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RIW 2018, I
Mehle/Hagemann 

Ein Exportkontroll-Dilemma – US-Iran-Sanktionen und die EU-Blocking-VO

Abbildung 1

Abbildung 2

Nachdem die US-Regierung den Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) einseitig aufgekündigt hat, trat 90 Tage später (bereits am 7. 8. 2018) ein Teil der bisherigen US-Sanktionen wieder in Kraft. Davon erfasst ist insbesondere der iranische Automobilsektor. Nach 180 Tagen zünden die USA Stufe 2 der US-Sanktionen (am 5. 11. 2018). Damit beschränken sie insbesondere den iranischen Energiesektor; auch nehmen die USA dann bestimmte Personen und Institutionen wieder auf die Specially Designated Nationals List (SDN Liste). Dadurch werden die durch den JCPOA weitestgehend aufgehobenen sog. “Secondary Sanctions” wieder in Kraft treten.

Im Jahr 2017 exportierten deutsche Unternehmen Waren in den Iran in Höhe von knapp EUR 3 Mrd. Diese Summe dürfte allerdings in Zukunft schwinden. Denn selbst ohne US-Bezug können die US-(Sekundär-)Sanktionen auch die iranischen Geschäfte deutscher Unternehmen erfassen. Der Anwendungsbereich der Sanktionen ist extraterritorial. Sie verbieten zwar nicht jedwedes Iran-Geschäft, gehen jedoch über die von der EU erlassenen Sanktionen weit hinaus. Allerdings sollten Unternehmen stets im Einzelfall prüfen, ob ihr Verhalten tatsächlich gegen die US-Sanktionen verstößt.

Die EU hat als Gegenreaktion am 7. 8. 2018 die so genannte Blocking-VO aus dem Jahr 1996 (= VO [EG] Nr. 2271/1996) mit Hilfe einer De_legierten VO (VO [EU] Nr. 2018/1100) aus ihrem “Dornröschenschlaf” befreit, um EU-Wirtschaftsteilnehmern zu helfen. Sie gibt in ihrem Art. 5 Abs. 1 insbesondere vor, die “überschießenden” US-Sanktionen nicht zu befolgen. Insoweit geht Art. 5 Abs. 1 Blocking-VO über das deutsche – bereits am 23. 7. 1992 eingeführte – Boykottverbot nach § 7 AWV hinaus. Auch diese Vorschrift richtet sich gegen den extraterritorialen Charakter von ausländischen (“Nicht-EU”) Embargos. Allerdings stellt die Blocking-VO nicht auf eine Erklärung ab, sondern schon auf ein bloßes Befolgen (i.S. einer aktiven Handlung bzw. bewussten Unterlassung). Im deutschen Recht ist ein Verstoß gegen diese EU-Vorgabe bzw. § 7 AWV mit bis zu EUR 500 000 bußgeldbewehrt, im Fall der Fahrlässigkeit bis zu EUR 250 000. Bisherige behördliche Bußgeldverfahren sind allerdings nicht praxisbekannt. Dies könnte sich in Zukunft ändern. Jedenfalls ist bei fahrlässigem Verhalten eine Selbstanzeige möglich (vgl. § 22 Abs. 4 AWG).

Selbst wenn Unternehmen – im Einklang mit der Blocking-VO – Iran-Geschäft durchführen möchten, stoßen sie an Finanzierungs- und Abwicklungsgrenzen, weil viele Banken sich gegen die Vorgaben der Blocking-VO entscheiden. Hier wird die Politik gefragt sein, um den Zahlungsverkehr mit dem Iran auch in Zukunft sicherzustellen.

Wie soll ein deutsches Unternehmen diese gegenläufigen Rechtsbefehle befolgen? Zwingend ist eine Einzelfallanalyse.

