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EWS 1993, 374
 
LG Bonn
Firmierung einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung als Sachfirma

LG Bonn, Entscheidung vom 16. März 1993 - 11 T 1/93;

LG Bonn vom 16.03.1993 - 11 T 1/93
EWS 1993, 374 (Heft 11)
Aus den Gründen»Die grammatikalische, systematisch-entstehungsgeschichtliche sowie die teleologische Auslegung der EWIV-VO ergibt, daß für eine über § 1 EWIV-AG grundsätzlich mögliche Anwendung von § 19 Abs. 1 HGB und den hieraus folgenden Zwang zur Personenfirma bei einer EWIV mit Sitz in Deutschland kein Raum ist. Die Unzulässigkeit einer reinen Sachfirma bei der EWIV könnte sich aus § 1 EWIV-AG in Verbindung mit § 19 Abs. 1 HGB ergeben. Voraussetzung hierzu ist, daß § 19 HGB als gegenüber den Vorschriften der EWIV-VO bzw. des EWIV-AG subsidiäre Vorschrift (vgl. § 1 EWIV-AG) zum Zuge kommt.a) WortlautGem. Artikel 5 a EWIV-VO bzw. - wortgleich - § 2 Abs. 2 Nr. 1 EWIV-AG muß die Firma der Vereinigung die voran- oder nachgestellten Worte 'Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung' oder die Abkürzung 'EWIV' enthalten, sofern 'diese Worte oder die Abkürzung' nicht 'bereits in der Firma enthalten sind'. Weitere Vorschriften über Inhalt und Bestandteile der Firma formuliert keine der beiden Kodifikationen; sie enthalten sich mithin auch einer expressis verbis artikulierten Aussage über Zu- oder Unzulässigkeit einer reinen Sachfirma.Ein hierauf fußendes und entsprechend zurückhaltendes Verständnis von Artikel 5 a EWIV-VO müßte konsequenterweise § 19 Abs. 1 HGB zur Anwendung bringen und damit auch die bei der (deutschen) OHG unzulässige reine Sachfirma bei der EWIV für unzulässig halten, vgl. Stephan-Ziegler, RPfl. 1989, 261 (262).Für diese Auffassung spricht zunächst die Überlegung, daß Artikel 5 EWIV-VO als nur den Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages regelnde Vorschrift zu den §§ 3 GmbHG, 23 AktG in Beziehung zu setzen ist. Fehlt aber eine dem § 4 Abs. 2 GmbHG entsprechende Vorschrift in der EWIV-VO, so deutet dies auf eine Anwendung der §§ 1 EWIV-AG, 19 HGB hin.Eine genauere Wortlautanalyse gibt gleichwohl zum Nachdenken darüber Anlaß, daß Artikel 5 a EWIV-VO/§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EWIV-AG als möglich davon ausgehen, daß die Worte 'Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung' bzw. das Kürzel 'EWIV' bereits in der Firma enthalten sein können. Würde man bei der EWIV zwingend von einer Personenfirma ausgehen, so könnten jene Worte bzw. das Kürzel nach nationalem Rechtsverständnis lediglich ein Firmenzusatz, nicht aber schon im Namen enthalten sein. Demgegenüber enthält die firmenrechtlich den Kapitalgesellschaften vorbehaltene reine Sachfirma die Rechtsformangabe bereits als notwendigen Firmenbestandteil (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 AG, § 4 Abs. 2 GmbHG). Dies legt die Schlußfolgerung nahe, daß Artikel 5 a EWIV-VO bewußt an das Firmenrecht der Kapitalgesellschaften anknüpft und so bereits nach seinem Wortlaut und über Artikel 189 Abs. 2 EWGV verbindlich und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat die reine Sachfirma bei der EWIV zumindest zuläßt, vgl. Christian Müller-Gugenberger, Die Firma der Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), Betriebs-Berater (BB) 1989, S. 1922 (1923); ihm folgend AG München, Beschluß vom 13. 