Rechtliche Grundlagen für die Stilllegung von Gasverteilernetzen
Dr. Frank Hölscher*
Der Beitrag gibt einen Überblick über die rechtlichen Voraussetzungen für die Stilllegung von Gasverteilernetzen nach derzeitigem Recht und nach der neuen Gasrichtlinie (EU) 2024/1788. Dabei wird herausgearbeitet, dass eine Stilllegung ganzer Netze oder wesentlicher Teile davon nach geltendem Recht regelmäßig rechtswidrig wäre. Nach der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 bedarf es regelmäßig eines Stilllegungsplans, für den die Richtlinie einerseits detaillierte Vorgaben macht, die andererseits dem deutschen Gesetzgeber aber deutliche Spielräume bei einer konkretisierenden Umsetzung lassen.
I. Einleitung
Die Frage, unter welchen Umständen und zu welchem Zeitpunkt Gasverteilernetze stillgelegt werden dürfen, hat durch die Ankündigung eines kommunal beherrschten Unternehmens, das Gasverteilernetz in einer südwestdeutschen Großstadt bis zum Jahr 2035 stillzulegen,1 größere öffentliche
Rechtliche Argumente haben die öffentliche Diskussion demgegenüber allenfalls in Ansätzen erreicht. Daher soll im Folgenden ein Überblick über die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen gegeben werden. Auf die Frage einer Umnutzung der Netze oder wesentlicher Teile für den Transport von Wasserstoff wird dabei nur am Rande eingegangen.3
Das geltende EnWG kennt keine ausdrücklichen Regelungen für die Stilllegung von Gasverteilernetzen. Bezüglich einer Stilllegung von Gasverteilernetzen im Zuge der Dekarbonisierung geht das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in einem „Green Paper“ aus dem Jahr 2024 davon aus, dass es insoweit eines neuen Ordnungsrahmens bedarf.4 Wesentliche Elemente dieses neuen Ordnungsrahmens ergeben sich aus der Gasrichtline (EU) 2024/1788, die nach Art. 94 dieser Richtlinie spätestens bis zum 5. August 2026 in nationales Recht umzusetzen ist. Stilllegungen ab Umsetzung der Richtline, spätestens ab dem 5. August 2026, werden die Voraussetzungen der Gasrichtline (EU) 2024/1788 erfüllen müssen.
II. Stilllegungszeitpunkt vor Umsetzung der Richtlinie
Die Stilllegung eines Gasverteilernetzes greift in die Rechte oder zumindest Interessen der Nutzer dieses Netzes ein. Das sind sowohl die Endkunden als auch die Händler. Die Stilllegung muss damit zumindest zum Stilllegungszeitpunkt mit dem dann geltenden Recht vereinbar sein.
1. EnWG
Das geltende EnWG beruht auf dem Konzept des Netzbetriebs als Ewigkeitsaufgabe. Der aktuelle gesetzliche Rahmen ist, nach Einschätzung des BMWK, auf einen zeitlich nicht begrenzten Fortbestand der Verteilernetze einschließlich Erweiterungs- und Ersatzinvestitionen ausgelegt.5
Diese Konzeption schlägt sich in der Regelung der §§ 16a, 15 und § 11 Abs. 1 EnWG nieder. Nach dieser Konzeption findet die Pflicht, Gasverteilernetze zu betreiben, durch Ersatzinvestitionen betriebsbereit zu halten und durch Erweiterungsinvestitionen bedarfsgerecht auszubauen, ihre Grenze an der wirtschaftlichen Zumutbarkeit. Eine besondere Einschränkung der Ausbaupflicht gilt nach § 11 Abs. 1 S. 6 EnWG für Netze zur Versorgung mit niederkalorischem („low caloric“) Gas, dem sog. L-Gas. Mit der fortschreitenden Umstellung dieser Netze auf hochkalorisches („high caloric“) bzw. H-Gas wird diese Vorschrift obsolet werden.
Eine Regelung über die Stilllegung von Gasnetzen aufgrund der angestrebten Dekarbonisierung enthält das geltende EnWG nicht. Auch bei dieser Zweckrichtung kommt es also darauf an, ob die Pflicht, die Netze weiter zu betreiben und betriebsbereit zu halten, wirtschaftlich unzumutbar ist. Allein eine unternehmenspolitische Entscheidung des Unternehmens oder seiner Gesellschafter, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt kohlendioxidfrei zu sein, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
Bezüglich der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit werden in der Literatur strenge Kriterien angelegt. Diskutiert wird dabei in erster Linie die Verpflichtung zum Netzausbau. Auch hier soll eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht kommen.6 Dies gilt erst recht, wenn es lediglich um die Verpflichtung zum Weiterbetrieb und nicht um den Ausbau geht, da zum Weiterbetreib in der Regel keine Neuinvestitionen erforderlich sind, die wirtschaftliche Belastung also geringer ist.
Ob das derzeit geltende Recht einer Stilllegung von Gasverteilernetzen unter allen Umständen entgegensteht oder wann „absolute Ausnahmefälle“ vorliegen, kann letztlich dahinstehen. Stilllegungen von ganzen Netzen oder auch nur von Teilnetzen innerhalb der nächsten gut anderthalb Jahre plant niemand. Eine so kurzfristige Abschaltung wäre für die Nutzer auch unzumutbar. Daher stellt sich für diesen kurzen Zeitraum auch nicht die Frage einer Alternativenprüfung im Sinne einer Umnutzung der Netze für erneuerbare Gase.
