Beyer, W. C. Thomas
Anerkennung nationaler Rechtsakte zwischen den Staaten der Europäischen Gemeinschaft
EWS
1999, 12
(Heft 1)
I. ProblemstellungDer Europäische Gerichtshof hat in der Rs. C-105/941Slg. 1997, I-2971 ff., RIW 1997, 700. darauf erkannt, daß Art. 30 und 36 EGV einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, in einem anderen Mitgliedstaat erzeugten Wein einer geeigneten Kontrolle zu unterziehen, um seine Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften zu prüfen, auch wenn der Wein von vorschriftsmäßigen Analysezertifikaten begleitet wird, die von im Ursprungsmitgliedstaat ordnungsgemäß zugelassenen Forschungsinstituten ausgestellt wurden, sofern diese Kontrollen in nichtdiskriminierender Weise angewendet werden, dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird und insbesondere die bereits im Ursprungsmitgliedstaat durchgeführten Kontrollen berücksichtigt werden. Über die unmittelbar zugrundeliegende Problematik einer mitgliedstaatlichen Kontrolle der Ein-haltung von Vorschriften des Weinsektors2Vgl. Art. 3 i. V. m. 2 lit. a) der Verordnung (EWG) Nr. 2048/89 des Rates vom 19. Juni 1989 mit Grundregeln über die Kontrollen im Weinsektor, ABl. Nr. L 202/32 v. 14. 7. 1989. hinaus bietet das Urteil Gelegenheit, dogmatische Grundfragen der Anerkennung nationaler Rechtsakte zwischen den Staaten der Europäischen Gemeinschaft aufzugreifen3Zum Folgenden auch Beyer, Rechtsnormanerkennung im Binnenmarkt, Diss. Erlangen-Nürnberg 1996, Berlin 1998, S. 25 ff., 44 ff..II. Begriff, Gegenstand und Wirkung der AnerkennungDie Anerkennung nationaler Rechtsakte läßt sich begrifflich dahingehend bestimmen, daß seitens der Gerichte und Behörden eines Mitgliedstaates im Hinblick auf relevante Sachverhalte die von Rechtsakten eines anderen Mitgliedstaates herrührenden Wirkungen gleichermaßen als verbindlich anzusehen sind, als sei eine Regelung durch die eigene Rechtsordnung erfolgt4Joerges, in: Festschrift Steindorff, 1990, S. 1247 (1250): »Substitution des eigenen durch das fremde Recht«; Happe, in: Festschrift Bleckmann, 1993, S. 119 (131 f.): »Verbindlichkeitserstreckung für die anerkennenden Gerichte und Behörden«; eingehend ders., Die grenzüberschreitende Wirkung von nationalen Verwaltungsakten, 1987, S. 63 ff.; Geck, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, 2. Aufl. 1960, S. 55 f.; Basedow,RabelsZ 59 (1995), 1 (4 f.); Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 10. Aufl. 1996, S. 112; zum »transnationalen Verwaltungsakt« Schmidt-Aßmann,DVBl. 1993, 924 (935 f.); Neßler,NVwZ 1995, 863 (864 f.); zur »Theorie der Wirkungserstreckung« bezüglich der Anerkennung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen im IZVR Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 1991, Rdnr. 791 f.. Mit dem Schrifttum ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Anerkennung von Rechtsnormen (»Rechts- und Verwaltungsvorschriften«)5Vgl. Art. 100 b Abs. 1 EGV; zum Rechtsnormbegriff Ossenbühl, in: Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, S. 111 (114 ff., insb. auch 130 ff.). und die Anerkennung von Einzelakten der mitgliedstaatlichen Verwaltungen zu unterscheiden6Seidel, Die Beseitigung der technischen Handelshemmnisse, KSE 11, 1971, S. 733 (735 ff., 748 ff.); Matthies, in: Festschrift Steindorff, 1990, S. 1287 (1293 f.); Steindorff, in: Festschrift Lorenz, 1991, S. 561 (568); Buerfeind, Die gegenseitige Anerkennung von Produktregelungen und Produktzertifizierungen im europäischen Recht, 1990, S. 16 ff..Im Zuge einer Anerkennung von Rechtsnormen anderer Mitgliedstaaten, etwa hinsichtlich der Festlegung von Qualifikationserfordernissen und Verkehrsfähigkeitsstandards, verzichten die anerkennenden Staaten darauf, die in ihren eigenen Vorschriften enthaltenen Anforderungen auf eingeführte Waren, grenzüberschreitend erbrachte Dienstleistungen oder den Berufszugang von Arbeitnehmern oder Selbständigen anzuwenden7Everling, in: Liber Amicorum Pescatore, 1987, S. 227 (238).. Dies verleiht den materiellen Inhalten der anzuerkennenden Rechtsnormen Wirkung auch für die Anerkennungsstaaten8Matthies (Fn. 6), S. 1293; Seidel (Fn. 6), S. 735; Mestmäcker,RabelsZ 52 (1988), 205 (236 f.); Roth,RabelsZ 55 (1991), 623 (666 f.)