12. 1989, RPfl. 1990, S. 76; LG Frankfurt, Beschluß vom 8. 1. 1991, RPfl. 1991 S. 207; ebenso Günther Zettel, DRiZ 1990, S. 161 (165 m. Fn. 40), Matthias Hartard, Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung im deutschen, englischen und französischen Recht, RiWV Bd. 7, 1991, S. 24.Wollte man sich dieser Schlußfolgerung verweigern, so bedeutete dies, die Existenz des 'es sei denn'-Satzes in Artikel 5 a EWIV-VO/§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EWIV-AG in toto zu ignorieren, ihn mithin seiner Daseinsberechtigung zu berauben. Hiergegen spricht allerdings, daß dieser Satz jedenfalls eine, zudem die einzige überhaupt herauspräparierbare, grammatikalische Aussage zur Firmenfrage enthält. Eine diesen Umstand ignorierende Auslegung setzt sich dem Vorwurf der Unvollständigkeit aus und greift folglich zu kurz. Hinzu kommt, daß eine konsequente Anwendung von § 19 HGB bei einer allein aus beschränkt haftenden Gesellschaften bestehenden EWIV dazu zwänge, gem. § 19 Abs. 5 HGB einen auf die Haftungsbeschränkung hinweisenden Zusatz zu führen. Ein solcher Zwang verstößt aber erkennbar gegen den die Anforderungen an den Namen einer EWIV abschließend festlegenden Wortlaut des Art. 5 a EWIV-VO und indiziert zusätzlich die Inkompatibilität von § 19 HGB mit der Firmenfrage bei der EWIV, vgl. Christian Müller-Gugenberger, a. a. O.Auch ein zurückhaltend formuliertes Zwischenergebnis kommt damit nicht an der Feststellung vorbei, daß der Wortlaut von Artikel 5 a EWIV-VO die Zulässigkeit einer Sachfirma bei der EWIV wenn auch stillschweigend, so doch voraussetzt. Dies gilt aufgrund der Wortlautkongruenz auch für das deutsche Ausführungsgesetz. Für eine subsidiäre Anwendung der OHG-Vorschriften und hier insbesondere für § 19 Abs. 1 HGB bleibt damit kein Raum.b) SystematikDie systematische Untersuchung muß zunächst einen Blick auf die rechtliche Herkunft dieser Vereinigungsform werfen (sub aa)), bevor dem durch den Wortlaut gegebenen Hinweis auf eine mögliche rechtliche Ausgestaltung der EWIV in Richtung der Kapitalgesellschaften nachgegangen werden kann (sub bb)).aa) Die Rechtsform der EWIV wurzelt systematisch in dem französischen 'groupement d'intérêt économique' (GIE), vgl. Andreas Meyer-Landrut, Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung, S. 1; Michael Grüninger, AnwBl. 1990, S. 228 (230).Die GIE war im französischen Gesellschaftsrecht als Lückenfüller zwischen der strengen Rechtsform der société (als société en nom collectif [SNC] entsprechend der OHG sowie als société en commandite simple [SCS] entsprechend der KG, beide mit dem Zwang zur Perso-nenfirma [raison sociale, vgl. Christian Müller-Gugenberger, a. a. O., und der SARL (entsprechend der deutschen GmbH) bzw. SA (entsprechend der deutschen AG), beide mit der Zulässigkeit einer Sachfirma (dénomination), gedacht. Folgerichtig wird denn auch in Frankreich bei der EWIV subsidiär auf das Recht der GIE zurückgegriffen, vgl. Ganske, Das Recht der Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung, Köln 1988, S. 23.Für die hier allein interessierende firmenrechtliche Fragestellung ist festzuhalten, daß für das GIE im französischen Recht lediglich eine 