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EWS 2022, I
Frenz 

Ukraine-Krieg und Klimaschutz

Abbildung 1

Ein Klimafolgeabkommen könnte verhindern, dass durch den Ausfall von Rohstoffen der Klimaschutz stockt

Der Ukraine-Krieg hat eine Zeitenwende eingeläutet – mit elementaren Bedrohungen für die ganze Menschheit. Dabei darf nicht aus dem Blick geraten: Er hat auch gravierende Auswirkungen auf den Klimaschutz. Das gilt nicht nur wegen der Kampfhandlungen, sondern im Hinblick auf die für den Klimaschutz benötigten Rohstoffe, wie z. B. Lithium für die Verwirklichung der Mobilitätswende. In der Ostukraine befinden sich die womöglich größten Lithium-Vorräte in Europa. Maroš Šefovi Vizepräsident für interinstitutionelle Beziehungen und Vorausschau, erklärte schon am 3. 9. 2020: “Eine widerstandsfähige Wirtschaft setzt eine sichere und nachhaltige Rohstoffversorgung voraus. Allein für die Batterien von Elektrofahrzeugen und zur Energiespeicherung wird Europa bis 2030 bis zu 18 mal und bis 2050 bis zu 60 mal mehr Lithium benötigen.” Vor diesem Hintergrund legte die Kommission einen Aktionsplan zu kritischen Rohstoffen und eine – inzwischen erweiterte – Liste kritischer Rohstoffe vor. Diese Planungen erlangen nunmehr durch das Ausfallen von Rohstoffen aus der Ukraine und im Gefolge der Wirtschaftssanktionen womöglich auch aus Russland eine neue Aktualität. Ohne kritische Rohstoffe wie Lithium lässt sich Klimaschutz nicht effektiv verwirklichen.

Damit kommen durch den Krieg in der Ukraine nicht nur massive Auswirkungen für die Energiewende, drohen doch wichtige Öl- und Gaslieferungen auszufallen, welche als Ersatz für den Atom- und Kohleausstieg fungieren könnten. Daher bedarf es des beschleunigten Ausbaus erneuerbarer Energien. Umso eher müssen dann aber auch die für Solarmodule, Windräder, Leitungen etc. notwendigen Rohstoffe zur Verfügung stehen. Der Ausfall von Russland und der Ukraine als Lieferanten für Energierohstoffe verschärft also das Problem der kritischen Rohstoffe zusätzlich.

Dabei hat sich die EU mit ihrem Klimagesetz ehrgeizige Ziele gesetzt, die sie mit ihren Vorschlägen im EU-Klimapaket “Fit for 55” verwirklichen will. Dieses hat gerade die Elektromobilität im Visier – wie auch der Ampel-Koalitionsvertrag. Mit Bezug auf das Beispiel der Mobilitätswende mahnte der Klimabeschluss des BVerfG den Klimaschutz für die Schonung der Freiheitsrechte künftiger Generationen an, indem rechtzeitig und langfristig Maßnahmen getroffen werden müssen, um den CO2-Ausstoß einzuschränken (BVerfG, 24. 3. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI: DE:BVerfG:2021:rs20210324.1bvr2656 18, Rn. 249). Das hat dann aber auch für die Sicherung der Rohstoffversorgung zu gelten, die für diese Maßnahmen benötigt wird, so den Bau von Lithium-Ionen-Batterien sowie von Windrädern und Solarmodulen.

Die Gewährleistung der Versorgung mit Rohstoffen ist damit untrennbar mit dem Klimaschutz verbunden. Sie ist Bestandteil des vom BVerfG (Rn. 197 ff.) entwickelten Klimaschutzgebotes auf der Grundlage der Umweltstaatszielbestimmung des Art. 20a GG. Damit muss Deutschland dafür Sorge tragen, seine Rohstoffversorgung sicherzustellen. Nur so kann es die ihm vom BVerfG zugewiesene Vorbildfunktion für einen Klimaschutz zu lebenswerten Bedingungen (Rn. 203) sicherstellen. Das gilt aber auch für die Union, die entsprechend Art. 191 Abs. 1 4. Spiegelstrich AEUV gleichfalls nach ihrem Klimapaket eine wichtige Rolle auf internationaler Ebene einnehmen will. Sie will ihre Klimadiplomatie mittels der ganzen Bandbreite der außenpolitischen Instrumente stärken – zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit den internationalen Partnern und zur Erleichterung des Übergangs zu einer klimaneutralen Wirtschaft (EU-Klimapaket COM (2021) 550 final, S. 16). Diese erkennt auch der Klimagipfel von Glasgow “um die Mitte des Jahrhunderts” als notwendig an, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen (Ziff. 22).

Vor dem Hintergrund begrenzter eigener Vorräte und des Abschneidens zahlreicher Rohstoffvorkommen durch den Ukraine-Krieg erfordern die Klimaziele der EU entsprechend der klimaschutzbezogenen Internationalität nach Art. 191 Abs. 1–4 AEUV wie das Klimaschutzgebot aus Art. 20a GG für die Sicherung der Rohstoffversorgung eine Erweiterung der Sichtweise auf die internationalen Vorräte. Am besten wäre die Entwicklung eines Regelwerks für Rohstoffe, welches allen Staaten Zugang gewährt und zugleich für die weltweite Einhaltung von Mindeststandards beim Abbau sorgt. Darauf legt der Ampel-Koalitionsvertrag (S. 34) besonders Wert.

Um eine solche umfassende internationale Kooperation auf den Weg zu bringen, ist gleichfalls Vertrauen notwendig, das Deutschland durch seine Vorbildrolle im Bereich des Klimaschutzes stärken soll (BVerfG 1 BvR 2656/18 u. a., Rn. 203) und das auch Grundlage für die internationalen Bemühungen der EU ist. Parallel könnten beide – Deutschland und die EU – Musterbeispiele beim Zugang zu ihren eigenen Rohstoffen werden.

Auf dieser Grundlage könnte dann angestrebt werden, dass in einem Klimafolgeabkommen die Verfügbarkeit von Rohstoffen als Bestandteil des Klimaschutzes anerkannt wird und die Vertragsstaaten einen diese Verfügbarkeit gewährleistenden Zugang garantieren. Durch das Ausfallen maßgeblicher Rohstoffe aus Russland und der Ukraine ist ein solches Vorgehen dringend geboten. Andernfalls gerät der Klimaschutz ins Stocken und weder die europäischen noch die nationalen Klimaziele lassen sich erreichen. Der Ukraine-Krieg zeigt: Klimaschutz ist zugleich Rohstoffsicherung.

Prof. Dr. Walter Frenz, Maître en Droit Public, RWTH Aachen University

 
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