Da wäre einmal die freie unternehmerische Entscheidung. Diese soll (nach dem zur VO ergangenen EU-Leitfaden) gerade nicht vom Verbot erfasst sein. Denn die VO verlangt keineswegs, dass Unternehmen Iran-Geschäft tätigen, insbesondere entsprechende Angebote annehmen müssen (Grundsatz der Kontrahierungsfreiheit). Eine freie Entscheidung liegt nach der Kommission allerdings nicht mehr vor, sofern das Verhalten durch die gelisteten extraterritorialen Maßnahmen “bestimmt” wird. Es sei Sache des jeweiligen Wirtschaftsteilnehmers, dies eigenständig festzustellen. Hierzu ist Folgendes anzumerken: Wahre und berechtigte Gründe für eine geschäftspolitische Entscheidung gegen Iran-Geschäfte gibt es viele. Dazu zählt allein die aufwendige “händische” Prüfung von Iran-Transaktionen, die zu höheren Abwicklungskosten führt. Denn die Unternehmen wollen bereits nach deutschem Recht drohenden Freiheitsstrafen vorbeugen. Gleiches gilt u. a. für Schwierigkeiten in der Finanzierung/Versicherung, welche nicht auf einem Verhalten des betroffenen Unternehmens beruhen.

Sind die “geschäftspolitischen Gedanken” des Unternehmens indes nicht mehr in diesem Sinne frei, muss es eine Ausnahmegenehmigung nach Art. 5 Abs. 2, Art. 7, Art. 8 Blocking-VO (i.V. m. der DurchführungsVO [EU] Nr. 2018/1001) nach EU-Recht beantragen, will es dem US-Recht nachkommen (vgl. dazu auch das bereitgestellte Muster der EU). Dies gilt gerade auch für die Beantragung einer Ausnahmegenehmigung durch die US-Behörden (im Gegensatz zu bloßen Kontakten/Gesprächen mit den US-Behörden über die Reichweite der US-Sanktionen). Denn nach dem EU-Leitfaden stellt gerade die Beantragung einer Ausnahmegenehmigung bei den US-Behörden eine Anerkennung der US-Sanktionen dar, und dafür muss zuvor eine EU-Genehmigung beantragt und gewährt worden sein. Voraussetzung für eine solche Genehmigung ist ein “schwerer Schaden” – eine Situation, welche nach der Kommission nicht bei jeder erlittenen Beeinträchtigung in Betracht kommt. Eine Frist innerhalb derer eine solche Entscheidung der EU ergeht, gibt es nicht. Die Praxis wird zeigen, wie rasch gehandelt wird. Liegt eine Genehmigung vor, dann wird zugleich ein Verstoß gegen § 7 AWV ausgeschlossen sein.

In allen anderen Fällen wird das Unternehmen zwischen den zwei aus der griechischen Mythologie bekannten Meeresungeheuern abwägen und sich entscheiden müssen. Auf der einen Seite deutsche Bußgelddrohung, auf der anderen Seite schwerste US-Risiken (wie z. B. Strafandrohungen oder eine eigene Listung auf der SDN-Liste). Die EU springt den Unternehmen zur Seite und gewährt durch die Blocking-VO einen Schadensersatzanspruch – zumindest auf dem Papier. Die Stelle, die den Schaden verursacht hat (weil sich das Unternehmen an EU- und nicht an US-Recht hält), soll zahlen. Papier ist allerdings geduldig, gerade wenn juristisches “Neuland” betreten wird.

Es bleibt zu wünschen, dass die Blocking-VO den von ihr beabsichtigten wirksamen Schutz entfaltet. Dies wird sie jedoch in der Praxis wohl kaum vollständig tun können. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass für deutsche Unternehmen in einem worst-case-Szenario die Listung auf einer US-Sanktionsliste droht. Banken, Kunden und Lieferanten aus der EU werden von einem in den USA gelisteten Unternehmen in der Regel Abstand nehmen wollen und die Kontrahierungsfreiheit bemühen können. Unternehmen, welche nicht der Blocking-VO oder möglichen vergleichbaren counter measures anderer Staaten unterfallen, werden die Listung ohnehin beachten. Somit droht in einem solchen Szenario ein realistisches Insolvenzrisiko für das deutsche Unternehmen.

Dr. Bastian Mehle, Rechtsanwalt, Berlin, und Dirk HagemannRechtsanwalt/Trade Compliance Consultant, Frankfurt a. M.

 
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