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EWS 1997, 155
Bülow, Peter 
Bülow, Peter
Beweislast und Beweismaß im Recht der Europäischen Gemeinschaften

EWS 1997, 155 (Heft 5)
Das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes (Art. 100 EGV) und besonders des Binnenmarktes (Art. 100 a, 7 a Abs. 2 EGV) wird auch durch das Privatrecht berührt. Unterschiedliche Reglements in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten können geeignet sein, den Waren- und Dienstleistungsaustausch zu behindern und ungleiche Bedingungen auf dem Binnenmarkt hervorzubringen. Zur Vermeidung dessen kann es geboten sein, privatrechtliche Harmonisierung herbeizuführen; die Entstehung eines europäischen Privatrechts durch Erfassung einzelner Teilgebiete im Wege der durch den Ministerrat der EG (Art. 145 ff. EGV) oder die Kommission (Art. 155 ff. EGV) gemäß Art. 189 Abs. 3 EGV zu erlassenden Richt-linie ist2In praktischer Hinsicht zu vernachlässigen sind Richtlinien der Europäischen Atomgemeinschaft gemäß Art. 161 EAGV, während die Montanunion Richtlinien nicht kennt, Art. 14 EGKSV; die Europäische Union als solche hat weder eigene Rechtspersönlichkeit noch Normsetzungsbefugnis, Müller-Graff,DRiZ 1996, 259 (265)., jenseits aller Überlegungen zur Schaffung eines europäischen Schuldrechts, insbesondere Vertragsrechts3Drobnig, in: Festschrift Steindorff, 1990, S. 1141; Tilmann, in Festschrift Helmrich, 1994, S. 438 (445 ff.); van Miert,EuZW 1990, 401 (404); skeptisch Sandrock,EWS 1994, 1 (5 ff.) und Blaurock,JZ 1994, 270 (274); zum aktuellen Stand und Ausblick Tilmann,ZEuP 1995, 534., zu erahnen4Müller-Graff,NJW 1993, 13; ders., Privatrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht - Gemeinschaftsprivatrecht, 2. Auflage 1991, 27 ff.; Taupitz, Europäische Privatrechtsvereinheitlichung heute und morgen, 1993, 55 ff., 59; Hommelhoff, in: Festschrift Helmrich, 1994, S. 329.. Dagegen sind Fragen des Zivilprozeßrechts bislang5Es gibt jedoch eine Arbeitsgruppe des EG zur Schaffung eines Modellgesetzes einer Europäischen Zivilprozeßordnung, Prütting, in: Festschrift Baumgärtel, 1990, S. 457 (460); ders., in: Schriften des Europainstituts Saarbrücken, Band 271, 17 ff. und in: Hamburger Universitätsreden, Heft 54 (1993), 17 (22 bis 24). nicht Gegenstand von Harmonisierungsmaßnahmen der EG gewesen. Auch das EuGVÜ6Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 1972 II, S. 774; 1982 II, S. 454. ist nicht EG-Recht im eigentlichen Sinne7Kritisch zur Formulierung »Europäisches Recht« Müller-Graff,DRiZ 1996, 259 (265)., sondern ein die Europäische Union überlagerndes völkerrechtliches Abkommen, dessen Vertragsstaaten zugleich Mitgliedstaaten der EG - aber durchaus nicht alle - sind. Mangels europäischer Rechtsharmonisierung8Die gerade in bezug auf das Beweismaß vonnöten ist, Baumgärtel,JZ 1992, 321 (322); Koch,ZHR 152 (1988), 537 (561/562). bleibt es also bei der Geltung der nationalen Zivilprozeßrechte9Unberechtigt die Zweifel von Piper, Transportrecht 1992, 92 (94)..An der Schnittstelle von materiellem Recht und Verfahrensrecht steht die objektive Beweislast; sie spielt in haftungsrechtlichen Richtlinien und Richtlinienvorschlägen der EG als Funktionsbedingung von Gemeinsamem und Binnenmarkt eine hervorragende Rolle; es sind dies die Produkthaftungsrichtlinie, der Vorschlag für eine Dienstleistungshaftungsrichtlinie und der Vorschlag für eine Abfallhaftungsrichtlinie. Einzelne Beweislastregelungen enthalten darüber hinaus die Richtlinie über mißbräuchliche Vertragsklauseln und über Pauschalreisen. Aber auch das Beweismaß als prozessuale Institution ist immerhin sporadisch durch europäisches Sekundärrecht behandelt (unten C).A. BegriffeI. BeweislastDie Frage, wer eine streitige Tatsache, die eine Anspruchsvoraussetzung ausfüllt, beweisen soll, hat ihren Ausgangspunkt in der allgemeinen, in allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten geltenden Regel, nach welcher der Gläubiger die anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen hat und zugleich die Beweislast trägt10Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht, 1996, Rn. 136; ders.,JA 1984, 660 (663); Taschner, Produkthaftungsrichtlinie, 1986, Art. 4 Rn.1; für Dänemark: Vagner, in: Deutsch/Taupitz, Haftung der Dienstleistungsberufe, 1993, 221 f.; Frankreich: Frédéricq, ebenda, 81 ff.; Vereinigtes Königreich: Shaw/Wheeler, ebenda, 13 (30); Italien: Busnelli/Giardina/Ponzanelli, ebenda, 61 (68/69); Portugal: Monteiro, ebenda, 127 ff.; Spanien: Briz, ebenda, 93 (115 ff.); außerdem für die Schweiz: Hausheer, ebenda, 203 (209 f.); Österreich: F. Bydlinski, ebenda, 167 ff.; USA: Herzog, ebenda, 37 (45).; das ist auch der Inhalt der Normentheorie des deutschen Prozessualisten Rosenberg11Die Beweislast, 5. Auflage 1965, S. 98; kritisch zur dogmatischen Begründung Leipold, Beweismaß und Beweislast im Zivilprozeß, 1985, S. 18; dezidiert zur verfassungsrechtlichen Einbettung Reinhardt,NJW 1994, 93 (96 ff.), auch Habscheid, in: Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 1993, 449 (456), skeptisch Huster,NJW 1995, 112.. Vor diesem Hintergrund hätte keine Notwendigkeit bestanden, Vorschriften in die Richtlinien und Richlinienvorschläge aufzunehmen, die diesen Grundsatz wiederholen. Daß dies dennoch geschehen ist, nämlich in Art. 4 Produkthaftungsrichtlinie (§ 1 Abs. 4 Produkthaftungsgesetz der deutschen Transformation) zu Schaden, Produktfehler und Kausalität, in Art. 5 der Dienstleistungsrichtlinie zu Schaden und Kausalität und in Art. 4 Abfallrichtlinie zu Schaden und Kausalität, mag seinen Grund in der Bekräftigung des Richtliniengebers haben, es bei der klassischen Beweislastverteilung zu belassen, sowie in der Abgrenzung zu den abweichenden Regelungen von dieser Beweislastverteilung. So ergibt sich aus Art. 7 der Produkthaftungsrichtlinie (Art. 1 Abs. 2 und 3 ProdHaftG), für welche an sich anspruchsbegründenden Tatsachen der Gläubiger nicht die Beweislast trägt, vielmehr der Hersteller als Schuldner, und daß die Richtlinie auf diese Weise die Vermutung begründet, daß die dort genannten Haftungsausschlußgründe nicht bestehen. Indem Art. 5 des Vorschlags zur Dienstleistungshaftungsrichtlinie die Beweislast für Schaden und Kausalität bekräftigt, wird zugleich deutlich, daß der Gläubiger die Fehlerhaftigkeit der Dienstleistung als eigentliches haftungsauslösendes Moment nicht zu beweisen hat. Vielmehr ist die Fehlerfreiheit Gegenstand der Beweislastumkehr hinsichtlich des Haftungsmerkmals des Verschuldens, das der Dienstleistende durch Beweis der Fehlerfreiheit gemäß Art. 2 Nr. 3 ausschließen kann. Indem Art. 4 Abs. 6 des Abfallrichtlinienvorschlags die Beweislast dem Kläger für Schaden und Kausalität zwischen Abfällen und diesem Schaden (resp. Umweltbeeinträchtigung) auferlegt, wird deutlich, worin die zugleich ausgesprochene Beweiserleichterung für den Kläger liegt, nämlich in der Herabsetzung des Beweismaßes (unten C).Die Bekräftigung der allgemein anerkannten Beweislastverteilungsregel bedeutet andererseits nicht, daß sie in den Richtlinien für alle in Frage kommenden Anspruchsvoraussetzungen ausgesprochen würde. So äußert sich die Produkthaftungsrichtlinie nicht darüber, daß der durch ein Produkt Sachgeschädigte den privaten Charakter der Sache beweisen muß und daß es sich