2. Unionsrechtliche Vorgaben
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erdgasrichtlinie 2009/73/EG oder andere Rechtsakte für den Zeitraum vor Umsetzung der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 zu einem anderen Ergebnis führen würden. Dies gilt auch für die sog. Versorgungssicherheitsverordnung (EU) 2017/1938 vom 25. Oktober 2017. Diese Verordnung enthält Regelungen für die Gewährleistung einer sicheren Gasversorgung, bietet aber keine Grundlage für eine Stilllegung von Gasverteilernetzen. Dementsprechend enthält sie auch keine Vorgaben, die bei einer Stilllegung zu beachten wären.
3. Landesrechtliche und kommunale Regelungen
Landesrechtliche Regelungen stellen teilweise das Ziel auf, dass das Bundesland vor 2045 oder 2050 kohlendioxidneutral sein soll.7 Diese Vorgaben können allerding nur im Zuständigkeitsbereich der Länder rechtlich relevant sein. Bezüglich des Energiewirtschaftsrechts hat der Bund nach Art. 74 Abs. 2 Nr. 11 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz.8 Soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat, sind die Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG von der Gesetzgebung ausgeschlossen. Der Bund hat bezüglich der Verpflichtungen der Netzbetreiber im EnWG eine abschließende Regelung getroffen. Die Länder haben insoweit also keine Gesetzgebungskompetenz mehr. Im Übrigen würde die bundesgesetzliche Regelung dem Landesrecht vorgehen (Art. 31 GG). Daher enthalten Klimaschutzgesetze der Länder regelmäßig auch keine Vorgaben für Netzbetreiber.9
Bei der der kommunalen Wärmeplanung ist zu berücksichtigen, dass die Pläne rechtlich unverbindlich sind (§ 23 Abs. 4, § 27 Abs. 2 WPG). Sie begründen also für die Gebäudeeigentümer keine Pflicht, sich an die geplanten Netze anzuschließen. Auch begründen sie keine Ansprüche der Gebäudeeigentümer, dass die geplanten Netze tatsächlich errichtet werden. Auch führen sie nicht dazu, dass Netzbetreiber berechtigt wären, die in der Planung nicht vorgesehenen Netze stillzulegen.
4. Beendigung der Konzession
Das BMWK erwägt in dem bereits erwähnten „Green Paper“ eine gesetzliche Anordnung oder eine gesetzliche Ermächtigung dafür, den Altkonzessionär zu verpflichten, das Netz für einen Übergangszeitraum weiterzubetreiben.10
Bei diesen Überlegungen übersieht das BMWK aber, dass bei einer Beendigung des Konzessionsvertrags, ohne dass sich ein Neukonzessionär findet, lediglich die konzessionsrechtlichen Pflichten enden. Es spricht nichts dafür, dass auch die aus der Stellung als Netzbetreiber resultierenden Pflichten enden würden, ohne dass es dafür eine energiewirtschaftsrechtliche Grundlage geben würde.11 Mit anderen Worten: Auch der Netzbetreiber, der keine Konzession mehr hat, weil er sich nicht beworben hat, wird von der Betriebspflicht nur unter den o. g. Bedingungen frei – oder wenn ein anderer Netzbetreiber das Netz übernommen hat.
Hiervon geht auch das EnWG aus, das bis zum Übergang auf einen anderen Betreiber in § 48 Abs. 4 EnWG sogar eine fortdauernde Verpflichtung zur Zahlung der Konzessionsabgaben auch ohne vertragliche Grundlage angeordnet hat.
Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass der Netzbetreiber ohne Konzession kein Nutzungsrecht gegenüber der Gemeinde hat. Denn diese defizitäre Rechtsposition hat der Betreiber willentlich herbeigeführt, wenn er sich nicht um eine weitere Konzession bemüht hat. Auch ein Netzbetreiber, der sein Personal kündigt, wird nicht von seinen Pflichten frei, sondern verletzt diese Pflichten.
III. Stilllegungszeitpunkt nach Umsetzung der Gasrichtline (EU) 2024/1788
Die Beurteilung der Rechtslage nach Umsetzung der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 bereitet besondere Schwierigkeiten. Zum einen enthält die Richtlinie viele unbestimmte Begriffe und auch eine Vielzahl von Umsetzungsspielräumen. Zum anderen hängt eine Prognose des künftigen Bedarfs an fossilem Erdgas und von Biomethan unmittelbar von den Regelungen des GEG ab.
Die Gasrichtline (EU) 2024/1788 ist als Richtlinie über gemeinsame Vorschriften für die Binnenmärkte für erneuerbares Gas, Erdgas und Wasserstoff bezeichnet. Sie trägt damit dem Gedanken integrierter europäischer Märkte für erneuerbares Gas, Erdgas und Wasserstoff Rechnung.
