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SRNL 2023, 16
Gutheil 

BGH entscheidet Neues zur Beraterhaftung:
(Faktische) Geschäftsleiter werden in den Schutzbereich von Beraterverträgen mit dem Unternehmen selber einbezogen

von Marion Gutheil, Düsseldorf

Abbildung 18

Haftung – und kein Ende.

Im Jahre 2017 fiel eine Entwicklung in der Steuerberaterhaftung quasi unerwartet vom Himmel: der Bundesgerichtshof (BGH) hatte erstmals einem Steuerberater, der aufgrund der Mandatsvereinbarung „lediglich“ mit der Erstellung des Jahresabschlusses einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) beauftragt war, wegen einer Verletzung von Hinweis- und Warnpflichten auf mögliche Insolvenztatbestände eine Haftung aufgebürdet. Die Beraterkreise wurden vorsichtig: gab es nämlich aufgrund der zur Verfügung stehenden Unterlagen und Informationen zu rechtlichen oder tatsächlichen Gegebenheiten Hinweise auf eine Gefährdung des Fortbestandes des Unternehmens, war darauf hinzuweisen und die Bilanz ohne Vorliegen einer positive Fortbestehensprognose zu Liquidationswerten aufzustellen.

Beherzigt der Berater dies nicht, droht eine Haftung unter zwei Aspekten: wird unter Fortführungsgesichtspunkten weiter bilanziert, ist der Jahresabschluss mangelhaft und eine Vergütung zurückzugewähren. Unabhängig davon ist selbst bei einem mangelfreien Jahresabschluss auf den möglichen Insolvenzgrund und die sich daran anknüpfende Prüfungspflicht des Geschäftsführers hinzuweisen, wenn anzunehmen ist, dass dem Mandanten der Umstand nicht bekannt ist. Unterbleibt dies, droht bei verspäteter Insolvenzantragstellung ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Steuerberater.

Diese Entwicklung der Rechtsprechung zu den Hinweis- und Warnpflichten hat mit § 102 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG) klarstellend Einzug in die Gesetzgebung gefunden. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und andere Berater sind nun bei der Erstellung von Jahresabschlüssen verpflichtet, den Mandanten auf das Vorliegen eines Insolvenzgrundes hinzuweisen und auf die sich daran anknüpfenden Pflichten für die Geschäftsleiter und Mitglieder der Überwachungsorgane. Dies gilt, wenn entsprechende Hinweise offenkundig sind und anzunehmen ist, dass dem Mandanten eine mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist.

Bisher nicht geäußert haben sich jedoch der Gesetzgeber oder der BGH zu der Frage, ob im Rahmen eines Mandatsver¬SRNL 2023 S. 16 (17)hältnisses zwischen dem Berater und dem Unternehmen auch Dritte in Person der Unternehmensverantwortlichen in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen werden können und eine Haftung diesen gegenüber bestehen kann. Dieser Frage widmet sich nun die unlängst ergangene Entscheidung des BGH und streicht dabei zwei neue Aspekte heraus.

Zum einen wird der Kreis der in den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, also des Mandatsvertrages, einbezogenen Personen erweitert. Nicht nur die formell bestellten Geschäftsleiter, auch faktische Geschäftsführer sollen einbezogen sein. Dies folgt aus der obergerichtlich geklärten Tatsache, dass auch der faktische Geschäftsführer zur Stellung eines Insolvenzantrages verpflichtet ist und für Verspätungsschäden haftet.

Zum anderen wird der Beratungsvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch dann angenommen, wenn die Beratung über Insolvenzgründe nicht als Hauptleistung vereinbart war, sondern eben nur aufgrund allgemein bestehender Hinweis- und Aufklärungspflichten als Nebenpflicht bestanden hat. Voraussetzung ist allerdings, dass der in den Schutzbereich einbezogenen Geschäftsleiter bestimmungsgemäß mit der Erbringung der Hauptleistung in Berührung kommt. Dies hängt vom individuellen Beratungsvertrag ab.

Für die Tätigkeit in der Beratung heißt dies nun: lieber einmal mehr als einmal zu wenig auf mögliche Insolvenztatbestände und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen der Unternehmensverantwortlichen hinzuweisen und dies durch die nachweisbare Übersendung von Belehrungsschreiben zu belegen. Nur so besteht die Chance einer späteren Exkulpation, kommt es zu einem Schaden aufgrund einer Insolvenzverschleppung.

Und eine weitere wichtige Erkenntnis ergibt sich aus der neuen BGH-Entscheidung: ist die Geschäftsleitung des Mandanten beratungsresistent und verfährt getreut dem kölschen Motto: „Et hätt noch immer jot jejange“ sollte der Berater das Mandant umgehend beenden.

Abbildung 19

Marion Gutheil, verantwortlich für den Düsseldorfer Standort der MÖNIG Wirtschaftskanzlei, ist seit über 20 Jahren im Sanierungs- und Insolvenzbereich tätig. Sie ist Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Mediatorin und seit mehr als 10 Jahren bestellte Sachwalterin und Insolvenzverwalterin. Daneben unterstützt sie Unternehmen in der Restrukturierung sowie der Vorbereitung und Begleitung von Eigenverwaltungsverfahren und bietet juristische Beratung und Prozessvertretung im insolvenznahen Bereich an.

 
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