um eine andere Sache als das Produkt selbst handelt12Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, 2. Auflage 1991, § 823 BGB C IV § 1 ProdHaftG Rn. 1., die Dienstleistungsrichtlinie nicht darüber, daß der Geschädigte die Gewerblichkeit der Dienstleistung beweisen muß, die Abfallrichtlinie nicht darüber, daß der Geschädigte die Gewerblichkeit der Tätigkeit zu beweisen hat, durch die der Abfall entsteht. Keine der Richtlinien spricht aus, daß der Geschädigte die Rechtsgutverletzung und auch die diesbezügliche haftungsbegründende Kausalität zu beweisen hat. Als selbstverständlich setzen die Richtlinien und Richtlinienvorschläge auch voraus, daß der Schuldner - Produzent, Dienstleistender, Abfallerzeuger - diejenigen Tatsachen zu beweisen hat, die seine Einwände begründen.II. BeweismaßDie Frage, unter welchen Voraussetzungen der Beweis als geführt anzusehen ist, ob der Richter also wie gemäß§ 286 der deutschen Zivilprozeßordnung (ZPO) nach seiner Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer tatsächlichen Behauptung auszugehen hat oder ob Zweifel daran unschädlich sind, wenn die Wahrscheinlichkeit13Baumgärtel, in: Festschrift Matscher, Wien 1993, S. 29 (34/35); ders., in: Festschrift Sechshundert-Jahrfeier Köln, 1988, S. 165 (176 ff.); ders., in: Grundfragen des Zivilprozeßrechts, 1991, S. 541 (546); Leipold, Beweismaß und Beweislast, S. 6 ff.; Gottwald, Schadenszurechnung und Schadensschätzung, 1979, S. 203 ff. (»Erlebniswahrscheinlichkeit«); ders., in: Karlsruher Forum 1986, S. 3 (13); Kegel, in: Festschrift Kronstein, 1967, S. 322 (333 ff.); Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 60 ff.; Bender, in: Festschrift Baur, 1981, S. 247 (256 ff.); Stürner,NJW 1979, 2334 (2337); RGZ 15, 388; BGH NJW-RR 1994, 567. - welchen Grades auch immer - für die Wahrheit spricht, und ob das subjektive Für-wahr-Halten des Richters oder ein objektiviertes Maß entscheidet14Maassen, Beweismaßprobleme im Schadensersatzprozeß, 1975, S. 23 ff., 32 ff.; Prütting, JA 1985, 313 (315); M. Huber, Das Beweismaß im Zivilprozeß, 1983, S. 69 ff., 77 ff.; BGHZ 53, 245 (256); BGHZ 120, 320 (327); BGH MDR 1994, 766 mit Anm. Baumgärtel; zur Berücksichtigung des »Verhaltens der Parteien« gemäß § 148 Schweiz. ZPO Walder, Zur Normqualifikation im Beweisrecht, in: Festschrift Henckel, 1995, S. 905 (909); im italienischen Recht gilt die Maxime der vollen Gewißheit, von der das italienische Dekret zur Produkthaftung abweicht, Patti, in: Aspekte des Wirtschaftsrechts, 1994, S. 299 (317)., beantwortet kein allgemeiner in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten anerkannter Rechtssatz; ebensowenig bestehen einheitliche Konzeptionen zu Beweiserleichterungen wie in § 287 ZPO oder wie nach den Grundsätzen zum prima facie-Beweis.Das hindert den Richtliniengeber nicht, Regelungen auch über solche Fragen zu treffen, und er hat davon in Art. 7 lit. b der Produkthaftungsrichtlinie (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG) sowie in Art. 4 Abs. 6 des ersten Entwurfs zum Abfallrichtlinienvorschlag Gebrauch gemacht (unten C), indem das Beweismaß im Blick auf den Maßstab von § 286 ZPO herabgesetzt ist. Diese Beweismaßregelungen mögen etwa in der anglo-amerikanischen Rechtsanwendung, die das im Vergleich zum deutschen Recht niedrigere Beweismaß der evidence, der Wahrscheinlichkeit, anlegt15Siehe etwa Herzog, in: Haftung der Dienstleistungsberufe, 1993, S. 37 (45 f.); Maassen, Beweismaßprobleme, S. 43 ff., nur Selbstverständliches ausdrücken.B. Europäisches Recht zur BeweislastI. ProdukthaftungVorreiter einer beweislastrechtlichen Regelung ist die Richtlinie über die Haftung für fehlerhafte Produkte vom 25. 7. 1985 (85/374/EWG)16ABlEG L 210/39 vom 7. 8. 1985.. Nach deren Art. 1 haftet der Hersteller eines Produkts für den Schaden, der durch einen Fehler dieses Produkts entstanden ist. Verschulden des Herstellers ist nicht Anspruchsvoraussetzung17Zur Frage, ob es sich um eine Gefährdungshaftung oder um eine verschuldenslose Unrechtshaftung handelt, Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1199) einerseits, Taschner, NJW 1986, 611 (612), Hager, JZ 1990, 397 (398) andererseits, differenzierend nach der Art der Fehler Kötz, in: Festschrift Lorenz, 1991, S. 109 (112 ff.).. Weitergehende vertragliche oder deliktische Ansprüche nach nationalen Rechten bleiben durch die Richtlinie unberührt (Art. 13 sowie § 15 Abs. 2 ProdHaftG). Die Beweislastverteilung zwischen geschädigtem Gläubiger und Hersteller ist in Art. 4 und 7 geregelt. Nach Art. 4 hat der Geschädigte den Schaden, den Fehler und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden zu beweisen (§ 1 Abs. 4 Satz 1 ProdHaftG). Das entspricht der allgemeinen, in den Mitgliedstaaten anerkannten Regel, nach welcher der Gläuber alle Tatsachen, die seinen Anspruch begründen, darlegen und gegebenenfalls beweisen muß. Zu den anspruchsbegründenden Tatsachen zählt an sich auch, daß der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, dieses im Zeitpunkt des Inverkehrbringens fehlerhaft war und die weiteren Umstände gegeben beziehungsweise ausgeschlossen sind, die in Art. 7 lit. a bis f der Richtlinie beziehungsweise in § 1 Abs. 2, 3 ProdHaftG aufgeführt sind. Für diese Umstände liegt die Last des Beweises jedoch gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 ProdHaftG auf dem Hersteller. Der Geschädigte hat also zu beweisen18Im einzelnen Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, Band 1, § 823 BGB Anhang C IV, § 1 ProdHaftG Rn. 12 ff.,- daß das schadenstiftende Produkt (Art. 2 Richtlinie, § 2 ProdHaftG) dem Hersteller zuzuordnen ist,- daß das Produkt im Zeitpunkt des Schadensfalls einen Fehler aufwies,- daß er einen nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG ersatzfähigen Schaden erlitt und- daß der Produktfehler für den Schaden ursächlich war19Im Fall von Instruktionsfehlern bleibt es - anders als im vertraglichen Bereich, unten II - nach der umstrittenen (siehe nur Baumgärtel, JA 1984, 660, 668) Rechtsprechung des BGH (NJW 1975, 1827 zu II 2 c bb; 1980, 1155 zu II 2 c) bei der Last des Beweises auf dem geschädigten Gläubiger, er hätte die Instruktion beachtet, so daß es zu einem anderen hypothetischen Kausalverlauf gekommen wäre, Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, Band 1, § 823 BGB Anhang C II Rn. 18; Tiedtke, in: Festschrift Gernhuber, 1993, S. 471 (486)..Der Hersteller kann sich entlasten, wenn er beweist,- daß das Produkt, welches im Zeitpunkt des Schadensfalls einen Fehler aufwies, im Zeitpunkt des Inverkehrbringens diesen Fehler nicht hatte (der Fehler also danach eingetreten sein muß); für diesen Beweis ist das Beweismaß herabgesetzt, indem es genügt, daß »nach den Umständen« (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG) von der Fehlerfreiheit auszugehen ist (unten C),- daß er das ihm zuzuordnende Produkt dennoch nicht in den Verkehr gebracht hatte,- daß das Produkt nicht kommerziell hergestellt beziehungsweise vertrieben worden war,- daß das Produkt zwingenden Rechtsvorschriften entsprochen hatte und- der Fehler ein nicht erkennbarer Entwicklungsfehler war.Indem die Haftung verschuldensunabhängig ausgestaltet ist, erübrigt sich eine diesbezügliche Regelung zur Beweislast. Da die Produkthaftungsrichtlinie Bagatell- und Höchstgrenzen