Die Richtline geht von getrennten Transportsystemen für Wasserstoff und Methan aus. Erdgas und erneuerbares Gas werden nach der Konzeption der Richtline in einem einheitlichen Netz transportiert. Bei der Lektüre der Richtline kann es zur Verwirrung beitragen, dass nach der Definition in Art. 2 Nr. 1 der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 Erdgas der Oberbegriff für Erdgas (fossiles Methan) und Biomethan ist.12
1. Ausgangspunkt: Möglichkeit der Kündigung des Anschlusses
Wer ein Netz stilllegen will, muss spätestens zum Stilllegungszeitpunkt die Anschlüsse kündigen. Voraussetzung für eine solche Kündigung ist im Bereich der Verteilernetze regelmäßig, dass ein von der Regulierungsbehörde genehmigter Stilllegungsplan vorliegt (Art. 38 Abs. 4 Nr. 2 der Gasrichtlinie [EU] 2024/1788).
Der nationale Gesetzgeber kann für Verteilernetzbetreiber mit weniger als 45 000 angeschlossenen Kunden eine Befreiung von dem Erfordernis eines Stilllegungsplans vorsehen. Es ist unklar, ob der deutsche Gesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird. Daher wird diese Variante im Folgenden nicht betrachtet.
2. Stilllegung aufgrund verringerter Erdgasnachfrage erforderlich: das „Ob“ eines Stilllegungsplans
Voraussetzung für die Aufstellung eines Stilllegungsplans ist, dass eine Verringerung der Erdgasnachfrage zu erwarten ist, die eine Stilllegung des Netzes oder von Teilen davon erfordert. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, kommt es auf die weiteren in Art. 57 der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 aufgestellten Voraussetzungen nicht mehr an. In einem ersten Schritt ist also zu prüfen, ob während des Prognosezeitraums eine Stilllegung wegen einer Verringerung der Erdgasnachfrage erforderlich werden wird.
a) Erdgasnachfrage
Die Richtlinie versteht unter der Nachfrage nach Erdgas die kumulierte Nachfrage nach Erdgas, Biomethan und allen anderen Gasarten, die technisch und sicher in das Erdgassystem eingespeichert werden können. Diese etwas verwirrende Terminologie ergibt sich aus der Definition des Begriffs „Erdgas“ in Art. 2 Nr. 1 der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788, welche die genannten Gasarten entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch in den Begriff „Erdgas“ einbezieht.13
Diese Begriffsdefinition entspricht dem Konzept der Richtlinie, die für gasförmige Energieträger zwei unterschiedliche Netze vorsieht, nämlich ein Erdgasnetz (Erdgassystem) für Methan und mit Methan transportierbare Gase und ein getrenntes Netz für Wasserstoff (Wasserstoffsystem).
Art. 30 der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 verpflichtet die Mitgliedstaaten, den Zugang zum Markt für erneuerbare und kohlenstoffarme Gase unabhängig davon zu ermöglichen, ob die Erzeugungsanlagen an Verteiler- oder Fernleitungsnetze angeschlossen sind. Marktzugang bedeutet dabei, dass diese Gase ebenso wie konventionelles (fossiles) Erdgas am virtuellen Handelspunkt handelbar sind. Im Transportsystem kommt es daher zu einer rein bilanziellen Betrachtung. Ein Kunde bezieht diese Gase, wenn ein Händler in einem Bilanzkreis die Einspeisung und die Ausspeisung dieser Gase bilanziert.
Mit dem freien Markzugang nach Art. 30 der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 dürfte es nicht vereinbar sein, wenn Verteilernetze allein auf diese Gase umgestellt würden, der Erzeuger also sein Biogas allein an die Kunden verkaufen könnte, die an das gleiche Verteilernetz angeschlossen sind. Eine Ausnahme käme möglicherweise dann in Betracht, wenn im Rahmen des
Dieser Grundkonzeption entspricht es, dass – nach derzeitigen Planungen auf EU-Ebene – bis 2050 das Erdgasnetz als Mischnetz Biogase und fossiles Erdgas transportiert. Die Frage der Umstellung eines Verteilernetzes auf Biogase stellt sich demnach nicht.
Demnach stellt sich auch nicht die Frage einer Alternativenprüfung, also die Prüfung der Frage, ob der Netzbetreiber das Netz als ein Netz für erneuerbare Gase weiterbetreiben will. Ob und in welchem Umfang in ein Netz Biogase eingespeist und entnommen werden, entscheiden Erzeuger, Händler und Endkunden, nicht der Netzbetreiber, für den das Entflechtungsgebot gilt (Art. 46 der Gasrichtlinie [EU] 2024/1788).14 Eine Alternative, ein Netz nur für fossile Gase oder ein Netz nur für erneuerbare Gase zu betreiben, stellt sich daher regelmäßig bis 2045 oder 2050 nicht.
b) Zu erwartende Verringerung der Nachfrage
Voraussetzung für die Aufstellung eines Stilllegungsplans ist es, dass eine Verringerung der Nachfrage nach Erdgas zu erwarten ist. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass es im Ergebnis auf die kumulierte Nachfrage nach fossilem Erdgas und Biogasen ankommt. Wie genau diese Prognose durchzuführen ist, ergibt sich aus der Richtlinie nicht. Hier kann der deutsche Gesetzgeber einen Umsetzungsspielraum haben.
Die Pläne erstrecken sich nach Art. 57 Abs. 2 lit. f der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass der Prognosezeitraum auch mindestens zehn Jahre betragen muss. Für diesen Zeitraum ist die Nachfrage abzuschätzen. Es dürfte zweckmäßig sein, die Abschätzung separat für fossiles Erdgas und für Biogase durchzuführen. Anschließend wären beide Abschätzungen zusammenzufassen.
