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INTER 2017, 61
Müller 

Hochautomatisierung jetzt, Vollautonomisierung später?

Abbildung 1

Auch der deutsche Gesetzgeber schreitet auf dem Weg zur Autonomisierung des automobilen Verkehrs voran – und klärt doch nur einen Zwischenschritt. Mit einem jüngst vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (vgl. Bundestags-Drucksachen 18/11300 und 11/11776) sind nun die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Betrieb von Kraftfahrzeugen über hoch- und vollautomatisierte Fahrfunktionen „im Rahmen der bestimmungsgemäßen“ Verwendung zulässig ist. Die Funktionen müssen manuell übersteuerbar und deaktivierbar sein. Im Ergebnis darf sich der – noch immer erforderliche – Fahrer bei Einsatz der Funktionen vom Verkehrsgeschehen abwenden, muss jedoch so wahrnehmungsbereit bleiben, dass er die Steuerung wieder übernehmen kann, wenn ihn das Automatisierungssystem hierzu auffordert oder andere Umstände aus dem Verkehrsgeschehen (etwa „hupende Fahrzeuge“, die den Fahrer auf das Versagen des Systems seines Fahrzeugs hinweisen) ihm dies nahe legen.

Die im StVG etablierten Haftungssysteme der Fahrerhaftung für vermutetes Verschulden (§ 18) sowie der Halterhaftung als Gefährdungshaftung (§ 7) werden beibehalten, eine generelle Herstellerhaftung für Risiken, die mit dem Einsatz automatisierter Systeme verbunden sind, wird nicht eingeführt. Vielmehr sieht der Gesetzgeber – zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer – weiterhin die Halterhaftung als zentrale Anspruchsgrundlage für die Abwicklung von Haftungsfällen an, die aus dem Betrieb automatisierter Fahrzeuge herrühren. Die finale Haftungszuweisung wird in Fällen, bei denen der Schaden aus der Realisierung automatisierungsbedingter Risiken resultiert, in den Binnenregress zwischen dem Haftpflichtversicherer des Halters und dem Hersteller bzw. dessen (Produkt-)Haftpflichtversicherer verschoben. Die eigentliche Risikozuweisung läuft somit über Regressansprüche (insbesondere über § 426 BGB) im Halter-Hersteller-Verhältnis, die sich gegenständlich auf häufig noch ungeklärte Bereiche der Produkthaftung stützen werden. Materiell-rechtlich hat der Gesetzgeber bezüglich der Haftung für Fahrzeuge mit automatisierten Systemen lediglich zweierlei Weichenstellungen vorgenommen: Zum einen werden zwecks Verkehrsopferschutz die gesetzlichen Höchstbeträge für die Halterhaftung angehoben, wenn und soweit der Unfall auf Systemfehlern beruht. Zum anderen werden zur Klärung der – nicht nur für die Fahrerhaftung bedeutsamen – Frage, zu welchem Zeitpunkt die automatisierten Funktionen aktiviert bzw. nicht aktiviert wurden, rechtliche Voraussetzungen zur Aufzeichnung entsprechender Daten geschaffen (§ 63a StVG inkl. Ermächtigungsgrundlage für Rechtsverordnung), die schon im Gesetzgebungsverfahren für viel Diskussionsstoff gesorgt haben.

Das Gesetz ermöglicht eine intensivierte Mensch-Maschine-Interaktion im Fahrzeug, vor allem zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit (zahlreiche Parlamentarier haben in den Plenarsitzungen mitgeteilt, dass sie technische Systeme als die besseren Fahrer ansehen). Dies bedeutet nichts mehr als einen ersten Schritt in Richtung moderne Mobilität, und doch ist die technische Entwicklung schon Meilen weiter. Rechtsdogmatisch ist das Gesetz gewiss kein Meilenstein, da grundlegende Weichenstellungen zu den Systemen und Voraussetzungen moderner Mobilitätshaftung außen vor bleiben. Spätestens aus Anlass der rechtlichen Regulierung wirklich autonomer Systeme wird der Gesetzgeber Farbe bekennen müssen. Denn wenn einzelne Fahrzeughersteller (z. B. Volvo) schon jetzt Haftungsrisiken aus automatisiert-autonomer Mobilität freiwillig zu übernehmen bereit sind, scheint der Markt die Bedeutung der Risikosteuerung moderner Mobilität grundlegend anders zu bewerten als der deutsche Gesetzgeber. Womöglich hinkt Deutschland also nicht nur bei der Technik hinterher.

Prof. Dr. Stefan Müller*

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Mehr über den Autor erfahren Sie auf Seite III.

 
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