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CNL 2023, 2
Passarge 

Keine Ideologisierung im Arbeitsverhältnis

LGBTQ statt LkSG? Dr. Malte Passarge bemängelt so manche Prioritätensetzung in den Medien und der Gesellschaft, die nun auch Einzug in die Unternehmen und die Compliance-Community halte. Die Intimsphäre der Menschen gehöre in die Privatsphäre und nicht ins Arbeitsverhältnis. Fragen nach der geschlechtlichen Zusammensetzung in der Belegschaft eines Unternehmens sind nur ein Beispiel für seine Kritik.

Abbildung 1

LGBTQ: Schränken Unternehmen mit ihren Vorgaben die Privatsphäre ein?

Nun sind die anscheinend drängendsten Probleme unserer Gesellschaft auch in der Compliance angekommen. Ich meine nicht gestiegene Energiekosten, drohender wirtschaftlicher Abschwung, Krieg, Umgang mit LkSG oder ähnliches. Nein, orientiert man sich an den aktuellen Diskussionen in den Medien geht es um die Intimsphäre der Menschen, nämlich ihre geschlechtliche Ausrichtung und den Umgang miteinander. Bislang gehörte dies zur Privat- oder Intimsphäre und war in einem aufgeklärten, freiheitlichen Staat der Gesetzgebung entzogen. Demgemäß war es auch zu Recht ein Tabu, Sexualität und andere persönliche oder gar intime Aspekte zum Gegenstand von Bewerbungsgesprächen oder des arbeitsrechtlichen Verhältnisses zu machen. Dies scheint sich nun ins Gegenteil zu kehren, tatsächlich meinen einige Arbeitgeber, dass es sinnvoll sei, Mitarbeitern vorzugeben, wie sie zu sprechen haben. Auch Themen der Sexualität halten in das Geschäftsleben Einzug. Einige, vor allem amerikanische Unternehmen, fragen bei der Aufnahme der Lieferantendaten ab, wie die geschlechtliche Zusammensetzung im Kreis der Gesellschafter, Geschäftsführer und Mitarbeiter gestaltet ist und ob „diverse“ oder LGBTQ-Personen beschäftigt werden (z.B. Meta). Auch manche Politiker äußern bereits, dass Unternehmen erfassen sollen, wie viele LGBTQ-Personen beschäftigt sind. Wie soll das gehen? Ist man verpflichtet, überhaupt Angaben zu machen, oder wahre Angaben zu machen? Ja, bei Meta besteht diese Pflicht faktisch, da anderenfalls die Eingabe der Lieferantendaten nicht abgeschlossen werden kann. Können mittelständische Unternehmen überschauen, was es bedeutet, wenn richtige oder falsche Angaben gemacht werden? Besteht für den Lieferanten die Gefahr, wenn er nicht ausreichend Frauen oder LGBTQIA2S+ im Kreis der Gesellschafter/Geschäftsführer oder Mitarbeiter hat, als Lieferant auszuscheiden? Was geschieht, wenn der Auftraggeber später entdeckt, dass die Angaben falsch waren? Sind Arbeitnehmer verpflichtet, hierzu Auskünfte zu erteilen?

Noch kritischer wird es, wenn geschlechtliche oder sexuelle Aspekte außerhalb der Privatsphäre in Beschäftigungs- oder Geschäftsbeziehungen thematisiert werden. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob eine bestimmte Ausrichtung von bestimmten Kreisen positiv oder negativ konnotiert wird. Neutralität und Vertraulichkeit gelten in beide Richtungen. Wenn der Eindruck entsteht, dass irgendeine sexuelle oder geschlechtliche Ausrichtung bei der Beförderung oder Geschäftskontakten positiv oder negativ berücksichtigt wird, hilft dies dem Betriebsfrieden gewiss nicht.

Ist das alles sinnvoll? Merkwürdig sind diese Tendenzen auf jeden Fall, da sie zutiefst widersprüchlich und keineswegs progressiv, sondern rückwärtsgewandt sind und ein überkommenes, ständisches Gesellschaftsbild offenbaren. Grundlage unserer Gesellschaft und Wirtschaftsordnung ist das Abstellen auf Kompetenz und Leistung von Geschäftspartnern oder Mitarbeitern, nicht Herkunft, Geschlecht oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (Meritokratie).

Auch die sogenannte gendersensible Sprache wird in manchen Unternehmen vorgegeben. Neben dem Zwang, sprachlich falsch oder ungeschickt zu formulieren, soll dies auch eine Einstellung in den Köpfen der Mitarbeiter hervorrufen. Eine Ideologisierung darf aber nicht Gegenstand des Arbeitsverhältnisses sein.

Fragen wirft auch das vorgeschriebene Duzen auf: Im Gegensatz zum „Sie“, der höflichen Anrede, steht das „Du“ für die Anrede auf persönlicher Ebene zwischen Verwandten oder vertrauten Personen. Das „Sie“ steht für den respektvollen Umgang, vor allem wahrt es eine gesunde und gewünschte Distanz. Über den Wechsel vom „Sie“ zum „Du“, also die Schaffung einer persönlichen Sphäre entscheidet man selbst, wenn die Beziehung dies hergibt. Der Zwang zum Duzen ist ein bevormundender Eingriff in die Privatsphäre und aus autokratischen Systemen bekannt. Selbstverständlich kann es nicht folgenlos bleiben, wenn ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern Vorgaben macht, wie sie zu sprechen und zu schreiben haben.

Was bedeutet es für Compliance und Arbeitsrecht, denkt man diese Entwicklungen zu Ende? Sollen Mitarbeiter, die sich der Höflichkeitsanrede „Sie“ bedienen, oder korrekte Rechtschreibung verwenden, abgemahnt und bei Wiederholung fristlos gekündigt werden? Sollten Mitarbeiter, die Angaben zur sexuellen oder geschlechtlichen Ausrichtung verweigern und dies auch von Kollegen nicht wissen wollen, abgemahnt werden?

Vielleicht wäre es hilfreich, vor der Einführung solcher Maßnahmen zunächst eine Mitarbeiterbefragung durchzuführen.

Dr. Malte Passarge

Abbildung 2

Dr. Malte Passarge ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Partner in der Kanzlei HUTH DIETRICH HAHN Rechtsanwälte PartGmbB, Vorstand des Instituts für Compliance im Mittelstand (ICM) und Geschäftsführer von Pro Honore e.V. sowie Chefredakteur des Compliance-Beraters.

 
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