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INTER 2017, 181
Ensthaler 

Der Handel über Internetplattformen und das Markenimage

Abbildung 1

Der Handel verändert sich in Richtung digitale Marktplätze. Verkauft wird zunehmend über Plattformen. Nicht jeder Händler verfügt über eine Plattform und bietet daher über Internetplattformen an, die ihre Dienste für die Verkäufe zur Verfügung stellen. Die Hersteller, und häufig auch Vertriebsbinder in selektiven Vertriebssystemen, sind mit diesen Aktivitäten nicht immer einverstanden. Die Gründe lassen sich vielfach nur vermuten, bedeutsamer sind dann auch die Begründungen für die gegenüber ihren Händlern ausgesprochenen Verbote. In der Automobilindustrie wurde von einem Hersteller und Vertriebsbinder argumentiert, dass der nicht zum Vertriebssystem gehörende Betreiber einer Plattform einem nichtautorisierten Händler gleichzusetzen und eine Veräußerung über ihn eine Vertragsverletzung sei. Dieses Argument wurde von den Gerichten nicht anerkannt. Zu Recht: Ein Plattformbetreiber ist kein Händler, auch kein Vermittler; er stellt technische Ressourcen zur Förderung des Handels zu Verfügung, so wie ein Telekommunikationsanbieter sein Telefonnetz zur Verfügung stellt.

Nun gibt es neue Argumente für die Einschränkung der Benutzung von Vertriebsplattformen. Einzelne Markenhersteller sind im Hinblick auf die Wertschätzung ihrer Produkte bzw. dem Image der Marke mit einem Vertrieb durch Internetplattformen nicht einverstanden. Kartellrechtlich wäre das Verbot zulässig, wenn es erforderlich ist, um das Markenimage nicht zu beeinträchtigen. Ob das Verbot aus den genannten Gründen erforderlich ist, in welches Verhältnis neue Vertriebsstrategien, neue Vertriebswege zum Markenimage gebracht werden sollten, kann in einem Kurzbeitrag nicht ausdiskutiert werden.

Sicher wird aber zu berücksichtigen sein, dass Internetplattformen eine grundsätzlich andere Vertriebsform darstellen, als der Analogvertrieb und es wird – allgemeinen rechtlichen Grundsätzen folgend – zu berücksichtigen sein, dass die kartellrechtliche Erforderlichkeitsprüfung auch die Frage nach den Alternativen beinhaltet und insofern ist dann zu berücksichtigen, dass Plattformen nur bedingt mit den Anforderungen beim Analogvertrieb verglichen werden dürfen. Es sei denn, es wäre aus kartellrechtlicher Sicht zulässig, den Vertrieb über Plattformen generell zu verbieten, wenn der Analogvertrieb mehr dem Prestige der Marke entsprechen sollte. Das erscheint im Hinblick auf einen funktionalen Wettbewerb sehr fragwürdig, wenn man die Bedeutung bzw. die Zuwächse beim Internethandel berücksichtigt.

Die Frage nach den Maßstäben für die Erforderlichkeit lässt sich aus anderen kartellrechtlichen Zusammenhängen beantworten. Es geht dabei um die kartellrechtliche Gruppenfreistellungsverordnung, also gegenständlich um die sog. Vertriebs-GVO (VO 330/2010). Die GVO enthält als Kernbeschränkung das an den Vertriebsbinder gerichtete Verbot der Beschränkung des Kundenkreises. In dem zurzeit vor dem Europäischen Gerichtshof rechtshängigen Fall „Coty Germany ./. Parfümerie Akzente“ hat der Generalanwalt in seinem Schlussantrag die Auffassung vertreten, dass mit dem Verbot der Internetwerbung eine Beschränkung des Kundenkreises des Einzelhändlers nicht verbunden sei. Diese Auffassung ist nur dann richtig, wenn es Alternativen InTeR 2017 S. 181 (182)beim Vertrieb über Internetplattformen gibt, die dem Markenimage besser gerecht werden. Sollte es die nicht geben, wäre über das Verbot, eine konkrete Plattform nicht zu benutzen, der gesamte Internetvertrieb über Verkaufsplattformen ausgeschlossen. Das hätte dann zur Folge, dass der Internetvertrieb in heutiger Zeit als eine unbedeutende Nebensache einzustufen wäre, deren Ausschluss nicht für die Wertung geeignet ist, der Kundenkreis des Händlers werde unzulässigerweise eingeschränkt.

Die Mitteilungen einer anderen, bedeutsamen europäischen Institution, die der Europäischen Kommission, belegen genau das Gegenteil. In ihrer Mitteilung vom Mai 2016 über die Bedeutung von Online-Plattformen im digitalen Binnenmarkt stellt die Kommission fest, dass die Online-Plattformen in der digitalen Wirtschaft eine „zunehmende“ Bedeutung erhalten, dass „Online-Plattformen die digitale Wertschöpfung und damit das Wirtschaftswachstum im digitalen Binnenmarkt fördern“ und es wird festgestellt, dass diese Plattformen „inzwischen so wichtig sind, dass Europa wirtschaftlich und strategisch dazu gezwungen ist, die Entstehung neuer wettbewerblicher Plattformen in der EU zu erleichtern und zu unterstützen.“

Es bleibt zu hoffen, dass der Europäische Gerichtshof die recht kurzgriffigen Beurteilungen des Generalanwalts kritisch beurteilt und die Bedeutung der Verkaufsplattformen für den Vertrieb zu würdigen weiß. Die kartellrechtliche Folgerung daraus wäre, den Internetplattformvertrieb als eine grundsätzlich für alle Markenwaren geeignete Vertriebsform anzuerkennen und die Frage nach dem Entsprechen des Markenimages auf der Grundlage der auf dem Markt vorhandenen Plattformen zu beurteilen und nicht im Vergleich mit analogen Werbe- bzw. Vertriebsformen.

Prof. Dr. Dr. Jürgen Ensthaler

 
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