..Demgegenüber bezieht sich die Anerkennung von Verwaltungsakten der Mitgliedstaaten, namentlich bezüglich der Zulassung und Kontrolle von Produkten, auf die staatlichen Verfahren zur Überprüfung der Befolgung von Rechtsnormen9Matthies, wie vor.. Dies bedingt die Verschränkung der nationalen Verwaltungen und den Verzicht der Anerkennungsstaaten auf die Ausübung präventiver Kontrollbefugnisse10Vgl. Schmidt-Aßmann,DVBl. 1993, 924 (936).. Voraussetzung hierfür ist, daß die Mitgliedstaaten der Verwaltungstätigkeit des jeweils anderen Staates Vertrauen entgegenbringen11Seidel, in: Magiera (Hrsg.), Entwicklungsperspektiven der Europäischen Gemeinschaft, 1985, S. 169 (181 f.).. Wegen des befürchteten Souveränitätsverlustes traf indes in der Praxis der europäischen Integration die Gewährung von »full faith and credit«12Vgl. Art. IV Sec. 1 der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika. zwischen den Mitgliedstaaten selbst unter der Prämisse einer Übereinstimmung der durch die Verwaltung zugrunde zu legenden materiellen wie verfahrensrechtlichen Standards13Seidel (Fn. 6), S. 750; Buerfeind (Fn. 6), S. 19 f.; Schmidt-Aßmann,DVBl. 1993, 924 (936). schon frühzeitig auf Vorbehalte14So bereits von der Groeben,ZfRV 1967, 129 (136)..Als minus gegenüber einer Anerkennung der Zulassungsakte im Sinne der Erstreckung von deren Tatbestandswirkung15Zur Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten Kopp, VwVfG, 6. Aufl. 1996, Vorbem. zu § 35, Rdnr. 25 ff. m. Nachw. auf die Rechtsordnung des Anerkennungsstaates16Happe (Fn. 4), S. 64 ff.; Steindorff (Fn. 6), S. 566 f., 568. ist eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten denkbar, im Rahmen der Anwendung der nationalen Zulassungserfordernisse auf einzuführende Produkte oder Dienstleistungen jedenfalls eine »Berücksichtigung« der im Zuge der Zulassung im Herkunftsland bereits erfolgten Kontrollen, erbrachten Nachweise u. ä. vorzunehmen17Steindorff (Fn. 6), S. 566 ff.; Matthies (Fn. 6), S. 1293 f.; Bleckmann,JZ 1985, 1072 (1076).. Unter grundsätzlicher Respektierung der präventiv-polizeilichen Befugnisse der Mitgliedstaaten lassen sich auf diese Weise, insbesondere durch den Verzicht auf systematische Doppelkontrollen, die freiverkehrsbehindernden Wirkungen eines erneuten Zulassungsverfahrens im Bestimmungsland vermindern.Nach Maßgabe einer Anerkennung der relevanten Rechtsakte durch die Mitgliedstaaten entfällt im Rahmen des grenzüberschreitenden Verkehrs von Waren, Dienstleistungen und Personen das Erfordernis, die Standards des jeweiligen Bestimmungslandes einzuhalten. Die Verwirklichung des Herkunftslandprinzips erweist die Eignung des Anerkennungsmodells zur Durchsetzung eines gemeinschaftsweiten Freiverkehrs im Binnenmarkt18Dazu eingehend Beyer (Fn. 3), S. 28 ff..III. Rechtsgrundlagen der Anerkennung im Recht der EG1. Gemeinschaftsrechtlicher AnerkennungsbefehlAus dem Völkerrecht ergibt sich keine allgemeine Verpflichtung zur Anerkennung der Hoheitsakte anderer Staaten19Geck (Fn. 4), S. 56; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, § 1021; Ipsen, Völkerrecht, 3. Aufl. 1990, S. 335 f.; Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 4. Aufl. 1990, S. 316 f.; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 7. Aufl. 1992, Rdnr. 1488 ff.; Bleckmann,JZ 1985, 1072 (1073 f.).. Es liegt im Ermessen der Staaten, über die Wirkungen fremder Rechtsakte in der eigenen Rechtsordnung zu befinden20Dazu Happe (Fn. 4), S. 61 ff.. Zu fragen ist, inwieweit sich die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft durch den EG-Vertrag dieser Anerkennungsfreiheit begeben haben.In diesem Zusammenhang sind zunächst die Wirkungen zu vergegenwärtigen, die die Teilhabe der Bundesrepublik Deutschland an der Europäischen Integration nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf den Geltungsanspruch der innerstaatlichen Rechtsordnung zu entfalten vermag.Art. 24 Abs. 1 GG als verfassungsrechtliche Grundlage21Entsprechendes gilt für die in Art. 23 Abs. 1 GG geschaffene »besondere Ermächtigung zur Mitwirkung bei der Entwicklung der Europäischen Union«, BVerfGE 89, 155 (179). ermögliche es, »die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland derart zu öffnen, daß der ausschließliche Herrschaftsanspruch der Bundesrepublik Deutschland für ihren Hoheitsbereich zurückgenommen und der unmittelbaren Geltung