'dénomination' (Sachfirma) und keine 'raison sociale' (Personenfirma) vorgesehen ist, vgl. Christian Müller-Gugenberger, a. a. O. m. w. N.Auch wenn die Vorbildfunktion des GIE für die EWIV nicht überbewertet werden sollte, vgl. Andreas Meyer-Landrut, a. a. O., S. 7 unten, spricht diese systematisch entstehungsgeschichtliche Verbindung zwischen GIE und EWIV nichtsdestoweniger dafür, die beim französischen Vorbild vorgesehene Sachfirma auch beim europarechtlichen Korrelat für zulässig zu halten. Eine gegenteilige Auffassung sähe sich mit dem Vorwurf der Systemwidrigkeit konfrontiert.bb) Würde sich der eingangs aus dem Wortlaut konstatierte Hinweis auf eine mögliche rechtliche Ausgestaltung der EWIV in Richtung der Kapitalgesellschaft nach einer rechtsvergleichenden Untersuchung mit nationalen Rechtsvorschriften bestätigen, so wäre dies ein weiteres Indiz für die hieraus ableitbare Zulässigkeit der Sachfirma bei der EWIV.Gegen eine solche Annäherung der EWIV an die Kapitalgesellschaften spricht zwar zunächst ihre personengesellschaftliche Struktur, vgl. Christian Müller-Gugenberger, a. a. O., S. 1923 sub c). Andererseits 'gilt' gem. § 1 EWIV-AG die Vereinigung 'als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuches', sie ist also Formkaufmann. Formkaufleute sind ansonsten nur die Kapitalgesellschaften GmbH (§ 13 Abs. 3 GmbHG), AG (§ 3 AktG) sowie die Genossenschaft (§ 17 Abs. 3 GenG), die wiederum eine Beschränkung auf Personenfirmen nicht kennen. Weiter ist gem. Artikel 1 Abs. 2 EWIV-VO die Registereintragung für den Erwerb der Rechtsträgerschaft konstitutiv, was die EWIV ebenso wie die in Art. 9 Abs. 2 EWIV-VO der Haftung bei der Vor-GmbH angeglichene Regelung sowie die an den Kapitalgesellschaften ausgerichtete Publizität gem. Art. 7, 9, 25 EWIV-VO systematisch in kapitalgesellschaftliche Nähe rückt.Unterstrichen wird dieses Indiz durch die in Artikel 16, 19 Abs. 1 Satz 1 EWIV-VO zugelassene Fremdorganschaft, d. h. die Möglichkeit, Nicht-Gesellschafter zu Geschäftsführern bestellen zu können (vgl. ebenso für den Vorstand einer AG § 76 Abs. 1, Abs. 2 AktG, für die GmbH-Geschäftsführung § 6 Abs. 3 Satz 1 GmbHG) sowie durch die in Artikel 18 Abs. 1 Satz 2 EWIV-VO aufgestellten Eignungsanforderungen an die Geschäftsführer (Parallelvorschrift für die AG § 76 Abs. 3 Satz 2 - 4 AktG, für die GmbH § 6 Abs. 2 Satz 2 - 4 GmbHG). Schlußendlich läßt § 3 Abs. 1 EWIV-AG die Anmeldung zum Handelsregister durch die Geschäftsführer zu und nicht etwa, wie bei OHG und KG, von allen Gesellschaftern, vgl. § 108 Abs. 1 HGB für die OHG und i. V. m. § 161 HGB für die KG). Im GmbH- bzw. Aktiengesellschaftsrecht sind mithin per saldo eine Reihe paralleler rechtlicher Ausgestaltungen zum Recht der EWIV vorfindlich, die die EWIV systematisch von den traditionellen deutschen Personengesellschaften abheben und sie in ihrer rechtlichen Ausgestaltung den Kapitalgesellschaften annähern, vgl. Andreas Meyer-Landrut, a. a. O., S. 169, der die EWIV näher zur GmbH als zur OHG einordnet.Vor diesem Hintergrund erscheint es dann allerdings konsequent, das Firmenrecht ebenfalls kapitalgesellschaftlicher und nicht personengesellschaftlicher Vorgabe folgen zu lassen. Insgesamt ist damit auch aus systematischer Sicht die - kapitalgesellschaftsrechtlich zulässige - Sachfirma bei der EWIV gleichfalls als zulässig zu erachten.c) Sinn und ZweckAufgabe der EWIV als erster Gesellschaftsform europäischen Rechts, vgl. Günther Zettel, DRiZ 1990, S. 161, ist es, einen rechtlichen Rahmen für natürliche und juristische Personen zur Unterstützung ihrer Zusammenarbeit innerhalb der Gemeinschaft anzubieten, vgl. die amtliche Begründung zur EWIV-VO, ABl. Nr. L 1991/1 vom 31. 