Das Mindeststeueranpassungsgesetz – ein Schritt in die richtige Richtung?
Der Autor
lehrt an der FHDW Paderborn Steuerrecht,
Rechnungswesen, Controlling und Com-
pliance und ist Ressortleiter Steuerrecht
des Betriebs-Berater und Chefredakteur
Der Steuerberater.
Die Neuverteilung des Besteuerungsrechts kann für Deutschland ein Riskio sein
Der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen für das Mindeststeueranpassungsgesetz (MinStGAnpG) hat in den letzten Wochen für rege Debatten gesorgt. In einer Zeit, in der die globale Steuerlandschaft zunehmend komplexer und herausfordernder wird, ist es unerlässlich, dass Deutschland seine steuerlichen Rahmenbedingungen anpasst, um sowohl nationale als auch internationale Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten. Doch wie sinnvoll ist der aktuelle Entwurf wirklich, und welche Auswirkungen könnte er auf Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt haben?
Das Mindeststeuergesetz, das ursprünglich im Jahr 2021 in Kraft trat, sollte verhindern, dass multinationale Unternehmen durch aggressive Steuervermeidung ihre Steuerlast auf ein Minimum reduzieren können. Der vorliegende Entwurf zielt darauf ab, dieses Gesetz zu überarbeiten und an die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen anzupassen. Ein zentrales Anliegen des MinStGAnpG ist es, eine gerechtere Verteilung der Steuerlast zu erreichen und gleichzeitig die Transparenz im Steuerwesen zu erhöhen.
Ein wichtiger Punkt des Entwurfs ist die Einführung eines Mindeststeuersatzes für Unternehmen, der sicherstellen soll, dass auch große multinationale Konzerne einen fairen Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben leisten. In Zeiten knapper Kassen und steigender Sozialausgaben ist es unerlässlich, dass alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe oder ihrem Standort, angemessen besteuert werden. Der Mindeststeuersatz könnte somit ein effektives Mittel sein, um Steuervermeidung zu verhindern und die Einnahmen des Staates zu sichern.
Kritiker des Entwurfs warnen jedoch vor möglichen negativen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen, die oft nicht über die gleichen Ressourcen wie große Konzerne verfügen, könnten unter dem neuen Mindeststeuersatz leiden. Hier stellt sich die Frage, ob der Entwurf ausreichend Maßnahmen enthält, um diese Unternehmen zu schützen und zu unterstützen. Eine differenzierte Betrachtung der unterschiedlichen Unternehmensgrößen und -strukturen wäre wünschenswert, um sicherzustellen, dass die Reform nicht zu einer ungewollten Benachteiligung kleinerer Akteure führt.
Ein weiterer Aspekt des Gesetzentwurfs betrifft die Regelungen zur Verrechnungspreisgestaltung. Die neuen Vorgaben könnten dazu führen, dass Unternehmen ihre internen Preisgestaltungen anpassen müssen, um den Anforderungen des Mindeststeuergesetzes gerecht zu werden. Dies könnte insbesondere für international tätige Unternehmen eine erhebliche Herausforderung darstellen. Eine klare und praktikable Umsetzung dieser Regelungen ist daher von entscheidender Bedeutung, um den administrativen Aufwand für die Unternehmen zu minimieren.
Darüber hinaus wird im Entwurf auch die Frage der internationalen Kooperation angesprochen. In einer globalisierten Welt ist es unerlässlich, dass Länder zusammenarbeiten, um Steuervermeidung und -hinterziehung wirksam zu bekämpfen. Deutschland hat sich in den letzten Jahren verstärkt für eine internationale Harmonisierung der Steuerregeln eingesetzt. Der Entwurf des MinStGAnpG könnte einen weiteren Schritt in diese Richtung darstellen. Dennoch bleibt abzuwarten, ob die internationalen Partnerländer bereit sind, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen, und ob Deutschland in der Lage sein wird, eine Vorreiterrolle einzunehmen.
Ein besonders kritischer Punkt ist die Kommunikation und Transparenz des Gesetzgebungsprozesses. Viele Unternehmen und Verbände äußern Bedenken, dass sie nicht ausreichend in die Diskussionen einbezogen wurden. Eine transparente und offene Kommunikation ist jedoch entscheidend, um das Vertrauen in die steuerlichen Rahmenbedingungen zu stärken und die Akzeptanz der neuen Regelungen zu fördern. Der Dialog zwischen Regierung und Wirtschaft muss intensiviert werden, um sicherzustellen, dass die Interessen aller Stakeholder angemessen berücksichtigt werden.
Abschließend lässt sich sagen, dass der Diskussionsentwurf des Mindeststeueranpassungsgesetzes sowohl Chancen als auch Herausforderungen birgt. Während die Grundidee, eine gerechtere Steuerpolitik zu fördern und Steuervermeidung zu bekämpfen, durchaus positiv zu bewerten ist, müssen die konkreten Regelungen und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft sorgfältig geprüft werden. Es bleibt zu hoffen, dass im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Bedenken der Wirtschaft ernst genommen und sinnvolle Anpassungen vorgenommen werden, um eine ausgewogene Lösung zu finden, die sowohl die Bedürfnisse des Staates als auch die der Unternehmen berücksichtigt.
In einer Zeit, in der die Herausforderungen für die öffentliche Hand und die Gesellschaft insgesamt stetig zunehmen, ist ein effektives und gerechtes Steuersystem unerlässlich. Ob allerdings das Mindeststeuergesetz dazu beitragen kann, bleibt abzuwarten. Dies gilt auch für die erwarteten Steuermehreinnahmen für Deutschland. Die Zahlen zum Steueraufkommen sind ziemlich fragil. So ging die ifo-Forschungsgruppe im Frühjahr 2022 noch von Mehreinnahmen für Deutschland von 1,6 bis 6,2 Mrd. Euro aus. Nach den neuesten Schätzungen soll das zu erwartende Steueraufkommen für Deutschland zwischen 0,85 bis 1,7 Milliarden Euro liegen. Ob Deutschland bei der Neuverteilung der Besteuerungsrechte und Steuermehreinnahmen zu den Gewinnern zählt ist daher keineswegs ausgemacht.
Prof. Dr. Michael Stahlschmidt, M.R.F., LL.M., MBA, LL.M., Frankfurt a. M.