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INTER 2025, 1
Müller 

Wie humangeneriert muss Innovation heute (noch) sein? – der Blick ins Patentrecht

Abbildung 1

Der DABUS-Beschluss des Patentsenats des BGH vom 11.06.2024 (X ZB 5/22) hat erwartungsgemäß großen Widerhall gefunden, kreiste er doch um eine Grundfrage des Patentrechts: Muss der (Mit-)Erfinder ein menschliches Wesen sein?

Mit Blick auf die Erfinderbenennung nach § 37 Abs. 1 PatG bewendet es nach dem Senat bei der Erkenntnis, der zufolge ein (Mit-)Erfinder eine natürliche Person zu sein hat. Anwendungen der Künstlichen Intelligenz, kurz KI-Anwendungen, sind einerseits nicht benennungsfähig, ihr Einsatz bei der Generierung einer einem oder mehreren Menschen zugeordneten Erfindung ist andererseits für die Patenterteilung unschädlich (dies gilt nach dem Beschluss jedenfalls soweit und solange die KI-Anwendung den menschlichen Erfinder lediglich dazu veranlasst hat, die Erfindung zu generieren, mithin technisches Mittel zum vom Menschen gesetzten Zweck ist, und nicht selbst als „Schöpfer“ der Erfindung bezeichnet wird).

De lege lata ist die – fehlende – Miterfindereigenschaft von KI damit höchstrichterlich geklärt; autonome KI-Erfindungen werden nicht anerkannt. Die rechtsdogmatisch spannendere und rechtspraktisch relevantere Frage lautet indes, wie ein menschlicher Beitrag zur Entstehung einer Erfindung i. S. des Patentrechts beschaffen sein muss, damit materiellrechtlich Patentfähigkeit gegeben ist. Nach herrschender Auffassung, so auch der des Senats im bezeichneten Verfahren, reicht selbst bei Zuhilfenahme von KI-Systemen jeder (schöpferische) menschliche Beitrag aus, der den erfinderischen Gesamterfolg wesentlich beeinflusst hat, um als erfinderische Leistung gelten zu können. Zur Qualität der Beziehung des menschlichen Akteurs zum eingesetzten KI-System sowie die Art der Tätigkeit (Programmierung, Datentraining) mochte der Senat keine Festlegung treffen, sondern begnügte sich mit der auch in der juristischen Literatur mitgeteilten Erkenntnis, wonach technische Systeme, die ohne jede menschliche Vorbereitung oder Einflussnahme nach technischen Lehren sucht, derzeit nicht existierten. Damit ist freilich, mit Blick auf die Zukunft und unter dem Eindruck immer leistungsstärker werdender KI, zunehmend weniger gewonnen: Fasst man die Kausalkette nur weit genug, wird sich immer irgendein menschliches Verhalten als Auslöser für eine KI-Anwendung finden lassen, selbst wenn die KI die wesentlichen Beiträge zum Auffinden und Formulieren der technischen Lehre (vgl. dazu aus Praxissicht eingehend nunmehr Wege, InTeR 2024, 100, 101 ff.) erbracht haben sollte. Bis auf Weiteres darf man jedoch mit dem BGH zuversichtlich sein, es werde sich noch zu jeder Erfindung ein Mensch finden lassen, dem sie rechtlich zugeordnet werden kann.

Freilich betrifft die Frage nach dem KI-Beitrag am Erfindungsprozess nicht nur das formelle und materielle Kernpatentrecht, sondern strahlt in patentrechtliche Sondermaterien aus: So wird im Arbeitnehmererfinderrecht die per Sondervergütung abgegoltene Beteiligung des menschlichen Erfinders auch über den dem Arbeitgeber zugeschriebenen Anteilsfaktor (vgl. dazu wiederum Wege, InTeR 2024, 100, 107 gesteuert und durch Vergütungs-Richtlinien konkretisiert; zu den arbeitgeberseitig gestellten Betriebsmitteln sind auch KI-Werkzeuge einschließlich KI-Trainingsdatensätzen zu rechnen, was nominell für eine Erhöhung des dem Arbeitgeber zuzurechnenden Anteils und folglich eine Absenkung der Arbeitnehmervergütung streiten würde. Leistner, RDi 2024, 454, 456, regt indes an, den KI-Beitrag arbeitnehmererfinderrechtlich nicht einseitig dem Arbeitgeber zuzuweisen, um weiter Anreize für hochqualifizierten menschlichen Input zu schaffen. So oder so: „Die“ Frage nach dem Humanbeitrag für die patentrechtliche Innovation scheint sich einstweilen in Detailaspekte des Erfinderrechts zu verschieben.

Prof. Dr. Stefan Müller, Paderborn*

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Mehr über den Autor erfahren Sie auf S. III.

 
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