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SRNL 2024, 14
Deichmann 

Aus der Praxis: M&A-Prozess statt Stilllegung

von Artur Deichmann, Köln

Veräußerung einer langjährig defizitären Eisen- und Stahlgießerei durch die Maschinenbau-Sparte eines Mischkonzerns

Abbildung 13

Instrumente zur Krisenbewältigung: detailperfekt und überreguliert?

Ein u.a. im Bereich Maschinenbau tätiger Konzern hatte vor ca. 20 Jahren die Mehrheit der Geschäftsanteile an der Gießerei übernommen. Diese war nach der Wende als MBO privatisiert worden. Die geschäftsführenden Gesellschafter waren sukzessive aus Altersgründen ausgeschieden. Seit 2020 hielt die Maschinenbau-Sparte des Konzerns 100 % der Geschäftsanteile.

Motiv für den schrittweisen Erwerb war die Tatsache, dass die Gießerei über einen längeren Zeitraum hinweg den Bedarf der Maschinenbau-Sparte an sehr spezifischen, anderweitig schwierig zu beschaffenden Gussteilen deckte.

Die Maschinenbau-Sparte des Konzerns war mit einem Umsatzanteil von über 20 % größter Kunde der Gießerei. Die Gießerei hatte über mehrere Jahre hinweg auf EBT-Ebene negative Ergebnisse in Höhe von 10-15 % des jeweiligen Jahresumsatzes ausgewiesen. Somit war ein erhebliches Gesellschafterdarlehen aufgelaufen und die Konzernobergesellschaft haftete zusätzliche für eine Bankfinanzierung.

Während der Zugehörigkeit zum Konzern waren finanziert durch Konzernmittel Investitionen

  • in eine neue Halle zur Erweiterung der Putzerei und Nachbearbeitung

  • in eine neue Kernschießanlage sowie

  • in Modernisierung und Ausbau des Schmelzbetriebs und

  • in die Außenanlagen realisiert worden.

Der technologisch gesehen dringend notwendige Austausch der Sandaufbereitung und der Formanlage war jedoch nie angegangen worden. Das hierfür erforderliche Investitionsbudget (Neumaschinen) wurde auf 1,5–2 Jahresumsätze eingeschätzt. Angesichts der anhaltend unerfreulichen Ertragslage war mit einer Amortisation nicht oder nur über einen übermäßig langanhaltenden Zeitraum zu rechnen. Die Gießerei-Geschäftsführung versprach sich von der Großinvestition einen Effizienzschub durch eine Optimierung der Abläufe und Durchlaufzeiten, eine Reduzierung des Bedarfs zur Nachbearbeitung der Gussteile sowie zur Instandsetzung des Maschinenparks.

In der Zwischenzeit hatte der Konzern verschiedene weitere Gusslieferanten erschlossen und war nicht mehr unmittelbar auf SRNL 2024 S. 14 (15)den Einkauf bei der eigenen Tochtergesellschaft angewiesen.

Der Konzern hatte auf Grundlage einer viel zu optimistischen Planung einen strukturierten Verkaufsprozess gestartet und einen M&A-Berater beauftragt. Im Zuge des Prozesses wurde deutlich, dass das Erreichen der in der der GuV-Planung definierten Ziele die Umsetzung der Investitionsmaßnahme voraussetzte. Der Finanzierungsbedarf war jedoch nicht eingeplant. Insofern wurde das Unternehmen durch den ursprünglichen Projektleiter auf Konzernseite dem M&A-Berater zunächst eher als unterausgelastet und gut positioniert für schnelle und erhebliche Umsatz- und Ergebnissteigerungen und nicht als Krisenfall vorgestellt.

Während des Verkaufsprozesses tauschte der Konzern den eigenen Projektleiter, der auch bereits den Erwerb der Gießerei umgesetzt hatte, aus gesundheitlichen Gründen aus.

Sein Nachfolger betrachtete das Projekt aus einem anderen Blickwinkel.

Nach Abschluss der Due Diligence-Phase und Eingang der bindende Erwerbsangebote stellte sich heraus, dass eine Veräußerung eine Bereinigung der Passivseite der Bilanz der Gießerei sowie die Zufuhr von Barmitteln durch den Konzern voraussetzte (deutlich negativer Kaufpreis).

Vor diesem Hintergrund ergaben sich folgende Optionen:

  • Fortführung der Beteiligung und Umsetzung des Investitionsprogramms

  • Veräußerung der Beteiligung und Vermeidung eine Finanzierung des Investitionsprogramms

  • Betriebseinstellung

Fortführung der Beteiligung und Umsetzung des Investitionsprogramms wurden verworfen, da der zusätzlich zu der übernommenen Garantie gegenüber der Hausbank und dem gewährten Gesellschafterdarlehen aufzubringende Kapitalbetrag (Investition und Verlustfinanzierung) in keiner sinnvollen Relation zu den erwartbaren Rückflüssen stand.

Die Option einer Betriebseinstellung hätte zusätzlich zur der Abschreibung des Gesellschafterdarlehens und dem Garantieeintritt gegenüber der Hausbank eine Übernahme der schwierig kalkulierbaren Kosten für die Abwicklung des Betriebs und die Beräumung des Betriebsgrundstücks notwendig gemacht. Darüber hinaus bestand das Risiko von Unruhen in der Belegschaft mit unerwünschten Auswirkungen auf das Betriebsklima im Konzern.

Daher entschied sich der Konzern für den Verkauf des Unternehmens unter den nachstehenden Rahmenbedingungen

  • Veräußerung des der Gießerei gewährten Gesellschafterdarlehens an den Erwerber der Gießerei gegen Zahlung eines symbolischen Kaufpreises

  • Ablösung der Bankfinanzierung (ohne steuerliche Auswirkungen auf die Gießerei aufgrund eines vorhandenen ertragssteuerlichen Verlustvortrags)

  • Ausstattung der Gießerei mit einem vom Erwerber verlangten Kapitalbetrag

  • Abschluss eines mittelfristigen Belieferungsvertrages

  • Minimierung der Garantien und Gewährleistungen im Kauf- und Abtretungsvertrag

Hierdurch befreite sich der Konzern von den aufgelaufenen Belastungen der letzten Jahre, die sich in dem gewährten Gesellschafterdarlehen und der Garantie der Bankfinanzierung manifestierten. Zudem schirmte sich der Verkäufer von der Übernahme zukünftiger Verluste, von der Finanzierung des Investitionsprogramms und von einer möglichen Image-Schädigung ab.

Der erfolgreiche Verkaufsprozess erstreckte sich über einen Zeitraum von gut 7 Monaten, während dem zusätzlich auf Ebene des Konzerns ein Wechsel des Mehrheitsgesellschafters erfolgte.

Abbildung 14

Artur Deichmann, Dipl. Kfm. und Bankkaufmann, ist Partner bei SSC Consult in Köln. Seine Tätigkeitsgebiete umfassen u.a. die M&A-Beratung im Mittelstand mit Schwerpunkten in der Unternehmer-nachfolge, bei Konzernausgliederungen und im Rahmen der Strukturierung tragfähiger Fortführungslösungen für Unternehmen im Insolvenzumfeld.

 
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