und Anwendbarkeit eines Rechts aus anderer Quelle innerhalb dieses Hoheitsbereichs Raum gelassen wird«22BVerfGE 73, 339 (374); i. d. S. bereits BVerfGE 37, 271(280); 58, 1 (28).. Obwohl diese Erkenntnisse das Gemeinschaftsrecht zum Gegenstand haben23Vgl. BVerfGE 73, 339 (375)., erlangen sie insoweit Bedeutung für die Frage der Anerkennung nationaler Rechtsakte zwischen den Mitgliedstaaten, als diesen eine Anerkennung gerade durch eine Norm des Gemeinschaftsrechts vorgegeben wird. In diesem Falle erstreckt sich der den Gemeinschaftsverträgen und dem nach deren Maßgabe von den Gemeinschaftsorganen gesetzten Recht gemäß Art. 23 Abs. 1, 24 Abs. 1, 59 Abs. 2 S. 1 GG durch die Zustimmungsgesetze erteilte innerstaatliche »Rechtsanwendungsbefehl«24BVerfGE 45, 142 (169); 52, 187 (199); 73, 339 (367 f., 375); 89, 155 (190). auch auf die Rechtsfolgen, die das Recht der Gemeinschaft den Wirkungen nationaler Rechtsakte bezüglich fremder mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen vermittelt25Nicht berücksichtigt bei Seidel (Fn. 11), S. 182.. Umfang und Modalitäten einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Anerkennung von Rechtsakten anderer Mitgliedstaaten bestimmen sich somit in Abhängigkeit von entsprechenden »Befehlen«26Vgl. Happe, in: Festschrift Bleckmann, S. 131; Joerges, in: Festschrift Steindorff, 1990, S. 1247 (1250); Schwartz, in: Festschrift von der Groeben, 1987, S. 333 (363); Mestmäcker,RabelsZ 52 (1988), 205 (237 f.); Klein, in: Starck (Hrsg.), Rechtsvereinheitlichung durch Gesetze, 1992, S. 117 (141); Schmidt-Aßmann,DVBl. 1993, 924 (935); Stober (Fn. 4). der Normen des Gemeinschaftsrechts.Der EG-Vertrag enthält weder eine Bestimmung, die ausdrücklich eine generelle Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu einer Anerkennung von Rechtsakten anderer Gemeinschaftsstaaten ausspricht27Dazu Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 4. Aufl. 1993, S. 398., noch läßt sich aus Art. 5 EGV ein allgemeines Anerkennungsgebot ableiten28Wie hier Bruha,ZaöRV 46 (1986), 1 (20 f. mit Fn. 92); Pernice,Die Verwaltung 1989, 1 (47 in Fn. 232); Reich,RabelsZ 56 (1992), 444 (492); im Erg. Seidel, in: Festschrift Steindorff, 1990, S. 1455 (1471).. Dies gilt auch dann, wenn man mit der überwiegenden Auffassung Art. 5 EGV nur als Ausprägung eines überpositiven Prinzips der »Gemeinschaftstreue« verstehen will, das auch Pflichten für das Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander zu begründen imstande ist29Vgl. hier nur Bleckmann,DVBl. 1976, 483 ff.; dazu Beyer (Fn. 3), S. 46 mit Fn. 13.. Die Gemeinschaft ist in bezug auf die Anerkennung nach dem gegenwärtigen Stand der Integration vom Rechtszustand im Bundesstaat, in dem die Verfassungsprinzipien eine Verpflichtung der Gliedstaaten zu entfalten vermögen, die Hoheitsakte anderer Bundesländer anzuerkennen30Bleckmann,NVwZ 1986, 1 ff.; ders., Staatsrecht I - Staatsorganisationsrecht, 1993, S. 489 ff.; BVerfGE 11, 6 (19 ff.); differenzierend Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: HStR, Bd IV, 1990, § 98, Rdnr. 35, 41 f., »noch weit entfernt«31Bleckmann,DVBl. 1976, 483 (486).. Nationale Rechtsakte sind somit auch zwischen den Mitgliedstaaten nur dann anzuerkennen, wenn das Gemeinschaftsrecht hierfür einen besonderen Rechtsgrund32Bleckmann,JZ 1985, 1072 (1074). setzt.2. Die vertraglichen Ausprägungen des AnerkennungsmodellsUngeachtet des Fehlens eines generellen Anerkennungsgebotes finden sich im EG-Vertrag Einzelausprägungen des Modells der Anerkennung mitgliedstaatlicher Hoheitsakte. Die zugrundeliegenden Bestimmungen lassen freilich bezüglich der Regelungsgegenstände wie auch des Rechtsgrundes der angestrebten mitgliedstaatlichen Bindung kein geschlossenes Konzept erkennen.a) Art. 220 EGV greift mit der Anerkennung von richterlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen einerseits und Gesellschaften andererseits Problemkreise auf, deren Lösung als unverzichtbar anzusehen ist, wenn die grenzüberschreitende Entfaltung wirtschaftlicher Aktivitäten innerhalb der Gemeinschaft in die Schaffung eines Marktes mit zumindest »binnenähnlichen« Verhältnissen einmünden soll33Vgl. von der Groeben,ZfRV 1967, 129 (139).. Angesichts der Rechtsprechung des EuGH34EuGH, Rs. 81/87, Slg. 1988, 5483 (5509 ff.) - Daily Mail. gilt dies in besonderem Maße für die gegenseitige Anerkennung der nach dem Recht der Mitgliedstaaten gegründeten Gesellschaften und die damit verknüpfte Frage der Beibehaltung von deren Rechtspersönlichkeit bei Verlegung des Sitzes aus einem Mitgliedstaat in einen anderen35Zur Problematik nach Gründungs- bzw. Sitztheorie BayObLG, JZ 1993, 372 ff. (Art. 220 Spstr. 