7. 1985. Jede grenzüberschreitende Kooperation dient zugleich einer harmonischen Entwicklung des Wirtschaftslebens in der gesamten Gemeinschaft. Sie bedarf dabei aber aufgrund der häufig auftauchenden rechtlichen, steuerlichen und psychologischen Schwierigkeiten der besonderen Förderung. Als rechtlichem Instrument einer solchen Förderung hängt der 'Erfolg' der EWIV in ganz entscheidendem Maße davon ab, daß sämtlichen Adressaten diese neue gemeinschaftsrechtliche Gesellschaftsform unter möglichst gleichmäßigen Bedingungen zur Verfügung steht, um dem Abbau gerade psychologischer Hemmnisse nicht kontraproduktiv zu sein, vgl. Günther Zettel, a. a. O.Auf der Basis dieser Überlegungen gewinnt die Information, daß in den EG-Mitgliedsländern Frankreich, Belgien, Großbritannien und den Niederlanden EWIV mit Sachfirmen gegründet wurden, vgl. Michael Grüninger, a. a. O., S. 231 m. Fn. 62, einen besonderen Stellenwert. Gerade für Frankreich erscheint dies wegen der systematischen Verwurzelung der EWIV im französischen GIE in der Tat naheliegend, da das GIE, wie bereits erwähnt, eine Sachfirma führen darf, vgl. Christian Müller-Gugenberger, a. a. O. S. 1924 m. Fn. 28.Würde nunmehr bei EWIV mit Sitz im EG-Mitgliedsland Deutschland eine Personenfirma gefordert, zwänge dies ab einer Zahl von drei Mitgliedern aufwärts bereits aus praktischen Erwägungen (Länge der Firma) dazu, den oder die Namen eines oder einzelner Mitglieder zur Erwähnung in der Firma auszuwählen. Die hierdurch wiederum vorprogrammierten Ungleichbehandlungen unter den einzelnen Mitgliedern wirkten jedoch nicht nur kontraproduktiv zum eigentlichen Zweck der EWIV, der Kooperationsförderung, sondern liefen zumindest mittelbar auch dem Diskriminierungsverbot des Art. 7 EWGV zuwider, der jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet. Das Diskriminierungsverbot des Artikels 7 EWGV wird vom Europäischen Gerichtshof tendenziell weit ausgelegt, weshalb nicht nur offene, sondern auch versteckte Diskriminierungen von der Vorschrift verboten sind, vgl. etwa Manfred Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, EWGV, Bd. 1, 4. Aufl. 1991, Artikel 7 Rn. 4.Ein Zwang zur Personenfirma für die EWIV mit Sitz in Deutschland wäre zudem ein gewichtiges Argument gegen den Sitzort Deutschland, unabhängig davon, daß ein Zwang zur Personenfirma zugleich die Weichen für eine unterschiedliche Rechtsentwicklung in den Mitgliedstaaten stellen würde, vgl. Christian Müller-Gugenberger, a. a. O., S. 1924; Michael Grüninger, a. a. O., S. 231. Diese Überlegungen zeigen, daß ein Zwang zur Personenfirma für die EWIV mit Sitz in Deutschland deren originärem Sinn und Zweck, der Kooperationsförderung, offenkundig zuwiderliefe.«Vgl. dazu OLG Frankfurt a. M., 18. 5. 1993, EWS 1993 S. 299, das die entgegengesetzte Auffassung vertritt.

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