Bei der Abschätzung sind die verschiedenen Sektoren zu berücksichtigen. Dabei dürfte die Nachfrage nach Erdgas für private Haushalte im Vordergrund stehen. Auch andere Nachfrager müssen in der Betrachtung aber berücksichtigt werden. Die Richtlinie verlangt ausdrücklich, dass die Stilllegungspläne auch dem Bedarf der Sektoren Rechnung tragen müssen, die von ihnen nicht umfasst werden.
Bei der der kommunalen Wärmeplanung ist zu berücksichtigen, dass die Pläne rechtlich unverbindlich sind (§ 23 Abs. 4, § 27 Abs. 2 WPG). Sie begründen also für die Gebäudeeigentümer keine Pflicht, sich an die geplanten Netze anzuschließen, auch wenn § 27 Abs. 1 GEG einschlägig ist.15 Für sie gelten die Regelungen des GEG. Zudem besteht keine rechtliche Sicherheit, dass in den kommunalen Wärmeplänen vorgesehene Wärmenetze tatsächlich gebaut werden, und schon gar nicht, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung stehen.
Soweit die kommunale Wärmeplanung elektrisch betriebene Wärmepumpen vorsieht, ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass die Wärmepläne unverbindlich sind und sich die Verpflichtungen der Gebäudeeigentümer nach dem GEG richten.16
Bei der Prognose ist der derzeitige Bestand an Gasheizungen zu berücksichtigen. Dabei ist zugrunde zu legen, dass der Bestand im Wesentlichen bis 2045 vollständig mit fossilem Gas betrieben werden darf (§ 71 GEG).17 Dieser Bestand wird sich durch technischen Ausfall vermindern. Dies ist in der Prognose zu berücksichtigen. Auch ist abzuschätzen, ob sich mit fossilem Gas oder mit Biogas betriebene Anlagen im Vergleich zu elektrischen Wärmepumpen verteuern und ob sich daher möglicherweise für Betreiber funktionierender Gasheizungen ein Umstieg auf elektrisch betriebene Wärmepumpen lohnt.
Für Ersatzanlagen sind die Regelungen des GEG im Grundsatz zugrunde zu legen. D. h. ab Vorliegen eines kommunalen Wärmeplans mit der Ausweisung eines Wärmenetzes oder eines Wasserstoffnetzausbaugebiets bzw. ab dem 1. Juli 2026 bzw. 2028 werden nur Lösungen zulässig ein, die zu 65% kohlendioxidfrei betreiben werden (§ 71 Abs. 8 GEG). Gasheizungen erfüllen dieses Kriterium, wenn sie bis 2045 mit einem entsprechenden Mix aus Biogasen und fossilem Erdgas betrieben werden (§ 71f Abs. 1 S. 1 GEG). Von 2045 an müssten die Heizungen mit 100% erneuerbarem Gas betrieben werden (§ 72 Abs. 4 GEG). Man wird zum derzeitigen Zeitpunkt auch berücksichtigen müssen, dass das GEG politisch sehr umstritten ist und Änderungen als möglich erscheinen.
Insgesamt wird die Abschätzung auch von der angenommenen Preisentwicklung von fossilem Erdgas, Biogas, Strom und Fern-/Nahwärme abhängen. Es wird eine mit vielen Unsicherheitsfaktoren verbundene Prognose sein. Möglicherweise macht der deutsche Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung Vorgaben für die Prognose.
c) Erforderlichkeit der Stilllegung
Wann eine Verringerung der Nachfrage und damit eine schlechtere Auslastung des Netzes eine Stilllegung erfordern, ist in der Richtlinie nicht näher erläutert. Dementsprechend wirft das BMWK in dem bereits zitierten „Green Paper“ auch die Frage auf, wann ein Gasnetz vor 2045 stillgelegt werden sollte, um unverhältnismäßige Kosten zu vermeiden.18
Hieraus kann jedenfalls gefolgert werden, dass im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit der Stilllegung auch die Kostenseite zu berücksichtigen ist. Erforderlich dürfte die Stilllegung dann sein, wenn aufgrund der mit einer geringeren Auslastung gestiegenen Netzentgelte ein Weiterbetrieb von Gasheizungen – mit fossilem Gas oder Biogas – auch unter Berücksichtigung der Investitionskosten von Alternativen evident unwirtschaftlich ist.
Es ist auch eine pauschale Betrachtungsweise denkbar, etwa von der Erforderlichkeit der Stilllegung auszugehen, wenn der Auslastungsgrad unter einen bestimmten Prozentsatz fällt. Auch hierfür gibt es aber keine konkreten Vorgaben in der Richtlinie. Es wird insoweit also auf die Umsetzung durch den Gesetzgeber ankommen.
3. Koordination der Netze für verschiedene Energieträger
Nach Art. 57 Abs. 1 S. 2 der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 erfolgt die Ausarbeitung von Stilllegungsplänen in enger Zusammenarbeit mit den Betreibern von Wasserstoffnetzen, von Stromnetzen und Fernwärmenetzen. Ziel der Zusammenarbeit ist es, eine wirksame Integration der Energiesysteme zu gewährleisten und der reduzierten Nutzung von Erdgas für die Wärme- und Kälteversorgung von Gebäuden, in denen energie- und kosteneffizientere Alternativen zur Verfügung stehen, Rechnung zu tragen.
