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EWS 2024, I
Jennert 

Klimaschutz durchWettbewerb: Die Kommission setzt den Gütertransport aufs Gleis

Abbildung 1

Die Kommission nutzt das Beihilferecht einmal mehr als Regulierungsbeschleuniger

Man hätte es sich denken können: Für wen das Bundesverteidigungsministerium nicht Endstation, sondern Sprungbrett für die zweimalige Präsidentschaft der Europäischen Kommission ist, der macht keine halben Sachen. Der (noch nicht veröffentliche) Beschluss der Kommission im Beihilfeverfahren DB Cargo pünktlich zum Dienstschluss der Kommission Von der Leyen I am 30.11.2024 ist der vorläufige Abschluss eines bemerkenswerten Arbeitsprogramms. Nahezu unbemerkt von einer größeren Öffentlichkeit hat Ursula von der Leyen den Gütertransport als Schlüsselsektor des Klimaschutzes in den vergangenen fünf Jahren im Teamplay mit den Kolleginnen Verstager und Vâlean aufs Gleis gesetzt. Angefangen vom Green Deal 2019 und der Smart & Sustainable Mobility Strategy 2020 über die Eröffnung der förmlichen Beihilfeprüfverfahren DB Cargo (2022) und SNCF Fret (2023) und das Greening Freight Transport-Package (2023) bis hin zu den neuen Beihilferegeln für Land- und multimodalen Transport (2024) wurden fast alle regulatorischen Weichen auf Klimaschutz durch Wettbewerb gestellt.

Soviel stringente Politik war selten: Auf den Befund, dass sich eine absolute Reduzierung der Emissionen des Transportsektors aufgrund des Mengenwachstums nur durch eine Verlagerung von der Straße auf die klimafreundlichere Schiene erreichen lässt, der Anteil der Schiene aber seit Jahren stagniert, folgte die Analyse, dass ursächlich hierfür nicht nur der Kostenvorteil der Straße, sondern auch und vor allem das Fehlen qualitativ konkurrenzfähiger Angebote des Schienengüterverkehrs (SGV) ist. Die Kommission zog die richtigen Schlüsse: Dass nämlich die umweltpolitisch gebotene Internalisierung der externen Kosten des Straßenverkehrs zwar zentral für die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene ist, sie aber qualitativ vergleichbare Transportangebote voraussetzt. Andernfalls verteuern sie nur den Straßentransport zulasten der globalen Wettbewerbsfähigkeit der EU, ohne zu mehr Schienentransporten zu führen. Und dass insuffiziente, national geprägte SGV-Märkte der Straße qualitativ kein Paroli bieten können, weil Schienentransporte ihre Stärke auf der grenzüberschreitenden Langstrecke haben. Weil acht der elf SGV-Korridore durch Frankreich und Deutschland verlaufen, wurde spätestens durch die Beihilfebeschwerden offensichtlich, welchen Zahn die Kommission ziehen musste. Solange SNCF Fret und DB Cargo infolge staatlicher Subvention und Protektion keinen Innovationsdruck haben und innovative Angebote der Wettbewerber durch Dumping-Preise und die Blockade wesentlicher Infrastruktur unterlaufen, werden im Wettbewerb zur Straße dringend benötigte Ressourcen gebunden. Das hatte zwar auch in Brüssel lange Zeit niemanden gestört – jetzt aber nutzte die Kommission die How dare you-Dynamik im Klimaschutz als Treiber für ein umfassendes Marktertüchtigungsprogramm:

Der Verordnungsvorschlag über die Nutzung der Trassenkapazitäten (KOM(2023)443) sieht u. a. Entschädigungen bei Trassenstornierungen und die Berücksichtigung knapper Serviceeinrichtungen bei der Kapazitätsvergabe vor und schafft so mehr Chancengleichheit gegenüber den durch die Infrastrukturbetreiber häufig bevorteilten staatseigenen Güterbahnen. Die kritisch verfolgte Novellierung der sog. Weight & Dimension-RL (KOM(2023)445) erhöht zwar das LKW-Transportvolumen zugunsten der Straße, ermöglicht aber zugleich den Einsatz klimafreundlicher Elektro-LKW mit hohem (Batterie-)Gewicht, der im Paket mit der RL zur Förderung des intermodalen Güterverkehrs (KOM(2023)702) erreicht werden soll. Die Entwürfe für Leitlinien (C/2024/3948) und eine Gruppenfreistellungsverordnung (C/2024/4539) für den Land- und multimodalen Verkehr verlangen für die Genehmigung/Freistellung von Beihilfen künftig nicht nur einen lenkenden Eingriff zur Korrektur eines Marktversagens, sondern auch finanzielle Transparenz gemäß § 8d ERegG i. V. m. §§ 1, 3, 8 TranspRLG und geben der Kommission damit eine zentrales Steuerungsinstrument in die Hand. Neben einer technologieoffenen Einbeziehung des multimodalen Verkehrs macht die Kommission den bereits bewährten DawI-Ansatz für den SGV fruchtbar – einschließlich des Verbots einer Betrauung für das gesamte Staatsgebiet, was im Einzelwagenverkehr mittelfristig zur Ausschreibung von Bediennetzen führen dürfte. In Summe lassen die Vorschläge wettbewerbsfähige SGV-Angebote erwarten und schaffen so den Raum für die Anlastung der externen Kosten des Straßentransports durch die sog. Count Emission-Regulation (KOM(2023)441) und die Einbeziehung des Straßenverkehrs in den Europäischen Emissionshandel (ETS II) durch die RL 2023/959/EU ab 2027. Zugleich hat die Kommission damit den regulatorischen Rahmen für den klug getimten Abschluss der Beihilfeprüfverfahren in Sachen SNCF Fret und DB Cargo geschaffen. In der zwischen deutsch-französischen Gleichbehandlungsansprüchen und geopolitischem Transportbedarf gewonnenen Erkenntnis, dass eine beihilferechtlich vertretbare Liquidation klimaschutzpolitisch kontraproduktiv wäre, nutzt sie das Beihilferecht einmal mehr als Regulierungsbeschleuniger: Die bereits erkennbaren Zugeständnisse bei der wirtschaftlichen Diskontinuität (SNCF Fret) und beim Market Economy Operator-Test (DB Cargo) wiegen leicht gegenüber der wettbewerbsstimulierenden Abgabe wichtiger Verkehrsverträge, der – wohl verkaufsvorbereitenden – Reorganisation in unabhängige Produktionseinheiten und der Freisetzung von Personal und Rolling Stock als Expansionshilfe für Wettbewerber. Zumal die Aufspaltung/Sanierung noch nicht in trockenen Tüchern ist. Die Kommission Von der Leyen II wird den weiteren Prozess nutzen, um Frankreich und Deutschland zur konstruktiven Mitarbeit bei der zufällig noch ausstehenden Novellierung der wichtigen Richtlinien zur Zertifizierung von Lokführern (2007/59/EG) und zur Interoperabilität der Eisenbahnsysteme (2008/57/EG) zu bewegen. Soviel politische Virtuosität war selten.

Prof. Dr. Carsten Jennert, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main

 
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