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K&R 2013, 1
Immenga, Frank A 

Die Pornoindustrie im Fadenkreuz des Urheberrechts: Wie steht es um die Schöpfungshöhe bei "reiner Pornographie"?

Ausgangspunkt: Vorsicht beim Up- und Downloaden von Filmen im Internet! Schutzvoraussetzung ist im Grundsatz aber, dass es sich um ein (Film-)Werk handelt. Diesen Schutz gibt es, wenn eine "persönliche geistige Schöpfung" i. S. d. § 2 Abs. 2 UrhG vorliegt. Stellt der (pornographische) Film also kein Werk dar, dann genießt er keinen Urheberschutz und der heimische User darf sich zumindest in dieser Frage vor der "Abmahnindustrie" in Sicherheit fühlen.

Was ist passiert? Das LG München hat entschieden, dass das Filesharing von Pornofilmen nicht (zwangsläufig) gegen das Urheberrecht verstoßen muss. Es stellte fest, dass sein eigener Beschluss, eine Telefongesellschaft dazu zu verpflichten, Auskunft darüber zu erteilen, wem Internetanschlüsse zugeordneten waren, über die angeblich die Filme "Flexible Beauty" und "Young Passion" heruntergeladen worden sind, rechtswidrig ist. Aus dem Beschluss (29. 5. 2013 - 7 O 22293/12) geht insoweit hervor, dass das Gericht bei den streitgegenständlichen Pornofilmen nicht davon überzeugt war, dass sie urheberrechtlich geschützt sind. Da sie "lediglich sexuelle Vorgänge in primitiver Weise" und "reine Pornographie" zeigten, seien die Videos nicht als Filmwerk i. S. d. § 94 UrhG schutzfähig. Denn es fehle "offensichtlich an einer persönlichen geistigen Schöpfung" (gem. § 2 Abs. 2 UrhG). Besonderheit im vorliegenden Fall: Da beide Filme nicht als DVDs auf dem deutschen Markt vertrieben wurden und auch eine Abrufbarkeit über Video-on-Demand nicht festgestellt werden konnte, erkannte das Gericht auch keinen Laufbilderschutz nach §§ 95 i. V. m. 94 UrhG an. Dies ist im Regelfall der "Auffangtatbestand" für Filme, welche keine Werksqualität erreichen.

Als Gretchenfrage verbleibt hier offen, ob pornographische Filme die notwendige Schöpfungshöhe aufweisen und damit das "Ergebnis eigenpersönlicher Geistestätigkeit" darstellen. In der Rechtsprechung wird diese Frage selten aufgenommen, da im Regelfall (zumindest) der Auffangtatbestand des Laufbilderschutzes besteht. Rechtsprechung und Literatur verweisen aber dennoch immer gerne auf OLG Hamburg, GRUR 1984, 663 - Video Intim. Bereits dort hat sich das Gericht jedoch (anscheinend) nicht mit dem tatsächlichen Inhalt des Films weiter auseinandergesetzt. Denn es schreibt: "Den Titeln der Videokassetten [...] ist zu entnehmen, dass es sich um Pornofilme handelt". Hiernach basiert das Gericht sein Urteil anscheinend lediglich auf den Titel und kommt zu der Aussage: "Filme dieser Art pflegen nicht persönliche geistige Schöpfungen zu sein. [...] Ihnen gibt im Allgemeinen nicht die individuelle Anschauung und Gestaltungsweise des Schöpfers das Gepräge". Begriffe wie "pflegen" und "im Allgemeinen" spiegeln somit zumindest bereits wider, dass auch Pornographie Werksqualität erreichen kann. Umso erstaunlicher ist insoweit zuletzt der (pauschale) Verweis des LG Köln (Az.: 28 O 826/09) auf das Hamburger Urteil: "Bei den Erotikfilmen handelt es sich mangels Werkqualität um Laufbilder".

Es bleibt festzuhalten: An die Frage der Werksqualität von pornographischen Filmen trauen sich die Richter (noch) nicht ran. Wie so oft - ist die Frage der untersten Stufe der Urheberrechtsschutzfähigkeit einer Gestaltung das Problem. Entscheidend ist, ob eine Schöpfung von vorbekannten Schöpfungen abweicht und diese Abweichungen nicht allein auf einem mechanisch-technischen oder routinemäßigen bzw. handwerksmäßigen Handeln beruhen. Wie kann man hier unterscheiden? Besteht Werksqualität bei erotischen Filmen erst bei einem weitergehenden Handlungsstrang? Im Sinne des LG München: Bitte keine "reine Pornographie"! Dann verbleibt aber immer noch die Frage, wann man die pornographischen Handlungen als "lediglich sexuelle Vorgänge in primitiver Weise" oder "mechanisch-technisch" qualifizieren muss? Ist damit die "primitive Produktionsqualität" gemeint? Oder stellt man dann ganz puristisch auf die "sexuellen Vorgänge" ab? Diesbezüglich erlaubt sich dann die Frage, ob es auch die kultivierte Darstellung von sexuellen Vorgängen gibt?

Fazit für alle User: Wie eine kultivierte (statt primitive) Darstellung von sexuellen Vorgängen aussehen kann - bleibt bisher (leider) in der Phantasie der Gerichtsbarkeit (unbeantwortet) zurück. Bevor man nach einer Abmahnung (aus schlechtem Gewissen) einen pauschalen Abgeltungsbetrag bezahlt und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung unterschreibt, sollte man demnach die Frage aufwerfen, ob der Film überhaupt urheberrechtlichen Schutz in Deutschland genießt. Bei dieser Antwort ist dann zweifelsfrei der User selbst der Experte!

RA Prof. Dr. Frank A. Immenga, LL.M. (Emory), Attorney at Law (NY), Frankfurt a. M.
 
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