kennt (Art. 9 lit. b, 16, §§ 11, 10 ProdHaftG), die Schädigung gewerblicher Sachen (Art. 9 Abs. 1 Richtlinie, § 1 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG) und das Produkt selbst (Weiterfresserproblematik) sowie immaterielle Schäden (Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie) nicht erfaßt, ebensowenig Produktbeobachtungsfehler, und besondere Verjährungs- und Ausschlußfristen gelten (Art. 10 Richtlinie, §§ 12, 13 ProdHaftG), bleibt Raum (Art. 13 der Richtlinie, § 15 ProdHaftG) für eine Subsumtion der Produkthaftung unter allgemeines Deliktsrecht, welches gemäß § 823 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verschuldensabhängig ist. Die deliktische Produkthaftung ist dadurch geprägt, daß der Hersteller die Beweislast dafür trägt, ihn treffe hinsichtlich des Fehlerskein Verschulden20Allerdings ist die Frage gestellt worden, ob die Beweislastumkehr im allgemeinen Deliktsrecht nicht durch die Teilerfassung der Problematik im ProdHaftG obsolet geworden sein könnte, Marburger, AcP 192 (1992), 1 (14 ff.); Lammerich, Die Rechtsnatur der neuen Produkthaftung und ihr Verhältnis zur richterlichen Exkulpationshaftung nach § 823 Abs. 1 BGB, Dissertation Trier 1994, S. 19 ff.; zweifelnd auch Honsell, JuS 1995, 211 (214 f.); verneinend Tiedtke, in: Festschrift Gernhuber, 1993, S. 471 (485); im einzelnen Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, Band 1, § 823 BGB Anhang C III Rn. 5.. Diese Entlastungsmöglichkeit hat der Hersteller nach Produkthaftungsrichtlinie und ProdHaftG systemgemäß nicht. Außerdem obliegt dem Geschädigten nach § 823 Abs. 1 BGB der Beweis, daß das schadenstiftende Produkt den Fehler schon im Zeitpunkt des Inverkehrbringens hatte, während der Hersteller, wenn er sich nach den Regeln des ProdHaftG entlasten will, beweisen muß, daß der Fehler noch nicht vorhanden war. Insgesamt sind die Unterschiede der Beweislastverteilung in beiden Reglements nicht groß21Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, Band 1, § 823 BGB Anhang C IV Rn. 21; Reich, Europäisches Verbraucherschutzrecht, 2. Auflage 1993, Tz. 196; Brüggemeier, ZHR 152 (1988), 511 (535)..II. DienstleistungshaftungNach Art. 1 Nr. 1 des - inzwischen freilich zurückgestellten, aber nicht aufgegebenen - Vorschlags für eine Richtlinie des Rates über die Haftung bei Dienstleistungen vom 9. 11. 199022ABlEG Nr. 12/8 vom 18. 1. 1991 = BT-Drucks. 12/180; Mitteilung der Kommission vom 23. 6. 1994 KOM (94) 260 endg. mit Glosse Basedow, ZEuP 1995, 1 und Bangemann, ZEuP 1994, 377. Der Text von Art. 1 und 5 des Richtlinienvorschlags lautet:Artikel 1Grundsatz1. Der Dienstleistende haftet für den Schaden, der durch sein Verschulden bei Erbringung der Dienstleistung an Gesundheit und körperlicher Unversehrtheit der Personen sowie an der Unversehrtheit beweglicher oder unbeweglicher Sachen, einschließlich solcher, die Gegenstand der Dienstleistung sind, verursacht worden ist.2. Es obliegt dem Dienstleistenden, sein Nichtverschulden zu beweisen.3. Bei der Beurteilung des Verschuldens ist zu berücksichtigen, ob das Verhalten des Dienstleistenden unter normalen und vorhersehbaren Bedingungen die Sicherheit gewährleistet, die berechtigterweise erwartet werden kann.4. Die Tatsache allein, daß es zum Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistung oder danach eine bessere Dienstleistung gab oder die Möglichkeit dazu bestand, begründet kein Verschulden.Artikel 5BeweiseDer Geschädigte hat den Schaden und den Kausalzusammenhang zwischen der Dienstleistung und dem Schaden zu beweisen. haftet der Dienstleistende für den Schaden, der durch sein Verschulden bei der Erbringung der Dienstleistung an Gesundheit und körperlicher Unversehrtheit der Personen sowie an der Unversehrtheit beweglicher oder unbeweglicher Sachen, einschließlich solcher, die Gegenstand der Dienstleistung sind, verursacht worden sind. Normadressaten sind der Dienstleistende und der Geschädigte. Tatbestandsvorausetzungen des Schadensersatzanspruchs sind außerdem die Erbringung der Dienstleistung, die Rechtsgutverletzung, der Schaden, die Ursächlichkeit der Dienstleistung für den Schaden und schließlich das Verschulden des Dienstleistenden. Vorschriften zur Beweislast enthalten Art. 1 Nr. 2, wonach der Dienstleistende sein Nichtverschulden zu beweisen hat (mit Konkretisierungen durch Nrn. 3 und 4), und Art. 5, wonach der Geschädigte den Schaden und den Kausalzusammenhang zwischen der Dienstleistung und dem Schaden (Art. 4) zu beweisen hat. Zur Beweislast hinsichtlich der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen gibt es keine besonderen Vorschriften. Insoweit bleibt es bei der in der Gemeinschaft überall geltenden Grundregel, nach welcher derjenige Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat, der aus ihnen eine für sich selbst günstige Rechtsfolge herleiten will. Danach ist der Geschädigte für die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen beweisbelastet.1. SchadenDer Dienstleistende haftet gemäß Art. 1 Nr. 1 des Richtlinienvorschlages nur für denjenigen Schaden, der bei Erbringung der Dienstleistung verursacht worden ist. Er haftet nicht für jeden durch die Dienstleistung verursachten Schaden, sondern nur für denjenigen, der an Gesundheit und körperlicher Unversehrtheit der Personen sowie an der Unversehrtheit beweglicher und unbeweglicher Sachen, einschließlich solcher, die Gegenstand der Dienstleistung sind, entstanden war. Damit sind primäre bloße Vermögensschäden (aber nicht sekundäre) ausgeschlossen. Die Richtlinie dient dem Schutz der Unversehrtheit von Personen und ihrem Privateigentum, aber nicht dem Schutz vor wirtschaftlichen Schäden23BT-Drucks. 12/180, S. 14 zu Art. 2; Deutsch, Karlsruher Forum 1992, S. 12.. Der Begriff des Schadens ist näher durch Art. 4 definiert und knüpft einerseits an deliktsrechtliche Vorstellungen, andererseits an das produkthaftungsrechtliche Vorbild zum Ausschluß gewerblich genutzten Eigentums in § 1 Abs. 2 Satz 2 ProdHaftG beziehungsweise Art. 9 Abs. 1 lit. b Produkthaftungsrichtlinie an24Amtlicher Kommentar zu Art. 4, BT-Drucksache 12/180, S. 15 zu 4.. Die deliktsrechtliche Anknüpfung liegt darin, daß der Schaden durch eine Rechtsgutverletzung verursacht worden sein muß.Eine Aufteilung des Kausalitätstatbestandes, der sich auf Handlung und Rechtsgutverletzung einerseits bezieht und auf Rechtsgutverletzung und Schaden andererseits (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität), macht der Richtlinienvorschlag nicht, sondern regelt in Art. 5 nur die Beweislast für die Kausalität zwischen Dienstleistung und Schaden25Worin eine Entlehnung aus dem französischen Recht gesehen wird, von Bar, in: Festschrift Lange, 1992, S. 373 (377/378); Deutsch, Karlsruher Forum 1992, S. 13 sowie 1990, 454; Gaidzik, JR 1992, 323 (324).. Indem die Haftung jedoch auf Schäden beschränkt ist, die auf bestimmten Rechtsgutverletzungen beruhen, ist die haftungsbegründende Kausalität Teil des Tatbestandes und ebenso die haftungsausfüllende Kausalität26Ebenso Arens, ZZP Band 104 (1991), 122 (127)., für die dem Richtlinienvorschlag ein spezifisches, hier nicht näher zu vertiefendes Zurechnungsreglement zu entnehmen ist. Der Zurechnungstatbestand für das Verschulden ergibt sich aus Art. 1 Nr. 3, wonach es auf die berechtigte Erwartung im Hinblick auf den Sicherheitsstandard ankommt. Gewährleistung von Sicherheit bedeutet nichts anderes als Sicherheit in bezug auf die geschützten Rechtsgüter27Zweifelnd allerdings von Bar, in: Festschrift Lange, 1992, S. 373 (377/378)..2. KausalzusammenhangGemäß Art. 5 des Richtlinienvorschlages hat der Geschädigte den Schaden und den Kausalzusammenhang zwischen der Dienstleistung und dem Schaden zu beweisen.a) Auswirkungen der Verschuldensregelung auf die KausalitätKernstück des Richtlinienvorschlags ist28BT-Drucks. 