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CNL 2025, 6
Kahlen-Pappas 

„In Deutschland gibt es noch immer das Stigma des ‚Diffamierens‘“

Seit fast zwei Jahren findet das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Deutschland Anwendung. Über die Praxiserfahrungen in der TUI AG spricht Dr. Dietmar Deffert im Interview.

Compliance: Das HinSchG lässt Spielraum bei der Ausgestaltung der Meldestellen. Wie hat sich Ihr Unternehmen aufgestellt?

Deffert: Wir haben schon seit vielen Jahren ein zentrales Hinweisgebersystem, das kürzlich ausgetauscht wurde. Dieses lässt natürlich anonyme Meldungen zu, ebenso wie die Bearbeitung der Fälle auf lokaler Ebene. Lokal kommen Meldungen auch über die jeweiligen Ansprechpartner vor Ort.

Compliance: Welche Hürden und auch Chancen ergeben sich bei der Einrichtung eines Hinweisgebersystems im Fall eines Konzerns wie TUI?

Deffert: Wie in einem heterogenen, weltweit tätigen Konzern nicht anders zu erwarten, ist die Herausforderung in erster Linie eine kulturelle. Wir sehen, dass Hinweise eher eingehen, je näher die betreffende Geschäftseinheit an der Zentrale ist, gleichzeitig tun sich andere Länder einfacher mit Meldungen, während wir gerade in Deutschland noch immer mit dem Stigma des „Diffamierens“ konfrontiert sind. Das Hinweisgebersystem gibt uns neben der Transparenz bezüglich möglichem Fehlverhalten auch die Chance, global unsere Compliance-Standards zu kommunizieren und zu etablieren.

Compliance: Bei der Einführung des HinSchG wurde kritisiert, dass es für Hinweisgeber kaum erkennbar ist, ob sie Verstöße melden, die vom HinSchG erfasst sind. Wie ist Ihre Erfahrung mit der Zielgerichtetheit der eingehenden Meldungen und wie gehen Sie mit Meldungen um, die eigentlich nicht erfasst sind?

Deffert: In der Tat sind die Meldungen meist wenig zielgerichtet. Da unser Hinweisgebersystem nicht nur den Mitarbeitern, sondern auch allen Dritten offensteht, gehen Hinweise zu allen möglichen Themen ein, trotz aller Bemühungen auch nach wie vor viele Kundenbeschwerden, die keinerlei Compliance-Bezug haben. Etliche Meldungen betreffen auch reine HR-Themen. Wir bewerten jeden einzelnen Eingang, und sortieren ihn dann den jeweils zuständigen Bereichen zur weiteren Bearbeitung zu.

Compliance: Wie stellen Sie sicher, dass Ihre interne/n Meldestelle/n unabhängig und frei von Interessenkonflikten agieren können?

Deffert: Da die meisten Bearbeiter Syndikusrechtsanwälte sind, ist bereits darüber eine gewisse Unabhängigkeit sichergestellt, zudem wurde das auch arbeitsrechtlich adressiert. In der Praxis konnten wir noch nicht feststellen, das diese Unabhängigkeit in Frage gestellt würde oder ein Problem dargestellt hätte.

Das Interview führte Christina Kahlen-Pappas.

Einen ausführlichen Vortrag von Dr. Dietmar Deffert können Sie auf der Deutschen Compliance-Konferenz am 13. und 14. Mai 2025 in Frankfurt am Main erleben.

Abbildung 6

Dr. Dietmar Deffert ist Group Director Integrity & Compliance bei der TUI AG. Zuvor war er bei der Schaeffler AG mehrere Jahre für Compliance verantwortlich.

Abbildung 7

 
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