Die Zielrichtung dieser Vorschrift ist nicht völlig klar. Da sie erst greift, wenn das „Ob“ der Aufstellung eines Stilllegungsplans schon feststeht, kann aus dieser Zusammenarbeitspflicht nicht gefolgert werden, dass – unabhängig von einer eingetretenen Verringerung der Gasnachfrage – ein Rückbau der
4. Umwidmung in ein Wasserstoffnetz
Für den Fall, dass das Netz oder Teile davon in ein Wasserstoffnetz umgewidmet werden soll(en), ermöglicht Art. 57 Abs. 1 S. 3 ff. der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 es den Mitgliedstaaten, gemeinsame Pläne zu erarbeiten. Hierbei müssen die Bedürfnisse der Kunden sowohl für Wasserstoff als auch für Erdgas eindeutig ermittelt werden. Ggf. ist für die jeweiligen Energieträger eine eigenständige Bedarfsmodellierung anzustellen.
5. Grundsätze des Art. 57 Abs. 2 der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788
Art. 57 Abs. 2 der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 enthält einen bunten Strauß von Gesichtspunkten, denen ein Stilllegungsplan genügen muss. Diese Grundsätze beziehen sich nach dem klaren Wortlaut nur auf den Stilllegungsplan; sie enthalten aber auch Gesichtspunkte, die eigentlich schon bei der Bedarfsprognose zu berücksichtigen sind. Die Regelung enthält daher redundante Elemente.
a) Kommunale Wärmeplanung
Nach Art. 57 Abs. 2 lit. a der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 sind die Stilllegungspläne auf die gemäß Art. 25 Abs. 6 der Energieeffizienzrichtlinie (EU) 2023/1791 entwickelten Pläne für die Wärme- und Kälteversorgung gestützt und tragen dem Bedarf von Sektoren Rechnung, die nicht unter die Pläne für die Wärme- und Kälteversorgung fallen.
Welche Bedeutung die Pläne dabei genau haben sollen, ist unklar. Jedenfalls dürfen Netze oder Netzteile, die entweder in den Plänen vorgesehen sind oder die den Bedarf anderer Sektoren decken, nicht stillgelegt werden. Entsprechend dem bedarfsorientierten Weiterbetrieb der Netze dürfte die Vorschrift nicht dahingehend ausgelegt werden, dass in den Fällen, in denen die Pläne Wärmenetze oder elektrisch betriebene Wärmepumpen als geeignet ansehen, ohne weiteres eine Abschaltung des Gasnetzes zulässig oder gar gefordert ist. Dagegen spricht schon die Erwähnung des Bedarfs anderer Sektoren, der sich in den Plänen nicht widerspiegelt.
Darüber hinaus bestehen gewichtige Bedenken, ob die Regelungen im WPG aus dem Jahr 2023 mit den bis zum 12. Oktober 2025 bzw. bis zum 5. August 2026 umzusetzenden Richtlinien (EU) 2023/1791 und (EU) 2024/1788 vereinbar sind. Diese Zweifel betreffen zunächst den Umstand, dass Art. 25 Abs. 6 lit. e der Energieeffizienzrichtlinie (EU) 2023/1791 die Berücksichtigung der relevanten Energieinfrastruktur erfordert, also auch von Gasnetzen, die mit einem zunehmenden Anteil von erneuerbaren Gasen betrieben werden. Das WPG enthält hier in § 28 Abs. 2 sehr restriktive Vorgaben für die Ausweisung einer Eignung von Netzen zum Transport von erneuerbarem Methan. Zudem sollen die Netzbetreiber in der zweiten Variante des § 28 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 WPG darlegen, wie ausreichend grünes Methan produziert und gespeichert werden kann. Dies dürfte mit der bereits heute und auch nach der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 verpflichtenden Entflechtung des Netzbetreibers von den Funktionen der Gewinnung und Vermarktung19 unvereinbar sein.
b) Annahmen zu Erzeugung und Verbrauch
Art. 57 Abs. 2 lit. b der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 bestimmt, dass die Pläne zum einen auf angemessene Annahmen bezüglich der Entwicklung der Erdgaserzeugung und -einspeisung und der Versorgung mit Erdgas, einschließlich Biomethan, und zum anderen auf den Verbrauch von Erdgas in allen Sektoren auf der Ebene der Verteilung gestützt sein müssen. Das bedeutet eigentlich nichts anderes, als dass die Prognose der Nachfrage auf angemessenen Annahmen beruhen muss. Einen darüber hinausgehenden eigenständigen Gehalt dürfte die Regelung nicht haben.
c) Vorrang von Infrastrukturanpassungen und Umwidmung
Nach Art. 57 Abs. 2 lit. b der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 ermitteln die Verteilernetzbetreiber die erforderlichen Infrastrukturanpassungen, wobei nachfrageseitige Lösungen, die keine neuen Infrastrukturinvestitionen erfordern, Vorrang erhalten. Zudem ist in den Plänen die Infrastruktur aufzuführen, die stillgelegt werden soll, auch im Hinblick darauf, Transparenz in Bezug auf die mögliche Umwidmung solcher Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff zu schaffen.
