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CNL 2022, 4
 

Verschärfung des Wettbewerbsrecht: Referentenentwurf für 11. GWB-Novelle liegt vor

Das Bundeswirtschaftsministerium hat im September einen Entwurf zur Verschärfung des Wettbewerbsrechts vorgelegt. Mit dem „Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz“ soll die Gewinnabschöpfung erleichtert und die private Durchsetzung des Digital Markets Act (DMA) vor Gericht möglich werden. Insbesondere soll aber das Bundeskartellamt erweiterte Befugnisse erhalten. Dazu zählt auch die Möglichkeit, nach der Untersuchung eines Sektors unabhängig von etwaigen Kartellrechtsverstößen verbindliche Maßnahmen anzuordnen. Die ersten Anhörungen zum Entwurf sollen schon im Oktober stattfinden, sodass mit einem zügigen Gesetzgebungsverfahren zu rechnen ist.

Abbildung 4

Wettbewerb belebt: Davon soll auch die angespannte Wirtschaftslage profitieren.

Der Entwurf des „Wettbewerbsdurchsetzungsgesetzes“ zur 11. Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) weitet vor allem die Befugnisse des Bundeskartellamtes deutlich aus. Damit soll es eine bessere Handhabe zum Schutz geben, wenn es bei Märkten mit vergleichsweise wenigen Anbietern im Markt immer wieder parallele Preisentwicklungen gibt, aber ein Kartell nicht nachweisbar ist.

Derzeit kann das Bundeskartellamt nur untersuchen, ob der Wettbewerb in einem Sektor eingeschränkt ist. Allerdings kann es aufgrund der Sektoruntersuchung keine Maßnahmen zur Belebung des Wettbewerbs ergreifen. Das soll sich mit der 11. Novelle ändern: Im Anschluss an eine Sektoruntersuchung soll das Bundeskartellamt künftig konkrete Maßnahmen anordnen können, um festgestellte erhebliche Wettbewerbsstörungen abzustellen. So sollen Verpflichtungen zur Etablierung offener Standards, zur Gewährung des Zugangs zu Schnittstellen, zur Einrichtung eines wirksamen Beschwerdemanagements, zur Veränderung der Lieferbeziehungen, zur organisatorischen Trennung von Unternehmensbereichen sowie die Anordnung einer eigentumsrechtlichen Entflechtung möglich sein – dies allerdings nur als „ultima ratio“, wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilt.

Darüber hinaus soll das Bundeskartellamt künftig im Anschluss an eine Sektoruntersuchung Unternehmen verpflichten können, alle relevanten Zusammenschlüsse auf einem oder mehreren Märkten zur Fusionskontrolle anzumelden und so präventiv einer zu starken Unternehmenskonzentration vorbeugen.

Der Gesetzesentwurf sieht außerdem vor, dass Vorteile, die Unternehmen durch Kartellrechtsverstöße erzielt haben, künftig einfacher abgeschöpft werden können. Dieses Instrument besteht auch jetzt schon, wurde aber aufgrund hoher Hürden bislang noch nie genutzt, räumt das Bundeswirtschaftsministerium ein. So müssen die Kartellbehörden derzeit komplexe Berechnungen des wirtschaftlichen Vorteils vornehmen und zusätzlich nachweisen, dass ein Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Diese Voraussetzungen sollen jetzt erleichtert werden. Künftig gelte die Vermutung, dass ein Unternehmen mit dem nachgewiesenen Kartellrechtsverstoß einen Vorteil in Höhe von 1 Prozent seiner Inlandsumsätze mit dem Produkt oder der Dienstleistung erzielt hat, das mit dem Kartellrechtsverstoß in Zusammenhang steht. Außerdem soll es für die Abschöpfung keine Rolle spielen, ob ein Unternehmen schuldhaft gehandelt hat.

Darüber hinaus schaffe das „Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz“ die Möglichkeit für die gerichtliche Durchsetzung des DMA in Deutschland (sog. private enforcement). Die Durchsetzung des DMA obliege grundsätzlich der Europäischen Kommission als alleiniger Durchsetzungsbehörde. Zugleich eröffne der DMA aber gewisse Spielräume für den nationalen Gesetzgeber, um im Sinne des „effet utile“ einen ergänzenden Beitrag zur effektiven Durchsetzung der Verordnung zu leisten, heißt es im Referentenentwurf.

Die im Entwurf enthaltenen Instrumente sollen eine aktivere Wettbewerbspolitik in Deutschland ermöglichen. Ziel ist laut Bundeswirtschaftsministerium die umfassende Durchsetzung des Wettbewerbsprinzips – vor allem in Märkten mit strukturellen Wettbewerbsstörungen. Das Ministerium verweist auf ähnliche Instrumente, die bereits in anderen Staaten existieren: Insbesondere die Marktuntersuchung der britischen Wettbewerbsbehörde (CMA), die ebenfalls Maßnahmen bis hin zu Entflechtungen bei Störungen des Wettbewerbs vornehmen kann. In Großbritannien habe dieses Marktuntersuchungsinstrument den Wettbewerb in verschiedenen Sektoren erfolgreich belebt.

Mit der Stärkung des Wettbewerbs will das Bundeswirtschaftsministerium auch der steigenden Inflation langfristig begegnen und zur Entlastung der Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie zur Reduzierung von Monopol- und Oligopolrenten und Abhängigkeiten beitragen. Das gelte insbesondere für Märkte, in die neue Anbieter nur schwer eintreten können. Diese „vermachteten“ Strukturen sollen – so das Ministerium – aufgebrochen werden.

Die Novellierung ist nur der erste Teil zur Umsetzung der im Februar 2022 veröffentlichen Agenda des Bundeswirtschaftsministeriums. Weitere Änderungen sollen den Verbraucherschutz betreffen und Gegenstand einer 12. GWB-Novelle sein.

chk

 
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