3 EGV). Die Anerkennung nach Art. 220 EGV ist indes nicht einer gemeinschaftsrechtlichen Rechtsanerkennung i. e. S. zuzurechnen, da sie sich gerade nicht durch Rechtsetzungsakte der Gemeinschaftsorgane, sondern im Wege des Abschlusses völkerrechtlicher Verträge der Mitgliedstaaten vollzieht36Zu Art. 220 Spstr. 3 EGV vgl. das Übereinkommen über die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften und juristischen Personen v. 29. 2. 1968, BGBl. 1972 II S. 370 ff.; zu Art. 220 Spstr. 4 EGV Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 27. 9. 1968 (EuGVÜ), BGBl. 1972 II S. 774 ff., mögen derartige Übereinkommen auch eng mit der Gemeinschaftsrechtsordnung verknüpft sein37Vgl. EuGH, Rs. C-398/92, Slg. 1994, I-467 (478) - Mund & Fester; Basedow,NJW 1996, 1921 (1922 f.); Häde,EuZW 1996, 138 (141); Beyer (Fn. 3), S. 50 f. m. w. N..b) Art. 57 Abs. 1 EGV ermächtigt den Rat zum Erlaß von Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise. Bei der Vorschrift handelt es sich neben dem durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA)38Art. 19 EEA. in den Vertrag eingefügten Art. 100 b EGV um die einzige vertragliche Kompetenzgrundlage, die ausdrücklich einen Erlaß sekundären Gemeinschaftsrechts zum Zwecke der Herbeiführung einer Anerkennung von öffentlichen Akten zwischen den Mitgliedstaaten vorsieht. Die Anwendungspraxis hat sich freilich der Eigenständigkeit des Normgehalts der Bestimmung erst spät erinnert und die anfänglich verfolgte Methode, Anerkennungsrichtlinien jeweils mit dem Erlaß sog. »Koordinierungsrichtlinien« nach Art. 57 Abs. 2 EGV zur Festlegung gemeinsamer Mindestausbildungsbedingungen im betreffenden Sektor zu verbinden, aufgegeben39Vgl. insbes. die Hochschuldiplom-Richtlinie 89/48/EWG, ABl. Nr. L 19/16 v. 24. 1. 1989; zu Art. 57 Abs. 1 EGV näher Beyer (Fn. 3), S. 51 ff..c) Nach überwiegend vertretener Ansicht ist eine auf die Festlegung mitgliedstaatlicher Verpflichtungen zur »ge-genseitigen« Anerkennung öffentlicher Akte gerichtete Beschlußfassung des Rates schon von den Befugnisnormen für die Rechtsangleichung gedeckt40Vgl. Ehlermann, CMLR 24 (1987), 361 (402); Langeheine,EuR 1988, 235 (252); Müller-Graff,EuR 1989, 107 (138); Pipkorn, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, EWG-Vertrag, 4. Aufl. 1991, Art. 100 b, Rdnr. 4 und 24; Seidel (Fn. 28), S. 1471; weitere Nachw. bei Beyer (Fn. 3), S. 80 f.. Die nähere dogmatische Erörterung41Beyer (Fn. 3), S. 81 ff. erweist indes, daß der These in der ihr weithin zugrunde gelegten Einschränkungslosigkeit nicht gefolgt werden kann42Vgl. von der Groeben,ZfRV 1967, 129 (136); Niehof, Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung im Gemeinschaftsrecht, 1994, S. 71.. Zwar läßt sich den gemeinschaftlichen Kompetenznormen zur »Angleichung«, »Harmonisierung« und »Koordinierung« mitgliedstaatlicher Vorschriften43Zum einheitlichen Normgehalt Beyer (Fn. 3), S. 31 f. ein akzessorischer Anwendungsbereich zuerkennen, der ergänzende Regelungen zu der in erster Linie bezweckten inhaltlichen Annäherung des nationalen Rechts ermöglicht44Wie hier Pipkorn, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann (Fn. 40), Art. 100 a, Rdnr. 45; Roth,EuR 1986, 340 (366 ff.).. Als notwendige Ergänzung45Vgl. Beyer (Fn. 3), S. 32. können in Harmonisierungsmaßnahmen etwa auch Anerkennungsregeln hinsichtlich von Verwaltungsakten wie behördlichen Zulassungen vorgesehen werden46Seidel (Fn. 6), S. 749; Buerfeind (Fn. 6), S. 19.. Dies zwingt aber nicht dazu, die Grenzziehung zwischen Rechtsangleichung und Rechtsanerkennung im Grundsatz aufzugeben.Ungeachtet der engen Verknüpfung beider Ansätze als komplementäre Instrumente der Binnenmarktverwirklichung47Dazu Beyer (Fn. 3), S. 30 ff. verdeutlicht gerade die bewußte Parallelität der Befugnisnormen der Anerkennung und der Harmonisierung in Art. 57 Abs. 1 und 2 EGV wie auch in Art. 100 b EGV und Art. 100 a EGV einen in dieser Hinsicht erkennbar