Die Zielrichtung der Regelung ist – abgesehen von der Erleichterung der Umwidmung der Netze zu Wasserstoffnetzen – nicht klar.
d) Kundenschutz
Systematisch gehört in diesen Kontext auch die Kundenschutzregelung in Art. 57 Abs. 4 der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788. Nach dieser Vorschrift wird der Schutz der Endkunden gemäß Art. 13 erleichtert und ihren Rechten gemäß Art. 38 Abs. 6 Rechnung getragen.
Art. 38 Abs. 6 der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 verlangt bei der Anschlusskündigung lediglich eine Begründung. Diese kann sich dann auf den von der Behörde genehmigten Stilllegungsplan beziehen.
Besondere Bedeutung für den Kundenschutz kann dabei Art. 13 lit. d der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 erlangen:
Danach stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die besonderen Bedürfnisse von schutzbedürftigen Kunden gemäß Art. 26 der Richtlinie oder von Energiearmut betroffenen Kunden bei der Planung und Durchführung des schrittweisen Ausstiegs aus der Nutzung von Erdgas entsprechend berücksichtigt werden und, sofern einschlägig, unter Berücksichtigung der in Art. 27 der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 genannten Leitlinien angemessene Maßnahmen ergriffen werden, um nachteilige Auswirkungen des schrittweisen Ausstiegs aus der Nutzung von Erdgas zu beseitigen. Diese Maßnahmen können die Verwendung von öffentlicher Finanzierung und auf Unionsebene eingerichteter Finanzierungsfazilitäten umfassen.
Insbesondere stellt sich dabei auch die Frage, wie mit Kunden umzugehen ist, die zulässigerweise nach dem GEG eine Gasheizung in der Erwartung installiert haben, diese mit fossilem Erdgas bis 2045 und ggf. darüber hinaus mit Biogas zu betreiben. Werden diese durch eine vorzeitige Stilllegung des Erdgasnetzes von ihrem Energieträger abgeschnitten, stellt sich die Frage der Kompensation für die frustrierten Aufwendungen durch den Netzbetreiber oder durch die öffentliche Hand. Jedenfalls liegt insoweit für den nationalen Umsetzungsgesetzgeber eine Regelungsaufgabe vor.
e) Übergeordnete Pläne
Art. 57 Abs. 2 lit. h und i der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 verlangen, dass die Pläne in Übereinstimmung zunächst mit den europäischen und nationalen Netzentwicklungsplänen (Netzentwicklungsplan für Erdgas gemäß Art. 32 der Gasverordnung [EU] 2024/1789 und den gemäß Art. 55 der Gasrichtlinie [EU] 2024/1788 erstellten nationalen zehnjährigen Netzentwicklungsplänen) stehen und zudem auch mit dem integrierten nationalen Energie- und Klimaplan des betreffenden Mitgliedstaats, dem integrierten nationalen energie- und
f) Gemeinsame Stilllegungspläne
Nach Art. 57 Abs. 2 lit. g der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 können Verteilernetzbetreiber, die in demselben regionalen Gebiet tätig sind, sich dafür entscheiden, einen einzigen gemeinsamen Stilllegungsplan zu erstellen.
g) Laufzeit und Überprüfung
Die Pläne werden nach Art. 57 Abs. 2 lit. f der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 mindestens alle vier Jahre auf der Grundlage der jüngsten Projektionen für die Erdgasnachfrage und -versorgung in der betreffenden Region aktualisiert und erstrecken sich auf einen Zeitraum von zehn Jahren.
6. Verfahren
Ebenfalls in Art. 57 Abs. 2 der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 sind die Verfahren zur Ausstellung der Stilllegungspläne geregelt, die mit einer Beteiligung der Öffentlichkeit durch den Netzbetreiber verbunden ist. In lit. d und e ist Folgendes geregelt:
Die Verteilernetzbetreiber führen zur Erarbeitung des Plans eine Konsultation durch, die den einschlägigen Interessenträgern offensteht, damit sie frühzeitig und wirksam in den Planungsprozess, einschließlich der Bereitstellung und des Austauschs von Informationen, eingebunden werden können; die Ergebnisse der Konsultation und der Stilllegungsplan werden der zuständigen nationalen Behörde übermittelt.
Hieraus folgt, dass eine Beteiligung der Interessenträger und damit auch der Kunden erforderlich ist, bevor der Stilllegungsplan aufgestellt wird. Eine Notwendigkeit der Konsultation ergibt sich auch aus den Regelungen in Art. 13 lit. a der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 über die Verbraucherrechte im Zusammenhang mit dem schrittweisen Ausstieg aus der Nutzung von Erdgas.
Die Pläne und die Ergebnisse der Konsultation der Interessenträger werden auf den WWW-Seiten der Verteilernetzbetreiber veröffentlicht. Diese WWW-Seiten werden regelmäßig aktualisiert, um sicherzustellen, dass die einschlägigen Interessenträger ausreichend informiert werden und somit effektiv an der Konsultation teilnehmen können.
Näheres zur Beteiligung, insbesondere bezüglich der einzelnen Verfahrensschritte und der einzuhaltenden Fristen, wird der nationale Gesetzgeber festlegen können.