12/180, S. 11 zu 1.5., daß der Geschädigte nicht das Verschulden des Dienstleistenden zubeweisen hat, sondern umgekehrt gemäß Art. 1 Nr. 2 der Dienstleistende sein Nichtverschulden (nachf. 3.). Darin erschöpft sich die Umkehr der Beweislast aber nicht. Sie wirkt sich vielmehr auch auf die Kausalität aus (nachf. b.). Die Beweislastverteilung aus Art. 5 bezieht sich nämlich nur auf den Ursachenzusammenhang zwischen der Dienstleistung als solcher und dem Schaden, nicht aber auf die Fehlerhaftigkeit der Dienstleistung. Vielmehr findet eine doppelte Umkehr der Beweislast statt, indem der Dienstleistende den Beweis seines Nichtverschuldens (Art. 1 Nr. 3) darauf gründen kann, daß sein Verhalten unter normalen vorhersehbaren Bedingungen die Sicherheit gewährleistet, die berechtigterweise erwartet werden kann und insoweit pflichtgemäß und fehlerfrei ist. Mit dem Verweis auf den Begriff der berechtigten Erwartung will der Entwurf die Unterscheidung zwischen erfolgs- und verhaltensbezogener Haftung, die durch diese doppelte Beweislastumkehr aufgehoben ist29Baumgärtel, JZ 1992, 321, 322; Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1198); Ewich, Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer 1991, 73; Frietsch, DB 1992, 929 (933); von Craushaar, in: Festschrift Arens, 1993, S. 19 (23, 27); Hübner, Symposion Haftungsrecht und Haftpflichtversicherung, 1992, S. 31 (38)., auffangen.b) Äquivalenz, nicht AdäquanzNach dem Konzept des Entwurfs genügt für die Verurteilung des beklagten Dienstleistenden, der sein Nichtverschulden nicht beweist, mithin der Beweis des aufgrund Rechtsgutverletzung entstandenen Schadens und daß die Rechtsgutverletzung auf der Dienstleistung beruhte, auch wenn nicht feststeht beziehungsweise nicht bewiesen ist, ob die Dienstleistung fehlerhaft war. Damit stellt sich die Frage, welcher Kausalitätsbegriff dem Richtlinienvorschlag zugrunde liegt. Legt man Art. 5 den Maßstab der adäquaten Kausalität zugrunde, ist die Frage zu stellen, ob die Dienstleistung im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet war, einen Schaden dieser Art herbeizuführen30RGZ 158, 34 (38); BGHZ 7, 198 (204); BGH JZ 1972, 438 zu I. 3. a bb mit Anmerkung Lieb S. 432; NJW 1976, 1146 zu II 2. b aa., anders gewendet, ob die Dienstleistung die objektive Möglichkeit des Schadens generell in nicht unerheblicher Weise erhöht31BGHZ 3, 261 (265); BGH NJW 1986, 1329 zu II. 4. b; RGZ 69, 59., beziehungsweise ob auf der anderen Seite der Schaden nicht nur aufgrund einer ganz ungewöhnlichen Verkettung von Umständen eintreten konnte32RGZ 152, 397 (401 f.); 168, 86; (88); BGH NJW 1951, 596 mit Anmerkung Coing; Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 14. Auflage 1987, § 27 II b 1. (S. 435 ff.).. Diese Frage kann nur beantwortet werden, wenn die Fehlerhaftigkeit dieser Dienstleistung feststeht33BaumgärtelJZ 1992, 321 (322); Hofstetter, ZSchweizR 114 (1995), 337 (340).. Daß nämlich die Dienstleistung als solche, das heißt auch bei Fehlerfreiheit, zum Schaden führen kann, reicht gerade nicht zur Feststellung der Adäquanz aus. Da der Dienstleistende aber andererseits gerade auch dann soll verurteilt werden können, wenn der Beweis der Fehlerhaftigkeit ausbleibt oder der Gegenbeweis der Fehlerfreiheit vom Dienstleistenden nicht geführt werden kann, kann Maßstab der Kausalität in Art. 5 nur die Äquivalenz sein, so daß der Geschädigte den Beweis geführt hat, wenn zur Überzeugung des Gerichts feststeht, daß die Dienstleistung conditio sine qua non für Rechtsgutverletzung und Schaden war.c) FremdursachenDer Maßstab der Äquivalenz mag eine Ausuferung der Haftung befürchten lassen: Der Gast erleidet eine Magenverstimmung nach einem Restaurantbesuch, nach einer Reparatur wird die in Gang gesetzte Maschine beschädigt34Beispiele von Heinemann, ZIP 1991, 1153 (1199)., oder sie funktioniert nach dem Transport nicht mehr; das gerade aus der Reparaturwerkstatt geholte Auto weist neue Mängel auf. Die Dienstleistung wird meist conditio sine qua non sein, aber der Schaden kann auch auf Fremdursachen beruhen. Jenseits des Wortlauts von Art. 5 wäre daran zu denken, den Geschädigten mit dem Beweis zu belasten, daß alle ernstlich in Betracht kommenden Fremdursachen auszuschalten sind35So Deutsch, Karlsruher Forum 1992, S. 11; Heinemann, ZIP 1991, 1153 (1199).. Auf diese Weise würden aber die Beweisnöte beim Geschädigten wieder virulent gemacht, die durch die Umkehr der Beweislast hinsichtlich des Verschuldens gerade vermieden werden sollen. Typischerweise, wenn auch nicht immer, gilt für Fremdursachen gleichermaßen wie für das Verschulden, »daß es für einen Geschädigten sehr schwierig ist, bei einem Schaden infolge einer fehlerhaften Dienstleistung das Verschulden des Dienstleistenden zu beweisen, während sich der Fachmann, der über mehr Fachkenntnisse verfügt, in einer sehr viel besseren Position befindet, um das Gegenteil zu beweisen«36BT-Drucks. 12/180, S. 11 zu I.5. - eine für sich allein in verfassungsrechtlicher Sicht (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) freilich fragwürdige bloße Billigkeits- und Bequemlichkeitserwägung: Reinhardt, NJW 1994, 93 (97), zweifelnd Schuster, NJW 1995, 112.: Die Fremdursache auszuschließen fällt dem Fachmann gleichermaßen leichter. Natürlich steht es dem Dienstleistenden frei, einen anderen Kausalverlauf darzulegen und zu beweisen, wie auch der Verletzer nach höchstrichterlicher Rechtsprechung in Deutschland bei Verletzung einer vertraglichen Aufklärungs-, Warn- oder Beratungspflicht die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, daß sich der Verletzte bei pflichtgemäßer Belehrung nicht anders verhalten hätte, als er sich ohne die Verletzung tatsächlich verhalten hat37BGH NJW 1990, 2127 zu II. 2. a.; 1978, 41 zu II. 2.; vorausgesetzt ist allerdings, daß es für den aufzuklärenden Gläubiger vernünftigerweise nur eine bestimmte Möglichkeit der Reaktion auf die vollständige Aufklärung gibt und die Möglichkeit eines Entscheidungskonflikts ausscheidet, BGH NJW 1994, 2541 II. 2. mit Komm. Bülow, EWiR § 286 ZPO 1/94, 9920, Anm. Menck, WuB I D 3 - 7.94 sowie Erläuterung Michel, WiB 1994, 790; BGHZ 124, 151 (XI. Zivilsenat); OLG Köln NJW-RR 1995, 112; der IX. Zivilsenat wendet bei rechtlichen Beratern lediglich die Grundsätze zum Anscheinsbeweis an, BGHZ 123, 311 (315 unter Berufung auf Heinemann, NJW 1990, 2345 (2352), gleicher Ansicht Grunewald, ZIP 1994, 1162, 1165); 126, 217 (223); NJW 1995, 449 zu I. 3. a; Stoll, AcP 176 (1976), 146 (158); für die Anwendung auch hinsichtlich Instruktionspflichten bei der Produkthaftung Baumgärtel, JA 1984, 660 (668)., also die Beweislast für den von ihm behaupteten hypothetischen Kausalverlauf trägt. Diese beweisrechtliche Sonderbehandlung in den genannten Fallgruppen verallgemeinert