differenzierenden Willen des gemeinschaftlichen Verfassunggebers. Eine Gleichsetzung von Harmonisierung und Anerkennung wird auch dem typenhaften Unterschied beider Instrumente nicht gerecht. Jedenfalls die »schlichte«, materialer Regelungsgehalte entkleidete Anerkennung48Beyer (Fn. 3), S. 90 m. w. N. läßt sich nicht mehr als »eine Harmonisierung, nämlich in der abstrakt-normativen Form der Wertigkeitsgleichsetzung unterschiedlicher Regelungen«49Müller-Graff, Binnenmarktziel und Rechtsordnung - Binnenmarktrecht, 1989, S. 43., begreifen. Gegenüber einem inhaltlich regelnden Ratsbeschluß zur Angleichung mitgliedstaatlichen Rechts verkörpert die Erteilung eines bloßen »Anerkennungsbefehls«50Oben bei Fn. 26. kein minus51Bruha,ZaöRV 46 (1986), 1 (20 f.); Buerfeind (Fn. 6), S. 16; Müller-Graff,EuR 1989, 107 (135, 138)., sondern ein aliud52Taschner, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann (Fn. 40), Art. 100, Rdnr. 12; Blaurock,JZ 1994, 270 (273); Klein (Fn. 26), S. 140 f.; Seidel (Fn. 11), S. 181.. Legt man diese Erwägungen zugrunde, tritt die Ansicht, Kompetenzgrundlagen der Rechtsangleichung seien »grundsätzlich zugleich auch als Ermächtigungen zur Relativierung des Geltungsanspruchs (mitgliedstaatlicher Vorschriften) im ... Sinne der Gleichwertigkeitsanerkennung (zu) verstehen«53Müller-Graff (Fn. 49)., in Konflikt mit dem Prinzip der nach Maßgabe des Vertrags begrenzten Ermächtigung der Gemeinschaft (Art. 3 b Abs. 1 EGV)54Dazu Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 425 ff.; Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, 1991; Beyer, Der Staat 35 (1996), 189 (191 f.); EuGH, Gutachten 2/94, Slg. 1996, I-1759 (1787 f.) - EMRK.. Sie widerspricht insbesondere den vom Bundesverfassungsgericht präzisierten Grundsätzen einer Bestimmtheit der gemeinschaftlichen Ermächtigung55BVerfGE 58, 1 (37); 68, 1 (98 f.); 89, 155 (187 f., 191 f.).. Der mögliche Vollzugsverlauf der vertraglichen Befugnisnormen zur Rechtsangleichung ist bei einer Inanspruchnahme, die sich darin erschöpft, eine Erstreckung der Wirkungen auch inhaltlich divergierender einzelstaatlicher Rechtsvorschriften in die Rechtsräume der anderen Gemeinschaftsstaaten zu »befehlen«, nicht hinreichend voraussehbar.Die Rechtsetzungspraxis der Gemeinschaft steht, wie an anderer Stelle gezeigt56Beyer (Fn. 3), S. 87 ff., nicht in Widerspruch zu der hier vertretenen Auffassung. Zugleich erweist sich der in der EEA beschrittene Weg57Oben bei Fn. 38., in Gestalt des Art. 100 b EGV den Gemeinschaftsorganen erstmals eine Kompetenzgrundlage zur Verfügung zu stellen, unabhängig von Maßnahmen der Rechtsangleichung den Mitgliedstaaten sekundärrechtlich Anerkennungsverpflichtungen in bezug auf nationale Rechts- und Verwaltungsvorschriften aufzuerlegen58Streinz,ZfRV 1991, 357 (365); ders., Europarecht, 2. Aufl. 1995, Rdnr. 936; Krohn, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, Stand 1996, C. IV., Rdnr. 157; Streit, in: Ordnungspolitische Aspekte der europäischen Integration, 1996, S. 11 (16)., als gemeinschaftsverfassungsrechtlich zwingend59Zu Art. 100 b EGV Beyer (Fn. 3), S. 94 ff..IV. Das primärrechtliche Anerkennungsgebot der GrundfreiheitenArt. 30 EGV verbietet zwischen den Mitgliedstaaten nicht nur mengenmäßige Beschränkungen der Einfuhren von Waren, sondern auch alle Maßnahmen gleicher Wirkung. Gemäß der vom Gerichtshof in der grundlegenden Entscheidung »Dassonville« geprägten Formel ist »jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ... als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen«60EuGH, Rs. 8/74, Slg. 1974, 837 (852).. Art. 30 EGV gewinnt gemäß dieser Interpretation den Charakter eines Beschränkungsverbotes »äußerster Reichweite«61Möschel,NJW 1994, 429.. Dies gilt bezüglich produktbezogener Regelungen unverändert auch nach der Modifizierung der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die seit der »Keck«-Entscheidung die Wirkung von Art. 30 EGV hinsichtlich der Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte »Verkaufsmodalitäten« beschränken oder verbieten, der Sache nach auf ein Gebot der rechtlichen und tatsächlichen Inländergleichbehandlung reduziert62EuGH, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91, Slg. 1993, I-6097 (6131 f.) - Keck und Mithouard; Rs. C-292/92, Slg. 1993, I-6787 (6823) - Hünermund; jetzt st. Rspr.. Regelungen der Mitgliedstaaten mit Produktbezug63Dazu EuGH, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91, Slg. 1993, I-6097 (6131, Rdnr. 15); Rs. C-315/92, Slg. 1994, I-317 (335) - Clinique; Rs. C-470/93, Slg. 1995, I-1923 (1940 f.) - Mars. dürfen demnach auf eingeführte Waren, die die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 EGV erfüllen, nur angewendet werden, wenn der Mitgliedstaat sich auf gemeinschaftsrechtlich anerkannte Gründe des Allgemeininteresses berufen kann, die dem freien Warenverkehr vorgehen. Über den abschließenden Katalog der Rechtferti-gungsgründe des Art. 36 S. 1 EGV64EuGH, Rs. 113/80, Slg. 1981, 1625 (1638) - Irische Souvenirs; Rs. 220/81, Slg. 1982, 2349 (2360) - Robertson. hinaus hat der Gerichtshof in diesem Zusammenhang den Mitgliedstaaten, beginnend mit der Rechtssache »Cassis de Dijon«65EuGH, Rs. 120/78, Slg. 1979, 649 ff., unter teleologischer Reduktion des Tatbestandes von Art. 30 EGV66Vgl. EuGH, Rs. 113/80, Slg. 1981, 1625 (1639). den Schutz weiterer Rechtsgüter eröffnet. Die Verfolgung derartiger »zwingender Erfordernisse«67EuGH, Rs. 120/78, Slg. 1979, 649 (662). setzt voraus, daß die in Rede stehende nationale Bestimmung unterschiedslos für inländische und eingeführte Waren anzuwenden ist68EuGH, Rs. 113/80, Slg. 1981, 1625 (1639)..Im Einklang mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muß die jeweilige mitgliedstaatliche Maßnahme zum Schutz des betreffenden Rechtsgutes geeignet und erforderlich, d. h. im Sinne des geringsten Eingriffs »notwendig« sein und darf sich nicht dadurch als übermäßig erweisen, daß ihre negativen Auswirkungen auf den Handelsverkehr in der Gemeinschaft die positiven Wirkungen bezüglich des Schutzinteresses wesentlich übersteigen69Mit umfassenden Nachweisen insbes. zur Rspr. Beyer (Fn. 3), S. 58 ff.. Der Vorbehalt der Erforderlichkeit der Verfolgung nationaler Schutzinteressen wirkt sich insbesondere im Falle einer Gleichwertigkeit des in Herkunfts- wie Bestimmungsland gewährleisteten Rechtsgüterschutzes aus. Die Unterwerfung eingeführter Produkte unter die Verkehrsfähigkeitsvoraussetzungen des Bestimmungslandes ist nicht erforderlich und stellt infolgedessen einen nicht mehr gerechtfertigten Eingriff in den innergemeinschaftlichen Warenverkehr dar, wenn den relevanten Schutzanliegen des Importstaates bereits durch gleichwertige Anforderungen im Rahmen der Rechtsordnung des Herkunftsstaates Rechnung getragen ist (Äquivalenzgrundsatz)70EuGH, Rs. 220/81, Slg. 1982, 2349 (2361); Forwood/Clough, EurLaw-Rev 11 (1986), 383 (385 f.); Bleckmann,GRUR Int. 1986, 172 (180); Steindorff,ZHR 150 (1986), 687 (692); Matthies (Fn. 6), S. 1294; Steindorff (Fn. 6), S. 561 f.; Happe, in: Festschrift Bleckmann, S. 124 f.; Tünnesen-Harmes,DVBl. 1994, 1334 (1335 f.).. Steht unter diesen Voraussetzungen Art. 30 EGV der Anwendung von Anforderungen des Bestimmungsstaates entgegen, so impliziert die Deutung der Grundfreiheit als Beschränkungsverbot ein Gebot der Anerkennung der die Verkehrsfähigkeit begründenden Rechtsakte des Herkunftsstaates71Dazu Beyer (Fn. 3), S. 62 m. w. N..Die Rechtsprechung des Gerichtshofs verleiht dem Äquivalenzgrundsatz in vielfältiger Weise Ausdruck. Gemäß dem »Holzbearbeitungsmaschinen«-Urteil darf ein Staat der Gemeinschaft »das Inverkehrbringen aus einem anderen Mitgliedstaat stammender Erzeugnisse nicht verhindern, die hinsichtlich des Niveaus des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen dem entsprechen, was mit der nationalen Regelung erreicht werden soll. Daher würde es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zuwiderlaufen, wenn eine nationale Regelung verlangen würde, daß die eingeführten Erzeugnisse den Bestimmungen und technischen Anforderungen, die für die in dem betreffenden Mitgliedstaat hergestellten Erzeugnisse gelten, buchstabengenau entsprechen, obwohl sie dasselbe Schutzniveau für die Benutzer gewährleisten«72EuGH, Rs. 188/84, Slg. 1986, 419 (436); vgl. auch EuGH, Rs. 45/87, Slg. 1988, 4929 ff. - Kommission/Irland; Rs. 215/87, Slg. 1989, 617 (639 f.) - Schumacher.. Auch für den vorliegend besonders interessierenden Bereich mitgliedstaatlicher Kontrollen von Einfuhren entfaltet das implizite Anerkennungsgebot des Art. 30 EGV Wirkung. So judiziert der EuGH eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, bei Gesundheits- oder Sicherheitskontrollen, denen sie Importe an der Grenze im Einklang mit Art. 36 EGV unterziehen73S. EuGH, Rs. 35/76, Slg. 1976, 1871 (1884 ff.) - Simmenthal; Rs. 46/76, Slg. 1977, 5 (16 f.) - Bauhuis; Rs. 251/78, Slg. 1979, 3369 (3387 f.) - Denkavit; verb. Rs. 2 bis 4/82, Slg. 1983, 2973 (2986 f.) - Delhaize; Rs. 190/87, Slg. 1988, 4689 (4720 f., Rdnr. 10 ff.) - Moormann; Rs. C-186/88, Slg. 1989, 3997 (4011 f.) - Geflügel; Rs. C-5/94, Slg. 1996, I-2553 (2611) - Hedley Lomas., sowie allgemein bei der Überwachung der Einhaltung von Verkehrsfähigkeitsvoraussetzungen bereits im Herkunftsland durchgeführte gleichwertige Kontrollen74EuGH, Rs. 132/80, Slg. 1981, 995 (1025) - United Foods; Rs. 272/80, Slg. 1981, 3277 (3291 f.) - Biologische Producten; Rs. 42/82, Slg. 1983, 1013 (1047 ff.) - Kommission/Französische Republik; Rs. 406/85, Slg. 1987, 2525 (2542) - Gofette u. Gilliard; Rs. C-293/94, Slg. 1996, I-3159 (3177) - Brandsma. und erteilte Bescheinigungen75EuGH, Rs. 104/75, Slg. 1976, 613 (636 ff.) - de Peijper; Rs. 251/78, Slg. 1979, 3369 (3391 f.); Rs. 220/81, Slg. 1982, 2349 (2361); Rs. 124/81, Slg. 1983, 203 (239) - UHT-Milch; Rs. 73/84, Slg. 1985, 1013 (1025) - Denkavit Futtermittel; Rs. 50/85, Slg. 1986, 1855 (1868) - Schloh; Rs. 261/85, Slg. 1988, 547 (575 f.) - Kommission/Vereinigtes Königreich; Rs. 25/88, Slg. 1989, 1105 (1129 f.) - Wurmser; Rs. C-293/93, Slg. 1994, I-4249 (4267 ff.) - Houtwipper. zu berücksichtigen76Dazu VerLoren van Themaat, in: Bieber/Dehousse/Pinder/Weiler (Eds.), 1992; One European Market?, 1988, S. 109 (118 f.); Sedemund,NJW 1984, 1268 (1269 f.); Behrens,EuR 1992, 145 (156 f.); oben bei Fn. 17..Der Gedanke eines primärrechtlichen Anerkennungsgebotes in Abhängigkeit von der Wirkung der Grundfreiheiten als Verbote mitgliedstaatlicher Freiverkehrsbehinderungen läßt sich auf die weiteren Grundfreiheiten übertragen. Hinsichtlich der Dienstleistungsfreiheit zeigen sich weitestgehende Übereinstimmungen zum freien Warenverkehr, da der EuGH auch Art. 59 EGV seit der Entscheidung »van Binsbergen«77EuGH, Rs. 33/74, Slg. 1974, 1299 (1308 ff.). in ständiger Rechtsprechung als Verbot unverhältnismäßiger, insbesondere nicht erforderlicher Beschränkungen interpretiert78S. hier nur EuGH, Verb. Rs. 110 und 111/78, Slg. 1979, 35 (52 f.) - van Wesemael; Rs. 52/79, Slg. 1980, 833 (856 f.) - Debauve; Rs. 205/84, Slg. 1986, 3755 (3802 f.) - Kommission/Bundesrepublik Deutschland - Versicherungen; Rs. C-384/93, Slg. 1995, I-1141 (1176 ff.) - Alpine Investments BV; weitere Nachw. zu Rspr. und Schrifttum bei Beyer (Fn. 3), S. 67 f. in Fn. 98.. Somit gilt auch hier der Äquivalenzgrundsatz79Vgl. insb. EuGH, Rs. 279/80, Slg. 1981, 3305 (3325 f.) - Webb; Rs. 205/84, Slg. 1986, 3755 (3808); Beyer (Fn. 3), S. 68 f.. Bezüglich der Personenverkehrsfreiheiten der Art. 48 EGV und Art. 52 EGV sei hier nur auf die Rechtsprechung zur Anerkennung der durch Angehörige eines anderen Gemeinschaftsstaates erworbenen Diplome und Befähigungsnachweise bzw. der Pflicht zur Berücksichtigung der durch sie bescheinigten Kenntnisse und Fähigkeiten in Berufszulassungsverfahren der Mitgliedstaaten verwiesen80Vgl. EuGH, Rs. 71/76, Slg. 1977, 765 (776 ff.) - Thieffry; Rs. 11/77, Slg. 1977, 1199 (1205 f.) - Patrick; Rs. 222/86, Slg. 1987, 4097 (4115 ff.) - Heylens; Rs. C-340/89, Slg. 1991, I-2357 (2383 ff.) - Vlassopoulou; Rs. C-104/91, Slg. 1992, I-3003 (3027 ff.) - Aguirre Borrell u. a.; Rs. C-19/92, Slg. 1993, I-1663 (1697 ff.) - Kraus; Rs. C-319/92, Slg. 1994, I-425 (447 f.) - Haim; Rs. C-375/92, Slg. 1994, I-923 (940 f.) - Kommission/Königreich Spanien - Fremdenführer; Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165 (4197 f.) - Gebhard; Rs. C-164/94, Slg. 1996, I-135 (157 f.) - Aranitis; dazu näher Beyer (Fn. 3), S. 47 f., 70 ff..V. Die EuGH-Entscheidung Faber SektDie bisherigen Überlegungen erlauben nunmehr eine Einordnung des EuGH-Urteils Faber Sekt81EuGH (Fn. 1) - Faber Sekt.. Den Ausgangs-punkt der auf Vorlage des Tribunale civile e penale Ravenna hin ergangenen Vorabentscheidung bildet die Feststellung, daß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2048/89 des Rates vom 19. Juni 1989 mit Grundregeln über die Kontrollen im Weinsektor82Fn. 2. die