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RdF 2025, 81
Altenburg 

Globale Mindeststeuer: Revolution oder Fehlzündung für die Finanzwelt?

Die globale Mindeststeuer soll Steuerschlupflöcher schließen, doch ihre komplexe Umsetzung stellt insbesondere die Finanzwirtschaft vor enorme Herausforderungen.

Die Einführung der globalen Mindeststeuer markiert eine beispiellose Harmonisierung der internationalen Besteuerung. Das Ziel ist groß und ehrenwert: Alle Unternehmen auf der ganzen Welt sollen einer Mindeststeuerbelastung von mindestens 15 % unterliegen. So genannten Briefkastengesellschaften soll der Garaus gemacht werden. Wer könnte etwas dagegen haben? Eigentlich niemand, doch wieso gerät das Projekt auf einmal derart ins Stocken?

Liegt es wirklich nur an den USA, die seit dem erneuten Amtsantritt des US-Präsidenten Trump nicht mehr mitspielen? Oder wird der Druck jenseits des Atlantiks nur als Vorwand genutzt, um zu verbergen, dass das Projekt auch zu seinen Hochzeiten nie richtig Fahrt aufgenommen hatte? Aus europäischer Sicht keine leicht zu beantwortende Frage. Spätestens mit dem Erlass der Mindeststeuerrichtlinie (EU 2022/2523) vom 14.12.2022 (ABlEU vom 22.12.2022, L 328, 1) waren die Mitgliedstaaten eifrig mit der Veröffentlichung von Gesetzentwürfen und dem Aufbau von Ressourcen beschäftigt. Doch ein globaler Blick auf den aktuellen Implementierungsstand verrät, dass die Umsetzung außerhalb Europas von Anfang an gedrosselt war. Während sich China und Indien in vornehmer Zurückhaltung übten, hat neben den europäischen Staaten nur eine Handvoll Länder sämtliche Maßnahmen der globalen Mindeststeuer (Income Inclusion Rule – IIR, Undertaxed Profit Rule – UTPR) umgesetzt, darunter bspw. Südkorea und Japan. Ein Großteil der Mitglieder des Inclusive Framework entschied sich jedoch bereits vor dem Amtsantritt von Präsident Trump, lediglich eine Qualified Domestic Top-Up Tax (QDMTT) und/oder eine IIR, jedoch keine UTPR einzuführen. Doch wie stabil ist das Konstrukt, wenn Umsetzungsverweigerern keine “Strafe” droht? Das wird sich zeitnah herausstellen.

Die Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) steht jedenfalls vor dem Dilemma, dass das Projekt ohne die USA zu scheitern droht – zum einen, weil die USA einer der Hauptgeldgeber der OECD sind, zum anderen, weil viele Länder geneigt sind, dem Druck der USA auf die Wirtschaftsbeziehungen nachzugeben. Andererseits gefährden Ausnahmeregelungen für die USA die Integrität des Regelwerks: Entweder die Ausnahmen werden generell gewährt und beeinträchtigen damit die Ziel des Projekts, oder sie werden nur den “Großen” gewährt – China und Indien werden etwaige Ausnahmen sicherlich auch für sich beanspruchen – und verursachen damit Widerstand bei den Ländern, welche die Regeln in ihrer gesamten Strenge anwenden. Aber woher kommt dieser Widerstand?

Die Skepsis an dem Projekt beruht v. a. auf der überbordenden Komplexität und der Unvorhersehbarkeit der steuerlichen Folgen: Jede beantwortete Frage wirft drei neue auf und mangels dogmatischen Grundkonzepts und der Anknüpfung der steuerlichen Folgen an die Rechnungslegung haben Standardmaßnahmen auf einmal bedeutende steuerliche Folgen (Stichwort: Darlehensverzicht). Es ist genau diese Komplexität und Unvorhersehbarkeit des neuen Regelwerks, die das Projekt so relevant für die Finanzwirtschaft macht. Maßgeblichste Änderung, die bei zukünftigen Vertragswerken stets mitbedacht werden muss, ist der Abschied vom Einzelgesellschaftsansatz (single entity approach) und die Betrachtung der gesamten Unternehmensgruppe. War die Lage damals überschaubar und konnten Covenants mit Blick auf die bilateralen Beziehungen der jeweiligen Gesellschaft ausgestaltet und die steuerliche Behandlung anhand des anwendbaren lokalen Steuerrechts bestimmt werden, droht jetzt eine unvorhersehbare Veränderung der wirtschaftlichen Lage des Vertragspartners aufgrund der nicht verursachungsgerechten Zuordnung einer Ergänzungsteuer, die nun anhand des Verhältnisses des relevanten Mindeststeuergewinne in einem Land bzw. vereinfacht gesprochen anhand des vorhandenen Anlagevermögens und des Personalaufwands verteilt wird. Und die Zivil- und Gesellschaftsrechtler sind noch gar nicht in die Forschung eingestiegen.

Für Kapitalgeber gibt es damit zwei Möglichkeiten: umfassende Auskunftspflichten oder ein Fokus auf Vertragspartner, die dem neuen Regelwerk nicht unterliegen.

Dr. Nadia Altenburg ist Founding Partner von Bluebird Legal & Tax, Hamburg und Düsseldorf.

 
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