der Richtlinienvorschlag für den Bereich der Dienstleistungshaftung. Es dürfte also dabei bleiben müssen, daß der Geschädigte dem Wortlaut von Art. 5 gemäß lediglich die Kausalität, die nur die äquivalente sein kann, zu beweisen hat, aber nicht die Abwesenheit von Fremdursachen. Das Korrektiv für den beweisbelasteten Dienstleistenden liegt zunächst darin, daß ihm offenkundige Tatsachen typischerweise leicht beweisbar sein werden, zweifelhafte Tatsachen dagegen den Anspruch des Geschädigten gerade nicht relativieren sollen und im übrigen darin,daß das Maß des Verschuldens gemäß Art. 1 Nr. 3 die berechtigte Erwartung an die Dienstleistungssicherheit ist, der Dienstleistende also durch den Nachweis, Verhaltenspflichten eingehalten zu haben, das Gericht von seinem Nichtverschulden überzeugen kann. Er kann im Hinblick auf die Dienstleistungsrichtlinie insoweit disponieren, zum Beispiel durch entsprechende Dokumentation (dazu auch unten zu 3. e. und 4. a.).d) SchadenWas die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Rechtsgutverletzung und Schaden betrifft, genügt Äquivalenz, sofern sich der Schaden im Schutzbereich der Dienstleistungsrichtlinie befindet, so daß Schäden aufgrund kausaler, aber nicht geschützer Rechtsgutverletzungen ebenso ausscheiden wie lediglich wirtschaftliche Schäden, auch wenn sie auf der Verletzung eines Rechtsguts - Leben, Körper, Privateigentum - beruhen.3. VerschuldenGemäß Art. 1 Nr. 2 obliegt es dem Dienstleistenden, sein Nichtverschulden zu beweisen. Die Dienstleistungshaftung soll also nicht als Gefährdungshaftung, sondern als Verschuldenshaftung mit Umkehr der Beweislast ausgestaltet werden. Der Dienstleistende, dem der Schaden aufgrund Rechtsgutverletzung, die ihrerseits auf der Dienstleistung beruht, nachgewiesen wurde, haftet folglich nicht, wenn er die Rechtsgutverletzung weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeiführte.a) Berechtigte VerbrauchererwartungWas unter Verschulden im Hinblick auf den vor allem interessierenden Fahrlässigkeitsbegriff zu verstehen ist, schreibt Art. 1 Nr. 3 fest. Danach ist bei der Beurteilung des Verschuldens zu berücksichtigen, ob das Verhalten des Dienstleistenden unter normalen und vorhersehbaren Bedingungen die Sicherheit gewährleistet, die berechtigterweise erwartet werden kann. Es kommt also, dem zivilrechtlichen Grundsatz aus § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend, auf die objektive Pflichtwidrigkeit an. Danach zu treffende Differenzierungen in Erfolgs- oder Sorgfaltsschulden, in erfolgs- oder verhaltensbezogene Haftung38Larenz, Festschrift Hauß, 1978, S. 225 (232); Stoll, AcP 176 (1976), 146 (161 ff.) und in: Festschrift von Hippel, 1967, S. 516 (539). gibt der Richtlinienvorschlag auf39Baumgärtel, JZ 1992, 321 (322); Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1198); von Craushaar, in: Festschrift Arens, 1993, S. 19 (27). und verweist auf den Begriff der berechtigten Erwartung des Verbrauchers hinsichtlich der Dienstleistungssicherheit, wie es in der Begründung heißt40BT-Drucks. 12/180, S. 11 zu I. 1. 5.. Darüber hinaus bestimmt Art. 1 Nr. 4, daß der Entlastungsbeweis des Dienstleistenden nicht scheitert, wenn es zum Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistung oder danach eine bessere Dienstleistung gab oder die Möglichkeit dazu bestand.Anders als im Produkthaftungsrecht (§ 1 Abs. 4 Satz 1 ProdHaftG, Art. 4 Produkthaftungsrichtlinie), als im allgemeinen Deliktsrecht, aber auch anders als im vertraglichen Schadensersatzrecht ist der Dienstleistende folglich auch hinsichtlich der objektiven Pflichtwidrigkeit beweisbelastet, indem er sich nur mit pflichtgemäßer Leistung entlasten kann. Gelingt ihm das nicht, haftet er, sofern der Geschädigte die äquivalente Kausalität zwischen Dienstleistung und Schaden beweist, auch wenn die Dienstleistung möglicherweise fehlerfrei und pflichtgemäß war. Dies entspricht der Absicht der Richtlinienverfasser.b) EntlastungsbeweisKernbegriff der Entlastung ist die berechtigte Erwartung des Dienstleistungsberechtigten und aller, die mit der Dienstleistung in Berührung kommen, an die Dienstleistungssicherheit. Daraus folgt zunächst eine Beschränkung der Entlastungsobliegenheit des Dienstleistenden. Er braucht nicht die Fehlerfreiheit der Dienstleistung schlechthin, sondern nur im Hinblick auf die Abwesenheit sicherheitstechnischer Mängel41BT-Drucks. 12/180, S. 11 zu I. 1.5; der Dienstleistende muß also nicht »die Einhaltung der Sorgfalt rundum dartun«, so aber Deutsch, Karlsruher Forum 1992, S. 11. Es handelt sich um eine Art von Exkulpation, Joerges/Brüggemeier, in: Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 1993, S. 233 (269). zu beweisen. Kann der Dienstleistende einzelne Mängel nicht ausschließen, also ihre Abwesenheit nicht beweisen, ist der Dienstleistungsmangel aber lediglich geeignet, Vermögensschäden oder sonst nicht vom Normzweck erfaßte Schäden zu verursachen, kann die Entlastung dennoch möglich sein, dann nämlich, wenn er Fehlerfreiheit insoweit beweist, daß gerade die von Art. 4 erfaßten, nämlich auf Rechtsgutverletzungen beruhenden Schäden - unter normalen und vorhersehbaren Bedingungen - nicht eintreten können. Der Dienstleistungsmangel, der lediglich zu Vermögensschäden führt, ist nicht Gegenstand des Richtlinienvorschlages, sondern des allgemeinen nationalen Gewährleistungs- und Deliktsrechts. Der Dienstleistende braucht sich also nur hinsichtlich solcher Dienstleistungsfehler zu entlasten, die die Rechtsgutverletzung herbeiführen könnten.Wann in dieser begrenzten Sicht auf sicherheitstechnische Mängel die berechtigte Erwartung erfüllt wird, beurteilt sich, wie die amtliche Begründung formuliert, »vor allem unter Berücksichtigung der Art der Dienstleistung, ihrer Zielsetzung und Bestimmung, der einschlägigen Gesetze und Vorschriften, der Angaben der Anbieter, der Bestimmung des vom Verbraucher geschlossenen Vertrages und so weiter«42BT-Drucks. 12/180; ähnlich auf der Rechtswidrigkeitsebene BGHZ 24, 21 (27 ff.)..So darf die Dienstleistung, die in einem anläßlich eines Restaurantbesuchs bestellten Essen besteht, nicht zu einer Magenverstimmung führen und muß lebensmittel- und gaststättenrechtliche Vorschriften beachten. Ihrer Art und den Bestimmungen des Vertrages entsprechend kann die Dienstleistung fehlerfrei sein, auch wenn sie für empfindliche Mägen nicht zu empfehlen ist, so z. B. bei dem Angebot exotischer Speisen, anders aber, wenn in einer gewöhnlichen Gaststätte auf der Speisekarte eine exotische, vielleicht scharf gewürzte Speise nicht besonders gekennzeichnet wird. Der dienstleistende Gastwirt hat den Beweis zu führen, daß er weder verdorbene Speisen verwandte noch sonst die Gesundheit des Gastes gefährdende Handlungen vornahm43So schon - entgegen Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1199 Fn. 67) - die bisherige Rechtsprechung, RG Warneyer 1929, Nr. 159, S. 295, 296: Nadel in Blaukraut; RGZ 97, 116: Verwechslung einer Mineralwasserflasche mit Salmiakgeist; OLG Düsseldorf MDR 1964, 323: verdorbener Fisch..Die Erwartung, daß durch die Dienstleistung Rechtsgüter des Verbrauchers nicht verletzt werden, ist eine Mini-malerwartung, die durch vertragliche Vereinbarungen nicht eingeschränkt werden kann, d. h. gemäß Art. 7 des Richtlinienvorschlags nicht