Mitgliedstaaten verpflichtet, »die erforderlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Kontrolle der Einhaltung« der weinrechtlichen Vorschriften - hier in bezug auf die anzuwendenden önologischen Verfahren83Vgl. Art. 3 Abs. 1 a. E. i. V. m. Anhang der VO Nr. 2048/89. - zu treffen. Art. 3 Abs. 2 S. 1 der VO Nr. 2048/89 führt in diesem Zusammenhang ausdrücklich systematische Kontrollen an. Das gemeinschaftliche Sekundärrecht schließt insoweit eine Kontrollbefugnis der Mitgliedstaaten auch in bezug auf eingeführte Erzeugnisse des Weinsektors nicht aus, ist aber, wie der EuGH zutreffend hervorhebt84EuGH (Fn. 1), Rdnr. 32., seinerseits primärrechtskonform85Zur Bindung des Gemeinschaftsgesetzgebers an die Grundfreiheiten Pernice, Grundrechtsgehalte im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1979, S. 92 ff.; EuGH, Rs. 37/83, Slg. 1984, 1229 (1248 f.) - Rewe; Rs. 240/83, Slg. 1985, 531 (548) - ADBHU., d. h. »möglichst im Einklang mit den Bestimmungen des Vertrages und den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts auszulegen«. Einfuhrkontrollen sind demnach auch im Zusammenhang des Art. 3 der VO Nr. 2048/89 nur gemäß Art. 30 EGV zulässig.Im zugrundeliegenden Fall war Wein, den eine italienische Weinerzeugerin an einen deutschen Schaumweinhersteller verkauft hatte, von den deutschen Behörden beschlagnahmt und nach Italien zurückgesandt worden, nachdem vom Chemischen Untersuchungsamt Trier durchgeführte Analysen ergeben hatten, daß dem Wein Wasser zugesetzt worden war. Im Rahmen der Vorlage fraglich war insbesondere, ob Art. 30 und 36 EGV die Kontrolle eines in einem anderen Mitgliedstaat erzeugten Weines auf dessen Übereinstimmung mit den einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften86Gemäß Art. 15 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 822/87 des Rates vom 16. März 1987 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein, ABl. Nr. L 84/1 v. 27. 3. 1987, ist der Zusatz von Wasser bei Wein als ein nicht zugelassenes önologisches Verfahren i. S. v. Art. 73 der VO Nr. 822/87 verboten. durch den einführenden Mitgliedstaat auch dann gestattet, wenn der Wein von vorschriftsmäßigen Analysezertifikaten begleitet wird, die von im Ursprungsmitgliedstaat ordnungsgemäß zugelassenen Forschungsinstituten ausgestellt wurden.Der Gerichtshof stellt die Beantwortung der Frage explizit87EuGH (Fn. 1), Rdnr. 34. in den Bezugsrahmen seiner bisherigen Rechtsprechung zur Doppelkontrolle88Bei Fn. 73 ff.. So müßten die vom Einfuhrmitgliedstaat »vorgenommenen Kontrollen zur Erreichung der [in den Gemeinschaftsvorschriften, hier: Art. 3 der VO Nr. 2048/89, Anm. des Verf.] genannten Ziele erforderlich sein ... und [dürften] keine Hindernisse für die Einfuhr schaffen ..., die zu diesen Zielen außer Verhältnis stehen«. Daraus folge die Verpflichtung der Behörden des Einfuhrmitgliedstaates, »der Existenz dieser im Ursprungsland des Weines durchgeführten Kontrollen Rechnung zu tragen«. Demgemäß verlange der in der Verordnung Nr. 2048/89 zum Ausdruck kommende »Geist der gegenseitigen Zusammenarbeit und Unterstützung zwischen den nationalen Kontrollbehörden«89Vgl. die Erwägungsgründe und Titel IV der VO Nr. 2048/89., daß »der Einfuhrmitgliedstaat die vom Mitgliedstaat der Erzeugung des Weines ausgestellten Analysezertifikate anerkennt«. Genauer gesprochen90Vgl. den unter I. wiedergegebenen Ls. 3 der Entscheidung., stellt diese vom Gerichtshof statuierte »Anerkennung« aber eine Berücksichtigungspflicht in bezug auf die durch die Analysezertifikate festgestellten Tatsachen dar91Zur Differenzierung oben II. mit Fn. 17.. Kontrollen durch die Behörden des Einfuhrstaates bleiben daher von vornherein schon dann zulässig, wenn sie, wie im Ausgangsverfahren der Fall, durch ergänzende Analysen Eigenschaften des Weines überprüfen, die im Rahmen der im Erzeugungsmitgliedstaat durchgeführten Analyse gar nicht kontrolliert worden sind92So EuGH (Fn. 1), Rdnr. 36.. Darüber hinaus präzisiert der EuGH die bisherige Rechtsprechung dahingehend, »daß eine zweite oder eine ergänzende Analyse gerechtfertigt sein kann, wenn vernünftigerweise anzunehmen ist, daß der Wein nicht den Erfordernissen der Gemeinschaftsvorschriften entspricht«93EuGH (Fn. 1), Rdnr. 35..
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