwiegend in leitender Funktion für Integrität und Compliance tätig.

CNL 2022 S. 10 (11)

Abbildung 15

 
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