disponibel ist. Nach Lage des Einzelfalles mag die an sich unerhebliche vertragliche Bestimmung aber den Einwand des Mitverschuldens nach Art. 6 Nr. 2 begründen. Um im Beispiel zu bleiben: Besteht der Gast darauf, den giftigen Kugel-Fisch Furu aus japanischen Gewässern - verbotenerweise, § 17 Abs. 1 Nr. 1 Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) - serviert zu bekommen, bei dem die Gefahr nicht leicht beherrschbar ist, daß doch giftige Bestandteile ins Essen gelangen, mag darin eine Einwilligung in das Restrisiko liegen; sie ist als vertragliche Haftungsbeschränkung nichtig und läßt die Haftung an sich unberührt. Indem der Gast als späterer Geschädigter auf der Mahlzeit besteht, wird darin aber ein Verschulden gegen sich selbst, ein Mitverschulden i. S. v. Art. 6 Nr. 2, liegen.c) Normale BedingungenDie berechtigte Erwartung an die Dienstleistungssicherheit bezieht sich nur auf normale Bedingungen. Der Dienstleistende kann sich also dadurch entlasten, daß er beweist, die Rechtsgutverletzung sei nur aus dem Grunde entstanden, daß die Bedingungen extrem waren. Für die Gesundheitsbeeinträchtigung eines Gastes, der unter chronischen Magengeschwüren leidet, welche sich durch die Speise aktualisieren, haftet der Gastwirt nicht, auch wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, die Speise für einen erkrankten Magen verträglich herzustellen. Die Normalität der Bedingungen richtet sich nach der Art der Dienstleistung. Sie ist in einem Diätrestaurant anders zu bewerten als in einem gewöhnlichen Restaurant oder andererseits gar in einem exotischen Restaurant. Sobald die körperliche Unversehrtheit unabhängig von der Speise beeinträchtigt wird, vielmehr aufgrund der Empfindlichkeit des Gastes gestört gewesen wäre, handelt es sich um eine Fremdursache, für deren Vorhandensein der Dienstleistende die Beweislast trägt (oben 2. c.), also um ein Kausalitätsproblem. Unabhängig davon kann sich der Dienstleistende entlasten, wenn er die berechtigten Erwartungen erfüllt.d) SchutzstandardsWährend in der Produkthaftung der Stand von Wissenschaft und Technik Maß der Verbrauchererwartung ist (vergleiche Art. 7 lit. 3 Produkthaftungsrichtlinie, § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG) und gemäß § 3 Abs. 2 ProdHaftG ein erst später verbessertes Produkt die Fehlerhaftigkeit nicht begründet, geht der Richtlinienvorschlag davon aus, daß es mehrere Arten von Schutzstandards unterschiedlicher Qualität geben kann, die dennoch alle die berechtigten Erwartungen erfüllen. Das folgt aus Art. 1 Nr. 4, wonach die Tatsache allein, daß es bessere Dienstleistungen oder die Möglichkeit dazu gab, die Entlastung nicht hindert, auch wenn diese Möglichkeit schon im Zeitpunkt der Leistungserbringung bestand. Auch überkommene Methoden können entlasten44Keine Maximalerwartung: Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1199/1200)., wenn auch sie noch innerhalb des Erwartungsbereichs angesiedelt sind. Erst wenn eine überkommene Methode der Dienstleistung veraltet ist, sich z. B. Sicherheitsmängel herausgestellt haben, und deshalb erwartet werden kann, sie werde nicht mehr angewandt werden, scheitert die Entlastung. Die Tatsache einer besseren Dienstleistung allein begründet dehalb kein Verschulden; die Tatsache einer besseren Dienstleistung aber zusammen mit der Tatsache, daß sich die Methode der tatsächlich erbrachten Dienstleistung als risikohaft erwiesen hat, kann die berechtigte Erwartung begründen, diese Art der Dienstleistung werde nicht mehr erbracht. Daraus kann sich ergeben, daß, z. B. im Falle ärztlicher Dienstleistungen, die Anwendung einer veralteten Methode sehr wohl45Deutsch, Karlsruher Forum 1992, S. 10; skeptisch Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1200). das Verschulden begründen kann.e) DokumentationDie Beweisführung für den zu erwartenden Sicherheitsstandard wird häufig im Sachverständigenbeweis liegen. Ob das tatsächliche Verhalten des Dienstleistenden danach feststehenden Schutzstandards entsprochen hatte, ist allen Beweismitteln, wie z. B. dem Zeugenbeweis durch Vernehmung von Mitarbeitern des Dienstleistenden, zugänglich, insbesondere aber auch der Dokumentation über Tätigkeitsabläufe, die der Dienstleistende vorbeugend anlegen kann, z. B. über den Einkauf und die Lagerung von Lebensmitteln, die Instruktion von Gehilfen des Vertragspartners oder sogar später geschädigter Dritter.4. SonderbereicheDie Dienstleistungsrichtlinie soll als horizontale Richtlinie für alle Dienstleistungen gelten. Allerdings ist daran gedacht, für einzelne Bereiche von Dienstleistungen besondere, auf der Dienstleistungsrichtlinie fußende vertikale Richtlinien zu erarbeiten; Vorschläge liegen bislang nicht vor. Die ins Auge gefaßten Sonderbereiche sind diejenigen Dienstleistungen, die sich auf die Gesundheit einerseits und das Bauwesen andererseits beziehen46Mitteilung der Kommission vom 23. 6. 1994, oben Fn. 21, und Schalast/Voigtländer/Tetzner, Versicherungsrecht (VersR) 1994, 1266; Antwort auf Anfrage im Europäischen Parlament (993/92), ZEuP 1993, 93, 383 f.; Deutsch, Karlsruher Forum 1992, S. 8; Brüggemeier, ZSchweizR 112 (1993), S. 419 (420).. Die Rechtsfolgen, die sich ergeben, wenn man die horizontale Dienstleistungsrichtlinie zugrunde legt, seien kurz dargestellt.a) ArztErleidet der Patient durch die Behandlung des Arztes einen Körper- oder Gesundheitsschaden, reicht gemäß Art. 5 der vorgeschlagenen Dienstleistungsrichtlinie der Beweis äquivalenter Kausalität aus. Es ist Sache des Arztes als Dienstleistender, die Schicksalhaftigkeit47BGH NJW 1980, 1333 zu I. 1. des Schadenseintrits als Fremdursache zu beweisen. Kann der Arzt sein Nichtverschulden insoweit beweisen, als die Behandlung als solche den berechtigten Erwartungen entsprach (Art. 1 Nr. 3), kann er aber ein Aufklärungsverschulden nicht ausräumen, trägt er die Beweislast dafür, daß der geschädigte Patient die Behandlung auch bei gehöriger Aufklärung hätte durchführen lassen. Allerdings ist umstritten, ob Art. 5 zur Vermeidung einer Haftungsausuferung nicht einschränkend dahin ausgelegt werden muß, daß der Geschädigte nicht nur äquivalente Kausalität beweisen muß, sondern darüber hinaus auch alle ernstlich in Betracht kommenden Fremdursachen auszuschalten hat (oben 2. c.). Folgt man dem entgegen der hier ver-tretenen Ansicht, würde die Beweislast nach der Dienstleistungsrichtlinie gegenüber der deutschen Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht zu Lasten des Patienten verschoben. Danach ist der Patient nämlich vom Kausalitätsbeweis befreit, wenn er die Pflichtwidrigkeit des ärztlichen Verhaltens beweist (wovon er wiederum nach der Dienstleistungsrichtlinie enthoben ist, oben 3.). Bei dieser Sicht wäre auch das hypothetische Verhalten bei gebotener Aufklärung eine Fremdursache, für deren Abwesenheit er anders als nach geltender deutscher Rechtslage48BGH NJW 1980, 1333 zu II. 3. b; 1994, 2414; BGHZ 61, 118 (122); 64, 4651; Giesen, JR 1991, 485 (491); Stürner, NJW 1979, 2334 (2335). die Beweislast trüge.Nach bisheriger Doktrin in der deutschen Rechtsprechung kommt der Patient in den Genuß von »Beweiserleichterungen, die bis hin zur Beweislastumkehr reichen können«49BGH NJW 1981, 2513 zu II. 2., wenn- dem Arzt ein grober Behandlungsfehler unterlief,- dieser Behandlungsfehler