Digitalisierung | Nachhaltigkeit | Innovation
Dr. Rudolf Aunkofer
Liebe Leserin, lieber Leser!
“Twin Transition” ist eines der zentralen Themen der letzten Jahre, das aktuell auch verstärkt die Transport- und Logistik-Branche erreicht. Mit dem Begriff wird ein zweifacher Transformationsprozess bezeichnet, der – vereinfacht gesagt – die Zielsetzung hat, durch Digitalisierung und Vernetzung ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit zu erreichen. Ursächlich ist u. a. die Einführung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, das die unternehmerische Verantwortung entlang von Lieferketten regelt, wie auch der E-Rechnung, die eine automatisierte Verarbeitung von Rechnungen mittels eines strukturierten elektronischen Formats ermöglicht.
Wie in der Vergangenheit, zeigt sich auch an diesem Beispiel, dass einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland mit über drei Millionen Beschäftigten und mehr als 300 Milliarden Euro Umsatz Innovation eher verhalten bis abwartend umsetzt, also keine First Mover oder Fast Follower Strategie verfolgt. Die Motive für die Umsetzung der doppelten Transformation sind vielschichtig. Es sind weniger brancheninterne Faktoren bzw. intrinsische Motivation, sondern mehr externe Faktoren – Liefergesetz, E-Rechnung, Kostendruck – bzw. extrinsische Motivation, die die Branche bewegt. Somit stellt sich die Frage, warum dies einerseits so ist und was zu einer aktiveren Rolle in puncto Innovation führen kann?
Eine der zentralen Ursachen dürfte einige Jahrhunderte zurückliegen. Die Branche war im gesamten Mittelalter wie in der Frühen Neuzeit davon geprägt, Waren und Güter sicher und zuverlässig über bekannte Wege von A nach B zu transportieren. “Ausgetretene Pfade” zu verlassen war für die Transport-Branche stets risikoreich, mit Gefahr für Ware wie auch Leib und Leben verbunden. Die bewährten Wege zu kennen, diese ggf. wiederzufinden war ein entscheidender Wettbewerbsvorteil und gut für das Geschäft. Diese Grundhaltung prägte die Branche über ein Jahrtausend und prägt sie – wenn auch unbewusst – bis in das 21. Jahrhundert. Aus diesem Blickwinkel verwundert es somit nicht, warum einerseits (internationale) Handelsbeziehungen Kriege und Regierungswechsel unbeschadet überstehen, andererseits die Einführung von Neuerungen i. d. R. etwas mehr Zeit bzw. Geduld beansprucht.
Um offener für Innovation, Neuerung und Veränderung zu werden, ist ein bewusstes, grundlegendes Umdenken, ein Paradigmenwechsel, erforderlich. Der Transport- und Logistik-Branche muss bewusst werden, dass der einfache Transport von Waren und Gütern von A nach B heute einer der wenigen, in vielen Fällen der einzige verbliebene strategische Wettbewerbsvorteil einer digital vernetzten Welt darstellt, in der Produkte wie deren Anbieter mehr und mehr als austauschbar erlebt werden oder in Zukunft austauschbar sind. Die erheblichen Logistikinvestitionen von beispielsweise Discountern oder Online-Händlern zeigen, dass den Auftraggebern der Branche die neue Bedeutung von Transport und Logistik bereits bewusst ist. Nun ist es an der Branche selbst, diese neue Rolle zu verinnerlichen. Das ist die einzigartige Chance für Transport und Logistik innovativ, digital vernetzt und nachhaltig wahrgenommen zu werden. Es liegt an uns, diese Chance gemeinsam zu nutzen!
In diesem Sinne: Seien Sie geduldig und erinnern Sie die Branchenverantwortlichen an die neuen Chancen, die die Twin Transition für die Transport- und Logistik-Branche bietet. Die Themen und Inhalte der neuen Ausgabe der Logistik & Recht geben Ihnen hierfür die relevante Informations- wie Argumentationsbasis!
Dr. Rudolf Aunkofer | Geschäftsführer | CNA e. V. | Logistik Initiative Bayern | rudi.aunkofer@cna-ev.de | www.cna-ev.de