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DIVRUW 2023, 124
Krzikalla 

Die letzte Seite

Lucas Krzikalla

Homosexualität im Profisport

Abbildung 32

Ich, Lucas, männlich, 29 Jahre, Profispieler im Handball und schwul. Noch immer ist es für mich ungewohnt, das so zu lesen. Nach all den Jahren des Versteckens und des Verstellens im Sport ist es für mich persönlich eine Befreiung, endlich der zu sein, der ich bin, und auch für die Werte einzustehen, die mich als Person ausmachen. Doch dieser eine Schritt, das Coming-Out im Männersport, hat mich über Jahre beschäftigt und beeinflusst. Doch warum ist das immer noch so? Warum hält die veraltete heteronormative Sicht auf den Sport immer noch an? Man sollte doch eine Person so sehen wie sie ist und nicht wie es sein soll!

Anfang Oktober 2022 erschien ein Artikel in der “Welt am Sonntag”. Zu dieser Zeit war ich der erste aktive Mannschaftssportler in einer der großen Männer-Profiligen in Deutschland, der zu seiner Homosexualität stand/ steht. Lassen Sie sich dazu eins sagen: Das war ein langer Weg für mich. Stellen Sie sich vor . . . Sie üben einen Beruf aus, den Sie über alles lieben. Es war von klein auf Ihr Traum, in diesem Beruf zu arbeiten. Sie haben alles im Leben darauf ausgelegt, um Ihren Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Doch eine Hürde könnte den Traum, wie wenn man mit einer Nadel in einen Luftballon sticht, platzen lassen, da es “so etwas” noch nie gegeben hat. Diese Gedanken gingen mir immer wieder durch den Kopf. Ich hatte Angst: “Was würde passieren, wenn . . .” Doch dieses Karussell habe ich hinter mir gelassen. Nach ein paar Jahren der Selbstfindung, Akzeptanz und Liebe verstand ich mich selbst. Aber ich fragte mich, warum habe ich diese Gedanken, dass ein Mann im Profisport nicht schwul sein darf? Dafür gibt es wahrscheinlich viele Gründe. Generell Vorurteile, die über die Zeit im letzten Jahrhundert geprägt wurden und die heteronormativen Gesichtspunkte, die im Sport erfüllt werden sollen. Genau diese Vorurteile wollte ich mit meinem Coming-Out, aufbrechen. Ich möchte nun Vorbild sein und auch für Sichtbarkeit für die LGBTQIA+-Community im Männersport sorgen. Denn die Unterstützung und den Zuspruch, den ich nach meinem Coming-Out von der Gesellschaft erhalten habe, war für mich unvergesslich. Viele meiner Ängste und Befürchtungen haben sich gar nicht bestätigt. Im Gegenteil, es war schön zu sehen, dass die Menschen doch toleranter reagiert haben, als ich anfangs geglaubt habe. Sie stehen hinter mir und meiner Homosexualität. Auch bei den Auswärtsspielen kamen viele Fans der gegnerischen Mannschaften auf mich zu und sprachen Unterstützung und Anerkennung aus. Noch heute erreichen mich Briefe oder Nachrichten über die sozialen Medien aus ganz Deutschland, in denen steht, dass ich für die Personen ein Vorbild bin und ihnen selber Mut gehabt habe. Solche Nachrichten bestätigen mir selbst, dass der Schritt in die Öffentlichkeit der Richtige war und ich es jederzeit wieder machen würde! Der Sport verbindet auch abseits der eigenen Sporthalle. Es war richtig, dafür zu kämpfen, der zu sein, der ich bin. Auch von Seiten meiner Mannschaft und der Sponsoren bei uns im Verein gab es viel Support. Es war schön zu sehen, dass sie geschlossen hinter mir standen. Es hat mir Rückhalt bei meinem Coming-Out gegeben. Ich bin aber auch ehrlich und ein paar negative Reaktionen und Nachrichten gab es auch. Diese sind aber überhaupt nicht der Rede wert, da ich sie an einer Hand abzählen kann. Fünf Nachrichten des Gespötts und Homophobie gegen über 1000 Nachrichten der Unterstützung und des Zuspruchs. Im Vergleich hat für mich auf jeden Fall die Liebe gewonnen. Doch so lang es negative Kommentare gibt, muss man dafür auch kämpfen. Denn das grundsätzliche Recht auf Selbstbestimmung sollte jedem Menschen gegeben und von jedem akzeptiert werden. Ein Prinzip, für die die queere Community von Anfang an gekämpft hat und ich nun auch. Philipp Lahm hat in seinem Buch “Das Spiel” vor knapp zwei Jahren aktiven Fußballprofis abgeraten, sich zu outen. Zitat: “Gegenwärtig schienen mir die Chancen gering, so einen Versuch in der Bundesliga mit Erfolg zu wagen und nur halbwegs unbeschadet davonzukommen.” Ein Zitat, welches die einzelnen Fortschritte in der LGBTQIA+-Community wieder zurückwirft. Ich finde es total daneben, denn es schürt mehr Ängste und macht keinem Mut. Denn wie ich weiter oben schon sagte, als Sportler*in bist du ein Vorbild für so viele. Man selbst kann etwas bewegen und verändern. Genau aus diesem Grund brauchen wir Sportler*innen und Personen im öffentlichen Leben, die vorangehen und weiter dafür bewusst kämpfen.

Lucas Krzikalla ist Handballer beim SC DHfK Leipzig und spielt in der 1. Handball-Bundesliga. Er hatte 2022 sein Coming-Out, als erster aktiver Profisportler in Deutschland. Außerdem war er Botschafter für den CSD in Leipzig 2023 (sein 1. CSD überhaupt).

 
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