geeignet ist, den entstandenen Schaden zu verursachen und- der Arzt den Behandlungsfehler schuldhaft verursachte (§ 282 BGB - Umkehr der Beweislast - soll im Arzthaftungsprozeß nicht anwendbar sein)50BGH NJW 1980, 1333 zu I. 1. mit Klarstellung NJW 1995, 778 zu II. 2. a; eingehend Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, § 823 BGB Anhang C II Rn. 31 ff. m. w. N.; Fahrenhorst, ZRP 1992, 60 (62); Laufs, Arztrecht, 5. Auflage 1993, Rn. 619 ff.; Stoll, AcP 176 (1976), 145 (155 ff.); de lege ferenda: Deutsch, in Deutsch/Taupitz, Haftung der Dienstleistungsberufe, 1993, S. 275 (286); Brüggemeier, ZSchweizR 112 (1993), 419 (426)..Die Beweiserleichterung liegt darin, daß unter diesen Voraussetzungen von der Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für den Schaden auszugehen ist, also auf die haftungsbegründende Kausalität geschlossen wird (während es für die haftungsausfüllende Kausalität bei der Beweisbelastung des Patienten bleibt)51Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, § 823 BGB Anhang C II Rn. 25; Schramm, Schutzbereich der Norm im Arzthaftungsrecht, 1992, S. 267.. Der Arzt kann sich, wenn der Behandlungsfehler feststeht, vom Vorwurf der Fahrlässigkeit befreien, wenn er beweist, daß seine Behandlung dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis noch entsprochen hatte52BGH NJW 1987, 2291 zu II. 2.; Beschränkung auf unvermeidbares Risiko bei Aidsgefahr: BGH NJW 1991, 1948 mit Rezension Deutsch, NJW 1991, 1937; Baumgärtel, JZ 1992, 321 (322); Gaidzik, JR 1992, 323 (326); Laufs, in: Festschrift Gernhuber 1993, S. 245 (251).. Nach Art. 5 und Art. 1 Nrn. 2 und 3 der Dienstleistungshaftungsrichtlinie trägt dagegen der Arzt die Beweislast dafür, daß die Behandlung fehlerfrei war und daß er nicht schuldhaft handelte, d. h. der berechtigten Erwartung entsprach. In dem Negativbeweis der Abwesenheit eines Behandlungsfehlers liegt im Vergleich zur geltenden Rechtslage eine erhebliche Belastung des Arztes durch den Richtlinienvorschlag53Baumgärtel, JZ 1992, 321 (322)., während sich die Möglichkeiten zur Befreiung vom Fahrlässigkeitsvorwurf nach Dienstleistungsrichtlinie und geltendem Recht oft decken werden. Dem Arzt ist einmal mehr eine genaue Dokumentation angeraten54Nixdorf, VersR 1996, 160; Baumgärtel, JZ 1992, 321 (323); Deutsch, ZRP 1990, 454; Schiemann, Haftung der Dienstleistungsberufe, 1991, S. 137 (161); H. Schmid, NJW 1994, 767 (772); vgl. auch BGHZ 72, 132; BGH NJW 1993, 2375; OLG Köln NJW-RR 1993, 919 und VersR 1994, 1424; skeptisch Dressler, in: Europäische Integration und globaler Wettbewerb, 1993, S. 199 (209)..b) BauunternehmerDer Bauunternehmer haftet für Schäden in vollem Umfang gemäß § 635 BGB, soweit es sich um Mangelschäden handelt, und aus positiver Forderungsverletzung für Mangelfolgeschäden, während der Schutzbereich der Dienstleistungsrichtlinie nur einen im Rahmen von Art. 4 begrenzten Ausgleich erlaubt. In diesem Rahmen kommt es andererseits nicht auf die Unterscheidung in Mangel- und Mangelfolgeschäden an55Heinemann, ZIP 1193, (1197).. Der geschädigte Besteller hat nach geltendem Recht, wenn die Abnahme (§ 640 BGB) stattgefunden hatte, die Fehlerhaftigkeit der Werkleistung zu beweisen56BGHZ 42, 16 (18); Baumgärtel, in: Festschrift Baur, 1981, S. 207 (209); von Craushaar, in: Festschrift Arens, 1993, S. 19 (25).. Steht sie fest, hat der Unternehmer wie in Art. 1 Nr. 2 sein Nichtverschulden zu beweisen (§ 282 BGB), der Besteller die adäquate Kausalität zwischen fehlerhafter Leistung und Schaden. Nach Art. 5 trägt der Besteller dagegen die Beweislast für die Kausalität zwischen der Werkleistung als solcher und dem Schaden, aber nicht für die Fehlerhaftigkeit (oben 2. b.); es ist Sache des Unternehmers, im Rahmen des Nichtverschuldens die Fehlerfreiheit seiner Dienstleistung zu beweisen. Zwar findet in der Architektenhaftung nach der Rechtsprechung eine Umkehr der Beweislast für das Verschulden statt57BGHZ 42, 16 (18); aber streitig, siehe Baumgärtel, JZ 1992, 321 (324 m. w. N.)., aber hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit der Leistung bleibt es bei der Beweislast für den Besteller. Im Rahmen des Nichtverschuldens gemäß Art. 1 Nrn. 2 und 3 des Richtlinienvorschlags muß auch der Architekt beweisen, daß er die berechtigte Erwartung erfüllte. Hinzu kommen die langen Erlöschens- und Verjährungsfristen der Richtlinie.III. Haftung für AbfallGemäß Art. 3 eines geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Rates über die zivilrechtliche Haftung für die durch Abfälle verursachten Schäden vom 28. 6. 199158ABlEG C 192/6 vom 23. 7. 1991, Vorgänger ABlEG C 251/3 vom 4. 10. 1989; zur Frage der Rechtsgrundlage (Art. 100 a, 130 s EGV) siehe EuGH NVwZ 1993, 872; Salje, DB 1990, 2053. soll der Abfallerzeuger zivilrechtlich für die durch bestimmte Abfälle entstandenen Schäden und Umweltbeeinträchtigungen unabhängig von einem eigenen Verschulden haften. Haftung bedeutet nicht nur Schadensersatz sowie Unterlassung schadensstiftender bzw. Gebot zur Vornahme schadensvermeidender Handlungen (Art. 4 Abs. 1 lit. b i), sondern nach weiterer Maßgabe von Art. 4 Abs. 1 lit. b ii, iii und Abs. 2 im Falle von Umweltbeeinträchtigungen (Art. 2 Abs. 1lit. d) auch Unterlassung, Kostenerstattung und Wiederherstellung der Umwelt. Normadressat ist einerseits der Abfallerzeuger als Schuldner; wer andererseits als Gläubiger klagebefugt ist, überläßt der Richtlinienvorschlag den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten: In Frage kommen der Geschädigte, außerdem im Falle von Umweltbeeinträchtigungen bestimmte Interessenverbände, auch die öffentliche Hand. Die Tatbestandsvoraussetzungen richten sich nach dem geltend gemachten Anspruch. Im Falle eines Schadensersatzanspruchs sind Tatbestandsvoraussetzungen die Rechtsgutverletzung, der Schaden und die Ursächlichkeit zwischen Abfällen des Erzeugers und dem Schaden. Verschulden ist nicht Tatbestandsvoraussetzung, es gibt keine Entlastungsmöglichkeit. Art. 4 Abs. 1 lit. c bestimmt, daß der Inhaber des Anspruchs den Kausalitätsnachweis zu führen hat; eine Herabsetzung des Beweismaßes ist entgegendem ursprünglichen Vorschlag nicht mehr vorgesehen, sondern es wird auf die üblichen Maßstäbe im Zivilrecht verwiesen (näher unten C). Der Abfallerzeuger kann gemäß Art. 6 Abs. 1 den Beweis höherer Gewalt oder der Verursachung durch einen Dritten führen. Im übrigen gelten keine besonderen Bestimmungen zur Beweislast59Anders für die jenseits des Umwelthaftungsgesetzes auf § 823 Abs. 1 BGB gestützte Umwelthaftung: Beweislast des Emittenten für die Rechtmäßigkeit der Emissionen und die Einhaltung von Verkehrssicherungspflichten, BGHZ 92, 143 (147 ff.) mit Rezension Marburger/Marburger, JuS 1986, 354 und Anmerkung Baumgärtel, JZ 1984, 1109 sowie Handbuch der Beweislast, Band 2, § 906 BGB Rn. 8..IV. Mißbräuchliche Klauseln in VerbraucherverträgenEine Beweislastregel enthält Art. 3 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie des Rates vom 5. 4. 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (93/13 EWG)60ABlEG 95/29 vom 21. 4. 