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CNL 2020, 8
Weinen 

Wir müssen reden: Führungsverantwortliche über Compliance und Integrität

Eine aktuelle Führungskräftebefragung der Kommunikationsagentur A&B One und Prof. Lars Rademacher (Hochschule Darmstadt) zeigt: Compliance kann in Unternehmen zum „Business Enabler“ werden, wenn über geltende Richtlinien und Gesetze hinaus grundlegendere Werte und ethische Haltungen aufgegriffen, kommuniziert und diskutiert werden. An der Befragung haben 351 Führungskräfte (mit Personalverantwortung) teilgenommen, die in der freien Wirtschaft und in Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern tätig sind. Ralf Weinen, Studienleiter bei A&B One, fasst zentrale Ergebnisse zusammen.

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Die Compliance-Praxis ist durch eine dramatisch zunehmende Anzahl von Richtlinien geprägt, die bei meist gleichbleibenden personellen und budgetären Ressourcen aufgegriffen, abgearbeitet und implementiert werden müssen. Experten fordern zugleich den Aufbau einer Integritätskultur, die individuelle Verantwortung und die Bereitschaft fördert, das eigene Verhalten in den Kontext der unternehmerischen Werte und Normen zu stellen.

Die Erweiterung von Compliance durch Integrität bringt neue Herausforderungen für das Compliance-Management, vor allem aber für die Führungskräfte im Unternehmen mit sich. In Frage steht daher, wie die Forderung nach Integrität von den Trägern und Mentoren der angestrebten Wertekultur, also den Führungskräften auf allen Ebenen, überhaupt wahr- und aufgenommen wird, und ob „Integrity“ tatsächlich ein Hebel zur Entwicklung einer besseren Compliance-Kultur sein kann.

Hier setzt die Befragung von 351 Führungskräften aus dem unteren und mittleren Management von Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern an. Sie zeigt, dass mit „Compliance“ und „Integrität“ auch im Alltagsverständnis ganz unterschiedliche Konzepte, Haltungen und Verhaltensweisen verbunden werden.

Bei „Compliance“ denken die Befragten durchweg an definierte und definierbare Regeln, die von anderen gesetzt werden. Drei Viertel (75 %) der offen abgefragten Umschreibungen betonen, dass es bei Compliance darum geht, Regeln „einzuhalten“, „zu beachten“, „zu befolgen“ oder damit „konform“ zu sein. Nur 2 % der Führungskräfte verwenden Formulierungen, die eine aktive Mitwirkung oder eine eigene Überzeugung von diesen Werten implizieren. Kurz gesagt: Man beachtet (wie im Straßenverkehr) die herrschenden Regeln, macht sich diese aber nicht notwendig zu eigen.

Der Begriff „Integrität“ ist semantisch vielfältiger und kommuniziert einen breit gefassten Kanon von „Werten“, „Ethik“ und „Moral“. Das Konzept Integrität wird einerseits individueller gefüllt als Compliance und adressiert andererseits sehr viel häufiger die Eigenverantwortung in schwierigen Lagen. Das meint vor allem Zielkonflikte, zum Beispiel zwischen Produktionsvorgaben und Qualitätsstandards.

Die Studie bestätigt eindrücklich, dass Integrität für Führungskräfte große und zunehmende Bedeutung hat: persönlich, am Arbeitsplatz und im eigenen Arbeitsalltag. Sie zeigt aber auch, dass es mit großen Worten allein nicht getan ist. Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten (55 %) findet, dass Integrität an sich sehr allgemein klingt, und dass man nicht genau weiß, was damit gemeint ist. Die obere Führungsebene kritisiert noch häufiger, dass der Begriff Integrität schwer greifbar ist (63 %, nicht im Diagramm). Das Top-Management sieht also in besonderem Maße die Notwendigkeit, Werte unternehmensspezifisch zu definieren, zu konkretisieren und zu vermitteln.

Es gibt also insgesamt Interesse an und Bedarf nach einer Auseinandersetzung mit Werten. Das große Wort Integrität lässt aber offen, welche Konsequenzen der breit geteilte Wert in spezifischen Situationen und Dilemmata hat oder haben soll. Dies muss kommunikativ aufgezeigt, inszeniert und an praktischen Beispielen konkretisiert werden.

Ralf Weinen

Den ausführlichen Beitrag von Ralf Weinen lesen Sie ab 25. März 2020 in der April-Ausgabe des Compliance-Beraters.

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Ralf Weinen ist Diplom Psychologe und seit über 25 Jahren in der Markt- und Sozialforschung tätig. Er verantwortet den Leistungsbereich Research der Kommunikationsagentur A&B One und führt regelmäßig Mitarbeiter- und Führungskräftebefragungen durch, vorwiegend im Rahmen von Mandaten zur Change- und Compliance-Kommunikation.

CNL 2020 S. 8 (9)

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