7. Genehmigung durch die Behörde
Nach Art. 57 Abs. 3 der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 bedürfen die Stilllegungspläne der Genehmigung durch die zuständige Behörde. Die zuständigen nationalen Behörden bewerten, ob die Stilllegungspläne für das Verteilernetz den in Abs. 2 festgelegten Grundsätzen genügen. Sie genehmigen den Stilllegungsplan des Verteilernetzes oder lehnen ihn ab und können Änderungen dieses Plans verlangen.
8. Ausnahme von dem Erfordernis eines Stilllegungsplans
Die Mitgliedstaaten können Verteilernetzbetreiber von der Plicht zur Aufstellung eines Stilllegungsplans ausnehmen, die zum 4. August 2024 weniger als 45 000 angeschlossene Kunden versorgen. Sind Verteilernetzbetreiber von der Vorlage eines Stilllegungsplans für das Verteilernetz befreit, so unterrichten sie die Regulierungsbehörde über die Stilllegung der Verteilernetze oder von Teilen dieser Netze.
Für die Verteilernetzbetreiber ist dies zwar eine deutliche administrative Entlastung. Sie müssen in diesem Fall aber davon ausgehen, dass im Fall einer Anschlusskündigung die Zivilgerichte prüfen, ob die Stilllegung des Netzes gerechtfertigt ist.
9. Rechtsschutz
Wie Rechtsschutz zu gewähren ist, hängt davon ab, ob der Gesetzgeber die Genehmigung des Stilllegungsplans als gegenüber den Anschlussnutzern im Fall der Anschlusskündigung verbindlich ansieht.
Ist die Genehmigung auch in diesem Verhältnis verbindlich, muss gegenüber der Entscheidung der Behörde schon unter dem Gesichtspunkt des Art. 19 Abs. 4 GG (Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes) Rechtschutz für die Anschlussnutzer möglich sein.
Ist eine solche Verbindlichkeit nicht gegeben, kann sich also ein Anschlussnutzer gegen eine Anschlusskündigung mit dem Argument wehren, dass die Voraussetzungen für einen solchen Plan nicht vorliegen oder der Plan ansonsten rechtswidrig ist, wird die Rechtmäßigkeit des Plans inzident im (Zivil-) Rechtsstreit um die einzelne Anschlusskündigung überprüft werden können.
IV. Zusammenfassung
Nach geltendem EnWG ist der Betrieb auch von Erdgasverteilernetzen als Ewigkeitsaufgabe ausgestaltet. Dies entspricht auch der Auffassung des BMWK. Die Netzbetreiber sind nach §§ 16a, 15 und § 11 Abs. 1 EnWG zum dauerhaften Betrieb der Netze verpflichtet. Eine Stilllegung kommt nur unter außergewöhnlichen Umständen wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit in Betracht. Allein eine unternehmenspolitische Entscheidung des Unternehmens oder seiner Gesellschafter, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt kohlendioxidfrei zu sein, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
Dies gilt auch unabhängig von landesrechtlichen Regelungen zum Klimaschutz und von kommunalen Plänen oder Regelungen, da das EnWG eine abschließende Regelung getroffen hat und diese bundesrechtliche Gesetzeslage dem Landesrecht vorgeht (Art. 31 GG).
Da eine Stilllegung von Verteilernetzen aufgrund energiepolitischer oder klimapolitischer Erwägungen gegen die Verpflichtungen aus §§ 16a, 15 und § 11 Abs. 1 EnWG verstoßen würde, stellt sich derzeit auch nicht die Frage alternativer Nutzungen.
Nach Umsetzung der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 vom 13. Juli 2024 werden Stilllegungen aufgrund von Stilllegungsplänen nach Art. 57 der Richtlinie möglich sein. Sie sind dann aber auch nur dann zulässig, wenn die Vorgaben dieser Vorschrift eingehalten werden. Die Umsetzung hat bis zum 5. August 2026 zu erfolgen.
Die Beurteilung der Rechtslage nach Umsetzung der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 bereitet besondere Schwierigkeiten. Zum einen enthält die Richtlinie viele unbestimmte Begriffe und auch eine Vielzahl von Umsetzungsspielräumen. Zum anderen hängt eine künftige Prognose des künftigen Bedarfs an fossilem Erdgas und Biomethan unmittelbar von den Regelungen des GEG ab.
Voraussetzung für die Stilllegung und für die Aufstellung eines Stilllegungsplans nach Art. 57 der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 ist, dass die Verringerung der Nachfrage eine Stilllegung erforderlich macht. Dabei ist nach der Richtlinie der Bedarf an fossilem Erdgas und Biomethan zu betrachten, die in einem einheitlichen Netz transportiert werden.
Nach der Richtline ist davon auszugehen, dass in diesem Netz bis 2050 auch fossiles Erdgas transportiert werden darf und es bis zu diesem Zeitpunkt einen Binnenmarkt auch für fossiles Erdgas geben wird. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Biomethan am virtuellen Handelspunkt gehandelt wird und Teil des Binnenmarkts ist, also auch grenzüberschreitend transportiert werden kann. Der Bezug von Biomethan bedeutet daher ausschließlich, dass die entnommene Energiemenge im Rahmen eines Bilanzkreises der eingespeisten Energiemenge an Biomethan entspricht.
