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CNL 2022, 4
Krimphove/Knoblich 

Neobanken – Regelungslücke im Aufsichtsrecht?

Die Bedeutung sogenannter Neobanken auf dem Bankenmarkt nimmt stetig zu. Die Geschäftsmodelle sowie die rechtlichen Konstrukte dieser unter dem Titel Neobanken, aber auch Challenge-Banken, Online-Banken, Internet-only-Banken, virtuelle oder digitale Banken geführten Institute stellen die Aufsicht vor Herausforderungen. Dies beeinträchtigt nicht nur die Interessen der Verbraucher und deren Vertrauen in einen ordnungsgemäß funktionierenden Finanzdienstleistungsmarkt. Eine aufsichtsrechtliche Sonderbehandlung dieser „neuen“ Erscheinungsform von Banken, Kreditinstituten und Finanzdienstleistern könnte darüber hinaus diesen – im Vergleich zu den bestehenden „Präsenz-“, oder „Real-“ Banken – einen ungerechten wettbewerblichen und unternehmerischen Vorteil vermitteln.

Abbildung 4

Neobanken bieten ihre Leistungen ausschließlich im Internet an und haben darum kein eigenes Vertriebsstandort- oder Filialnetz.

Neobanken sind Finanztechnologie-Unternehmen (FinTechs), die – im Gegensatz zu den klassischen Bank-, Kredit- bzw. Finanzdienstleistungsinstituten – ihre Leistungen ausschließlich digital, d.h. im Internet, anbieten und somit über kein eigenes physisches Vertriebsstandort- oder Filialnetz verfügen. Die Loslösung ihrer Geschäftstätigkeit verschafft Neobanken einen unbestreitbaren wirtschaftlichen Vorteil gegenüber den klassisch tätigen Instituten. Diese Vorteile können Neobanken in Gestalt von niedrigen Gebühren weitergeben. Allerdings müssen Kunden bei dieser Form des Bankings ausdrücklich auf ihre persönliche Beratung verzichten.

Grundsätzliche Probleme schafft die Zuordnung von Neobanken und deren Geschäften zum Anwendungsbereich des Gesetzes über den Wertpapierhandel (WpHG) oder des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) bzw. des sie konkretisierenden MaComp bzw. der MaRisk. Ohnehin ist fraglich, ob, und wenn ja, wie Neobanken dem derzeitigen Banken- und Finanzdienstleisteraufsichtsrecht unterliegen. Als aufsichtsbehördliches Eingriffsrecht bedarf dieses Recht einer speziellen Ermächtigung um nicht allzu großzügig auf alle möglichen Erscheinungsformen im Bank- und Kapitalmarktrecht ungehindert Anwendung finden zu können.

Das Bankenaufsichtsrecht kommt bei Neobanken immer dann zur Anwendung, wenn Bank-, Kredit- bzw. Finanzdienstleistungsinstitute in Gefahr stehen durch ihre Geschäftshandlungen Ziele der Aufsicht zu konterkarieren. Damit kommt es entscheidend auf die Handlungen, bzw. die Handlungspflichten der Institute, und zweitens auf das Risiko an, das Institute – unabhängig von ihrer Bezeichnung – auf den Banken- und Kapitalmarkt realisieren.

Um diese Frage eingehend beantworten zu können, ist zwischen den derzeit drei existenten Typen von Neobanken und deren Risiken zu unterscheiden:

1. Neobanken mit Vollbanklizenz: Diese Neobanken unterscheiden sich in ihrer aufsichtsrechtlichen Ausprägung nicht von den klassischen Kreditinstituten im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG oder der Kapitaladäquanzverordnung (CRR). Die Neobanken mit Vollbanklizenz sind vollständig reguliert und unterliegen somit der vollständigen Aufsicht. Vor Herausforderungen stellt die Aufsicht insbesondere die Bewertung der kontinuierlich neu entstehenden Geschäftsmodelle.

2. Neobanken als vertraglich gebundene Vermittler: Sie verfügen selbst über keine Vollbanklizenz, werden jedoch als vertraglich gebundener Vermittler im gleichnamigen Register der BaFin geführt. Ein haftendes Institut stellt für vertraglich gebundene Vermittler ein Haftungsdach sowie in der Regel auch die Abwicklungsinfrastruktur für die vermittelten Geschäfte zur Verfügung. Der vertraglich gebundene Vermittler tritt gegenüber dem Kunden mit eigener Marke auf. Die Geschäftsabwicklung erfolgt jedoch auf Namen und auf Rechnung des haftenden Instituts. Die vertraglich gebundenen Vermittler i. S. d. § 2 Abs. 10 KWG bzw. § 3 Abs. 2 WpHG benötigen für die Ausübung ihrer Tätigkeit keine Erlaubnis. Darüber hinaus finden die Bestimmungen des Geldwäschegesetzes (GwG) i.d.R. keine Anwendung, da der vertraglich gebundene Vermittler meist unter die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 10 KWG fällt und so kein „Verpflichteter“ i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 GwG ist.

3. Neobanken als reine Anbieter („Banking-Frontend“): Neobanken als reine Banking-Anbieter nutzen sog. Banking-as-a-Service- oder White-Label-Banking-Lösungen. Hierbei stellt ein (CRR-)Kreditinstitut i. S. d. § 1 Abs. 1 bzw. Abs. 4 KWG seine Infrastruktur zur Verfügung und vertreibt Banking-Produkte unter der Marke der Neobank. Das (CRR-)Kreditinstitut lagert alle Marketing- und Vertriebsaktivitäten an eine Neobank aus und bezieht formell auch das Banking-Frontend von dieser. Aus Perspektive des Kunden erfolgt ein Login über die App oder den Internetauftritt der Neobank. Diese Auftritte sind jedoch lediglich eine Benutzeroberfläche, die komplette technische Infrastruktur im Hintergrund wird vom (CRR-)Kreditinstitut bereitgestellt. Vertragspartner des Kunden ist das (CRR-)Kreditinstitut. Sofern die Neobank keinen Zugriff auf die Daten des Kunden hat und diese nur durchleitet, gehen die Risiken für den Finanzmarkt sowie den Kunden lediglich vom (CRR-)Kreditinstitut aus. Die Beaufsichtigung richtet sich an das (CRR-)Kreditinstitut. Die Neobank wird jedoch mittelbar beaufsichtigt, da das (CRR-)Kreditinstitut Risikoanalysen durchführen muss und dafür Sorge trägt, dass die Auslagerung im Sinne der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation erfolgt.

Die Quantität und Diversität der Institute erschweren die rechtliche Beurteilung. Verschiedene Regelungslücken, gerade auch im Aufsichtsrecht, sind die Folge.

Prof. Dr. jur. Dieter Krimphove und René Knoblich

Mehr zum Thema und insbesondere zur aufsichtsrechtlichen Einordnung sogenannter „Neobanken“ lesen Sie in der Juli-Ausgabe des Compliance-Beraters, die am 30. Juni 2022 erscheint.

Abbildung 5

Prof. Dr. jur. Dieter Krimphove ist Jean Monnet-Professor „ad personam“ und Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsrecht und Europäisches Wirtschaftsrecht an der Universität Paderborn sowie Gastprofessor an der Donau-Universität Krems und an der Université Strasbourg.

Abbildung 6

René Knoblich ist Manager bei BearingPoint im Bereich Banking & Capital Markets. Schwerpunkt seiner Arbeit sind technisch gestützte Compliance-Lösungen für den Banken- und FinTech-Markt. Er ist Co-Autor im MaRisk-Kommentar aus der Reihe „Gelbe Erläuterungsbücher“.

 
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