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K&R 2015, I
Hoene 

Aufklärung vs. Informantenschutz – Die Durchsuchung von Presseunternehmen

Abbildung 1

RAin Dr. Verena Hoene, LL.M., Köln

Die Entscheidung hat einiges Aufsehen erregt. Presseräume wurden durchsucht, Material beschlagnahmt. Problematisch, urteilte das BVerfG, denn die nach Art. 5 GG gesicherte Eigenständigkeit der Presse reiche von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen. Zur Pressefreiheit gehöre daher auch der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Presse und privaten Informanten. Eine Durchsuchung von Presseunternehmen nur zum Zweck der Ermittlung von Informanten sei daher unzulässig.

Die Entscheidung ist unter dem Stichwort “Spiegel-Urteil” bekannt geworden und stammt aus dem Jahr 1966. Daher erstaunt es doch, dass die Durchsuchung von Presseräumen zwar nicht häufig, aber doch immer wieder vorkommt. Neben der schon legendären Spiegel-Entscheidung sind aus dem Jahr 2007 die Cicero-Entscheidungen zu nennen (Urt. v. 27. 2. 2007 – 1 BvR 538/06, 1 BvR 245/06, BVerfGE 117, 244 ff.). Im Politmagazin Cicero wurde im Jahr 2005 ein Artikel eines freien Journalisten veröffentlicht, der sich mit einem Terroristen befasste und in den teilweise auch Zitate aus einer Auswertung des Bundeskriminalamtes eingeflossen waren. Gegen den Journalisten wurde ein Verfahren wegen Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses gemäß den §§ 353 b, 27 StGB eingeleitet. In der Folge wurden Wohn-, Geschäfts- und Nebenräume des Journalisten sowie die Redaktionsräume des Cicero durchsucht. Zur Begründung hieß es, der beschuldigte Journalist habe an der Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses mitgewirkt. Nicht ausreichend, urteilte das BVerfG. Zwar könnten Durchsuchungsandrohungen gegen einen Journalisten, der selbst Beschuldiger sei und daher nicht dem Schutz des § 97 Abs. 5 StPO unterliege, zulässig sein. Dies gelte aber dann nicht, wenn die Anordnung mit dem vorrangigen oder ausschließlichen Zweck erfolge, Verdachtsgründe gegen den Informanten zu finden. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Medienangehörigen den Informantenschutz unterlaufe.

Gleichwohl hatte das BVerfG aktuell schon wieder Veranlassung, zum Verhältnis von Strafverfolgungsmaßnahmen und Informantenschutz Stellung zu nehmen: Im Jahr 2010 recherchierte ein Journalist im Zusammenhang mit dem Dutroux-Fall das Verschwinden zweier Kinder in den 90iger Jahren. Auf einer Reise im Jahr 2011 nach Amsterdam wurde er durch einen Polizeioberkommissar begleitet. Der Journalist wurde beschuldigt, dem Beamten für die Weiterleitung dienstlicher Informationen eine Vergütung gezahlt zu haben. Im November 2012 wurden sodann die Privatwohnung des Journalisten sowie das Redaktionsgebäude der Berliner Morgenpost durchsucht. Die Instanzgerichte hielten diese Maßnahmen für zulässig. Anders – erneut – das BVerfG. Dieses betonte noch einmal, dass Durchsuchungen bei Pressevertretern hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Beteiligung an einer Straftat voraussetzen. Es sei unzulässig, mit der Maßnahme vorrangig Verdachtsgründe gegen den Informanten zu verifizieren (BVerfG, Beschl. v. 13. 7. 2015 – 1 BvR 2480/13 und 1 BvR 1089/13, 1 BvR 1090/13, K&R 2015, 648 ff.).

Bedauerlich ist, dass in allen drei genannten Entscheidungen die klarstellenden Worte erst durch das BVerfG erfolgten. Denn die Ausstrahlungswirkung, die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen haben, ist gravierend. Wer befürchten muss, dass seine Informationen bei einem Journalisten oder in einem Verlagshaus doch nicht “sicher” sind, wird sich nachvollziehbar bei der Aufdeckung brisanter Sachverhalte zurückhalten. Die Presse kann damit ihrer Wächterfunktion nicht mehr gerecht werden. Und noch ein anderer Aspekt darf nicht aus dem Blick geraten: Wenn ein Verlagshaus, aber auch der einzelne Journalist befürchten muss, mit einer Durchsuchung und einer Beschlagnahme konfrontiert zu werden, besteht die Gefahr einer Selbstzensur. Es bedarf einiger Energie und eines gewissen Selbstbewusstseins, Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen durch die Instanzen zu ziehen, um sie letztlich vom BVerfG überprüfen zu lassen, Kosten und ungewisser Ausgang inklusive.

Das BVerfG hat entschieden – wieder einmal. Zu hoffen bleibt, dass als Konsequenz bei allem berechtigten und sogar wünschenswerten Aufklärungsinteresse der Strafverfolgungsbehörden auch berücksichtigt wird, dass die Presse häufig durch ihre Arbeit dieses Aufklärungsinteresse erst begründet hat.

RAin Dr. Verena Hoene, LL.M., Köln

 
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