Bei der Bedarfsermittlung ist zu berücksichtigen, dass die Kunden bei bestehenden Gasheizungen nach dem geltenden GEG berechtigt sind, sie bis Ende 2045 ausschließlich mit fossilem Erdgas zu betreiben. Legt man der Bedarfsprognose ein Szenario zugrunde, nach dem bestehende Gasheizungen nicht bis zum Ende der technischen Lebensdauer, längstens bis 2045 betrieben werden, müsste dies mit belastbaren wirtschaftlichen Szenarien unter der Berücksichtigung der einmaligen Kosten eines vorzeitigen Umstiegs auf eine andere Wärmequelle und der laufenden Kosten begründet werden.
Mit Blick auf die kommunale Wärmeplanung ist zu beachten, dass die Pläne rechtlich unverbindlich sind (§ 23 Abs. 4, § 27 Abs. 2 WPG). Sie begründen also für die Gebäudeeigentümer keine Pflicht, sich an die geplanten Netze anzuschließen. Auch begründen sie keine Ansprüche der Gebäudeeigentümer, dass die geplanten Netze tatsächlich errichtet werden.
Kommt der Netzbetreiber zu dem Ergebnis, dass in seinem Netzgebiet weiterhin eine ausreichende Nachfrage zunächst nach fossilem Erdgas und in zunehmenden Umfang nach Biomethan besteht, bedarf es nach Art. 57 der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 keines Stilllegungsplans. Etwas anderes kann gelten, wenn das Verteilernetz nach dem Netzentwicklungsplan der Fernleitungsnetzbetreiber vom Fernleitungsnetz abgeschnitten wird.
Der maßgebliche Prognosezeitraum beträgt nach Art. 57 Abs. 2 lit. f der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 entsprechend dem Zeitraum des Plans zumindest zehn Jahre. Die Pläne müssen alle vier Jahre an die tatsächliche Entwicklung angepasst werden.
* | Die Darstellung beruht auf Ausarbeitungen im Auftrag der Netze-Gesellschaft Südwest mbH. |
1 | Siehe den swr.de-Beitrag „Kein Gas ab 2035 in Mannheim: MVV-Ankündigung sorgt für Unruhe“ v. 13.11.2024. |
2 | Siehe das Interview „Hände weg von den Gasleitungen“, Die Welt v. 8.1.2025, 12. |
3 | Ausführlich dazu Spiekermann/Rosin/Michaelis, N&R-Beilage 1/2025, 1. |
4 | BMWK, Green Paper „Transformation Gas-/Wasserstoff-Verteilernetze“, 2024, S. 3. |
5 | BMWK (Fn. 4), S. 3. |
6 | Siehe Bourwieg, in: Bourwieg/Hellermann/Hermes, EnWG, 4. A., 2023, § 11 Rn. 114: „Da die Kosten eines effizienten und bedarfsgerechten Netzausbaus in aller Regel über die Netzentgelte hinreichend sozialisiert werden können, dürfte eine Überschreitung der Grenze aus betriebswirtschaftlichen Gründen des Netzbetreibers allenfalls in absoluten Ausnahmefällen in Betracht kommen.“ Ein Fokus auf den Netzausbau auch bei König, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, 4. A., 2019, § 11 EnWG Rn. 63. |
7 | Vgl. etwa § 10 Abs. 1 Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg: netto null bis 2040. |
8 | Vgl. dazu Schmidt-Preuß, in: Säcker (Fn.6), Verfassungsrechtliche Grundlagen der Energiepolitik Rn. 6. |
9 | Vgl. dazu die weichen Formulierungen für Unternehmen in § 13 Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg. |
10 | BMWK (Fn. 4), S. 17 f. |
11 | Vgl. BGH, NJW-RR 1991, 176, 176 f. (Urt. v. 10.10.1990 – VIII ZR 370/89): „Zutreffend geht das [Berufungsgericht] davon aus, daß die [Beklagte] gem. § 6 EnWG auch nach Ablauf des Konzessionsvertrages den Einwohnern der [Klägerin] gegenüber verpflichtet war, sie bis zu einer endgültigen Neuregelung der Versorgung mit Gas zu beliefern […]. Daß das OLG daraus folgert, die [Beklagte] betreibe die Gasversorgung nicht freiwillig, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.“ |
12 | Die Definition lautet: „Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck … ‚Erdgas‘ hauptsächlich aus Methan bestehendes Gas, einschließlich Biomethan, oder andere Gasarten, die technisch und sicher in das Erdgassystem eingespeist und durch dieses transportiert werden können“. |
13 | Siehe Fn. 12. |
14 | Für das deutsche Recht §§ 6 ff. EnWG. Dazu Hölscher, in: Bourwig/Hellermann/Hermes (Fn. 6), §§ 6 ff. |
15 | Hierzu ausführlich Klieve, in: Frenz/Cosack, GEG, 2024, Einführung: GEG und kommunale Wäremplanung Rn. 21 ff.; Däuper, in: Theobald/Kühling, Energierecht, Loseblattsammlung, Stand: 127. Ergänzungslieferung (10/2024), § 27 WPG Rn. 1. |
16 | Klieve (Fn. 15), Einführung: GEG und kommunale Wärmeplanung Rn. 21 ff. |
17 | Zu den verschiedenen Erfüllungsoptionen etwa Frenz, in: Frenz/Cosack (Fn. 15), § 71 Rn. 13. |
18 | BMWK (Fn. 4), S. 22. |
19 | Siehe bereits in und bei Fn. 14. |