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CNL 2025, 2
Kahlen-Pappas 

„Was haben Sie mit Deutschland vor, Herr Merz?“

Compliance findet nicht im luftleeren Raum statt. Darum ist der Blick auf die Lage in Deutschland und der Welt gerade in den aktuellen Zeiten des Umbruchs wichtiger denn je. Einen Eindruck davon verschaffte der F.A.Z.-Kongress am 21. März 2025 insbesondere beim Panel mit dem wahrscheinlich nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz unter dem Titel: „Was haben Sie mit Deutschland vor, Herr Merz?“

Abbildung 1

Veränderungen sind für Friedrich Merz unausweichlich. Die will er aber mit Akzeptanz in der Bevölkerung statt Verboten erreichen.

Am Tag der Entscheidung im Bundesrat über das milliardenschwere Schuldenpaket, mit dem die alte Legislaturperiode endet und die neue Bundesregierung arbeiten kann und muss, fand in Frankfurt am Main der jährliche F.A.Z.-Kongress statt. Den Auftakt machte ein Gespräch mit Friedrich Merz. Die Vorwürfe des Wahlbetrugs rund um das „Sondervermögen“ bzw. das enorme Schuldenpaket seien belastend für ihn, räumte Merz ein. Er habe einen „sehr hohen Kredit in Anspruch genommen“, auch was seine persönliche Glaubwürdigkeit angehe. Das Schuldenpaket erleichtere aber den Haushalt nicht, sondern mache ihn angesichts einer höheren Zinslast sogar schwieriger, so Merz. Die neue Regierung werde daher auch sparen müssen. Der Blick von außen auf Deutschland sei angesichts der jüngsten Entwicklungen außerdem ein ganz anderer: Es gebe „überragend positive Reaktionen auf das, was wir jetzt angeschoben haben“.

Der CDU-Vorsitzende bemühte sich insgesamt um eine Relativierung des Schuldenpakets und der darin mitverhandelten Punkte. So stellte er klar, dass die Klimaneutralität 2045 kein neues Verfassungsziel sei und auch kein neues Datum. Art. 20a stehe seit 1994 im Grundgesetz. Die Klimaneutralität bis 2045 sei im Klimaschutzgesetz geregelt.

Auf die Frage, ob sich Deutschland diesen Regeln unterwerfen müsse, wenn doch z.B. China und die USA sich von diesen Zielen abwenden, antwortete Merz: „Das ändert doch nichts an dem Befund, dass wir mit dem Klimawandel ein massives Problem haben.“ Es gehe aber darum, in Deutschland die Akzeptanz der Bevölkerung durch gute Technologie zu steigern – nicht durch Verbote. Er sprach dabei auch Technologien wie Carbon Capture and Storage (CCS) und Carbon Capture and Utilization (CCU) an, bei denen CO2 aus Industrieabgasen ausgewaschen und gespeichert bzw. im Anschluss verwendet werden könne. Das Problem Klimawandel bestreite er nicht, so Merz, aber der Weg zur Lösung müsse ein anderer sein und so gut, dass die Welt auf die technologische Leistung in Deutschland schaue.

Auch in Brüssel werde Schritt für Schritt die Bürokratie zurückgebaut, ergänzte er mit Blick auf das Mitte Februar von der EU-Kommission präsentierte Omnibus-Paket zur Vereinfachung der EU-Vorschriften und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Das ökonomische Potenzial in Europa sei viel größer als es jetzt zutage trete. Es müsste nur voll ausgeschöpft werden – auch technologisch. Gleichzeitig sei die „brachiale Gewalt der USA gegen Universitäten“ und die Wissenschaft für Deutschland eine Riesenchance. Es gebe inzwischen viele Wissenschaftler in den USA, die glauben, dass sie in Europa freier forschen könnten.

Merz wünschte sich zudem „einen Mentalitätswechsel im Hinblick auf unsere Freiheit“. Die Deutschen hätten sich daran gewöhnt, Bedrohungsszenarien zu ignorieren – und das wollte er nicht nur als eine „Frage der Bundeswehr“ verstanden wissen. Die tatsächliche Bedrohung sei viel größer, als sie bisher wahrgenommen werde. Ganz konkret sprach er die Cybersecurity an, die dringend verbessert werden müsse. Täglich erlebe Deutschland zudem Desinformation und Angriffe auf die Versorgung. Auch kritisierte er, dass Datenschutz wichtiger als Aufklärung sei.

Die Europäer müssten außerdem in ihrem eigenen Interesse diejenigen sein, die ihre Werte, die Gewaltenteilung, die Pressefreiheit wahren und verteidigen. Europa stehe vor einer Systemfrage, die laute: Hat eine parlamentarische Demokratie noch eine Zukunft in Zeiten, in denen autoritäre Systeme Zulauf haben? Dabei besorge ihn vor allem der Begriff „unitary government“ mit Blick auf die USA – also der Versuch, die politische Macht zu zentralisieren. Das stelle alles auf den Kopf, was wir unter Gewaltenteilung verstehen. Merz machte deutlich: „Ich möchte zeigen, dass unser System das richtige ist.“

Die Bevölkerung müsse dazu aber aus der Illusion geholt werden, dass alles so bleiben kann, wie es seit Jahrzehnten war. Das könne auch bedeuten, Entscheidungen zu treffen, die nicht spontan allen gefallen. In der „längeren Perspektive“ führe aber kein Weg daran vorbei, die Zustimmung der Bevölkerung zu gewinnen. Als Grundvoraussetzung wünschte er sich dafür „eine mittlere Stimmungslage“ der Menschen in Deutschland: „Wir Deutsche sind entweder Himmel hoch jauchzend oder zu Tode betrübt.“ Bis zu den Sommerferien will Merz das als voraussichtlich neuer Bundeskanzler ändern.

Christina Kahlen-Pappas

 
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