1993 = EuZW 1993, 1111, dazu Eckert, WM 1993, 1070; Damm, JZ 1994, 161.. Danach trägt der Verwender einer Standardvertragsklausel61Ein durch die Richtlinie nicht definierter Begriff, Micklitz, ZEuP 1993, 522 (527 Fn. 44); Remien, ZEuP 1994, 34 (48). die Beweislast dafür, daß es sich nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, sondern um eine Individualabsprache handelt. Die Vorschrift hat nur deklaratorische Bedeutung; daß der Beweis der Abweichung vom äußeren Erscheinungsbild demjenigen obliegt, der sich darauf beruft, ist ein allgemeiner Beweisgrundsatz62Ulmer, EuZW 1993, 337 (340); Heinrichs, NJW 1993, 1817 (1819) und 1996, 2140 (2192); Micklitz, ZEuP 1993, 522 (527); BGHZ 83, 56; BGH NJW 1977, 624; WM 1996, 2025.. Ist aber streitig, ob es sich überhaupt um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, trägt der Verbraucher die Beweislast63BGH NJW 1992, 2160 zu III. 2. a; Heinrichs, NJW 1993, 1817 (1819)..Die Richtlinie macht keinen Unterschied, ob die Klausel vom Verwender formuliert wurde oder von einem neutralen Dritten, z. B. einem Notar oder dem Autor eines Vertragsmusters. Nach § 1 des deutschen Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) fallen derartige Drittklauseln nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes; dabei bleibt es für den gewerblichen Bereich. Für Verträge zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer (Verbraucherverträge) stellt § 24 a Nr. 1 AGBG in Umsetzung der Richtlinie die widerlegliche Vermutung auf, daß auch Drittklauseln vom Unternehmer gestellt worden waren und nicht dem Verbraucher zuzurechnen sind. Dagegen kann der Unternehmer beweisen, daß der Verbraucher die Drittklauseln in den Vertrag eingefügt, also z. B. das Vertragsmuster selbst mitgebracht hatte: Die Schutzbestimmungen des AGBG gelten nicht.V. PauschalreisenEinzelne Beweislastregeln enthält die bis zum 31. 12. 1992 umzusetzen gewesene (Art. 9 Abs. 1)64Die Richtlinie wurde jedoch erst zum 1. 7. 1994 umgesetzt, und inzwischen hat der EuGH NJW 1996, 3141 aufgrund Vorlage des LG Bonn NJW 1994, 2489 sowie 2492 festgestellt, daß die Bundesrepublik Deutschland zum Schadensersatz verpflichtet ist. Richtlinie des Rates über Pauschalreisen vom 13. 6. 1990 (90/3147 EWG)65ABlEG L 158/59 vom 23. 6. 1990.. Gemäß Art. 3 Abs. 2 sind für den Prospekt, den der Veranstalter dem Verbraucher aushändigt, bestimmte Angaben vorgeschrieben, die zugleich bindenden Vertragsinhalt darstellen. Jedoch sind in bestimmten Fällen Änderungen möglich. Behauptet der Veranstalter, der Vertrag sei zu den geänderten Bedingungen zustande gekommen, trägt er gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 die Beweislast (»es sei denn«).Tritt der Verbraucher zurück (Art. 4 Abs. 5) oder storniert der Veranstalter die Reise, kann der Verbraucher Anspruch auf Entschädigung wegen Nichterfüllung haben. Der Anspruch besteht im Falle der Stornierung gemäß Art. 4 Abs. 5 Satz 1 nicht bei Verschulden des Verbrauchers (»ausgenommen«) und gemäß Satz 2 nicht bei höherer Gewalt oder wenn eine Mindestteilnehmerzahl nicht erreicht wird (»es sei denn«). Für diese Umstände trägt der Veranstalter die Beweislast (§ 651 f Abs. 1 BGB).Gemäß Art. 5 Abs. 2 haftet der Veranstalter für Nicht- und Schlechterfüllung. Die Haftung tritt an sich unabhängig vom Verschulden des Veranstalters ein. In bestimmten Fällen des Nichtverschuldens kann sich der Veranstalter jedoch entlasten (Versäumnisse des Verbrauchers oder Dritter, höhere Gewalt). Hierfür trägt er die Beweislast66So schon BGHZ 100, 185 (188 f.)..VI. VerbraucherkreditDie durch das Verbraucherkreditgesetz vom 17. 12. 1990 umgesetzte Richtlinie über den Verbraucherkredit vom 22. 12. 1986 (87/102/EWG)67ABlEG L 42/48 vom 12. 2. 1987. enthält keine Beweislastregel zur Frage, ob der Verwendungszweck des Kredits gewerblicher Art ist und es deshalb am persönlichen Anwendungsbereich mangelt. § 1 Abs. 1 VerbrKrG, der die Beweislast dem Kreditgeber bzw. Kreditvermittler auferlegt68Bülow, VerbrKrG, 2. Auflage 1993, § 1 Rn. 23; BGH NJW 1995, 2290 zu II. 2. b aa., ist eine durch Art. 15 der Richtlinie gedeckte weitergehende Vorschrift.C. Europäisches Recht zum BeweismaßRegeln zum Beweismaß sind im europäischen Recht nur vereinzelt anzutreffen.I. ProdukthaftungsrichtlinieGemäß Art. 7 lit. b der Produkthaftungsrichtlinie haftet der Hersteller nicht, wenn er beweist, daß unter Berücksichtigung der Umstände davon auszugehen ist, der Fehler habe im Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht vorgelegen. Berücksichtigung der Umstände soll heißen, daß ein geringeres Maß an Wahrscheinlichkeit für die Beweisführung genügt69Taschner, Produkthaftung, Art. 7 Rn. 13 ff.. Es handelt sich um ein Beweismaßproblem70Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, § 823 BGB Anhang C IV, § 1 ProdhaftG Rn. 5., welches durch § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG umgesetzt wurde.II. AbfallrichtlinieNicht mehr aufgegriffen wurde im geänderten Vorschlag zu einer Abfallrichtlinie (Art. 4 Abs. 6 a. F.) die Regelung, nach welcher dem Kläger die Darlegung obliegen sollte, daß zwischen den Abfällen des Erzeugers und dem erlittenen Schaden oder der Umweltbeeinträchtigung mit über-wiegender Wahrscheinlichkeit ein Ursachenzusammenhang bestehe. Indem der Ursachenzusammenhang nicht zur Überzeugung des Richters festzustehen brauchte, wäre das Beweismaß herabgesetzt gewesen71BR-Drucks. 528/89 vom 2. 10. 1989, S. 9 zu Art. 4 sowie Beschluß vom 16. 2. 1990, S. 11; Joerges/Brüggemeier, in: Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 1993, S. 233 (273); Pappel, Civil Liability for Damage Caused by Waste, 1995, S. 116.. Dieser Ansatz zum Beweismaß wäre noch hinter der Ursachenvermutung aus §§ 6, 7 des deutschen Umwelthaftungsgesetzes zurückgeblieben, die freilich einen auf Anlagen beschränkten Anwendungsbereich hat. Im neu formulierten Art. 4 Abs. 1 lit. c Satz 2 heißt es lediglich, daß für die Beweislast keine strengeren Maßstäbe als im Zivilrecht üblich gelten dürfen. Hiermit können nur die nationalen Beweismaße gemeint sein. Der Gläubiger erfährt durch den Richtlinienvorschlag also keinerlei Erleichterung, obwohl es für Umweltschäden typisch ist, daß andere Ursachen nicht ausgeschlossen werden können, so daß der Abfall nicht mehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Ursache angesehen werden kann.III. FernabsatzrichtlinieGemäß Art. 6 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Distanzgeschäfte)72ABlEG C 156/14 vom 23. 6. 1992 = EWS 1993, 102 und Festlegung eines gemeinsamen Standpunktes vom 29. 6. 1995, ABlEG C 288/1 vom 30. 10. 1995 mit Stellungnahme der Kommission vom 7. 2. 1996, Kom (96) 36 endg. COD 411, inzwischen Billigung durch das Europäische Parlament gem. Art. 189 b EGV; Reich, Europäisches Verbraucherrecht, 3. Auflage 1996, Tz. 168 e. vom 29. 6. 1995 hat der Verbraucher ein Widerrufsrecht. Bei Ausübung hat der Lieferer dem Verbraucher geleistete Zahlungen zu erstatten. Nach dem Erstentwurf sollte der Verbraucher dagegen die unmittelbaren Rücksendungskosten tragen. Für ihre Höhe und Entstehung trägt der Verbraucher fraglos die Beweislast. Das Beweismaß legte der Entwurf vom 21. 5. 1992 in formalistischer Weise fest: »Der Verbraucher muß ein Dokument als Beweis für diese Rücksendung vorlegen können.« Sollte die freie Überzeugung des Richters etwa aufgrund von Zeugenaussagen nicht ausreichen dürfen? Zu Recht ist diese Regelung im neuen Vorschlag nicht mehr enthalten.

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