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SRNL 2021, 6
Rebholz/Deichmann 

Doppelgleisig auf’s Abstellgleis? Dual-Track-Verfahren: Killer der Sanierung?

von Rechtsanwalt Knut Rebholz und Artur Deichmann

Abbildung 5

Freie Fahrt oder Endstation?

In Eigenverwaltungsverfahren besteht keine Pflicht zur Durchführung eines M&A-Prozesses – dies galt zumindest bis zur Änderung des § 220 InsO durch das SanInsFOG mit dem 01.01.2021. In § 220 Abs. 2 InsO ist nunmehr in Satz 2 explizit vorgeschrieben, dass der darstellende Teil eine Vergleichsrechnung zu enthalten hat, in der die Auswirkungen des Plans auf die voraussichtliche Befriedigung der Gläubiger dargestellt werden. Nach Satz 3 ist im Falle der Fortführung des Unternehmens für die Ermittlung der voraussichtlichen Befriedigung ohne Plan in der Regel zu unterstellen, dass das Unternehmen fortgeführt wird. Dies gilt nach Satz 4 nur nicht, wenn der Verkauf des Unternehmens oder eine anderweitige Fortführung aussichtlos ist. Nicht völlig überraschend erhöht dies die Hemmschwelle insbesondere für „inhabergeführte“ Unternehmen bzw. Familienunternehmen im Bereich der KMU, den vom Gesetzgeber doch eigentlich gewollten Weg der Eigenverwaltung und des Insolvenzplans frühzeitig zu beschreiten, so dass keine Insolvenzverschleppung stattfindet und ausreichend Liquidität vorhanden ist, um eine Fortführungslösung für den Weg aus der Insolvenz heraus zu strukturieren. Häufig verfolgt der bisherige Gesellschafter das Ziel, unter Minimierung der zu leistenden Kapitalzufuhr einen Insolvenzplan umzusetzen, der den Rechtsträger erhält und keine Veränderung im Gesellschafterkreis mit sich bringt. Somit führt die Umsetzung des Insolvenzplans dazu, SRNL 2021 S. 6 (7)dass Beteiligungshöhe und Stimmrechte der bisherigen Gesellschafter unverändert Bestand haben.

Deshalb hat ein Unternehmer wenig Verständnis, wenn ihm dann von seinem hoffentlich kompetenten Berater erklärt wird, dass das Ziel der Insolvenzordnung nach § 1 InsO ja immer noch die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger sei, die nicht immer mit der Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens und dem Erhalt des Unternehmens für die jetzigen Anteilseigner einhergehen muss, sondern durchaus auch in der Veräußerung des Unternehmens liegen kann, durch die eine bessere Quote für die beteiligten Gläubiger erzielt werden kann.

Denn § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO schreibt vor, dass die die Gläubiger durch einen Insolvenzplan nicht schlechter gestellt werden dürfen, als sie im Regelverfahren stünden. Als Vergleichsmaßstab zu der bei Umsetzung eines Insolvenzplans realisierbaren Quote wurde vor der Änderung von § 220 InsO daher die Quotenerwartung „ohne (irgend) einen Insolvenzplan“ herangezogen.

(Quelle: https://exnet.pro/neuigkeit/pflicht-des-eigenverwaltenden-schuldners-zudual-track-prozess)

In der Sanierungspraxis wird somit das für die Gläubiger generell mit dem Insolvenzplan erzielbare Ergebnis mit der Höhe der Quote im Regelverfahren verglichen. Zwischen Insolvenzplan mit bzw. ohne Investoreneintritt wurde oft nicht differenziert. Auch wurde nicht wirklich betrachtet, welche Gläubigerbefriedigung dann erzielbar wäre, wenn als Ergebnis eines M&A-Prozesses ein Investor den Geschäftsbetrieb zu einem tatsächlich attraktiven Kaufpreis (z.B. Goodwill über den Marktwert des Vorrats- und Anlagevermögens hinaus) erwirbt.

Im Fokus der Eigenverwaltung und der Gesellschafter des eigenverwalteten Unternehmens stand somit bisher der Quotenvergleich zwischen Insolvenzplan ohne Investoreneintritt und Betriebseinstellung mit Unternehmenszerschlagung. Diese simple Betrachtung dürfte vor dem Hintergrund des geänderten § 220 InsO der Vergangenheit angehören.

Hierbei wurden vielfach die nachfolgenden Aspekte nicht ausreichend gewürdigt:

  • Ausstattung des über den Insolvenzplan sanierten Unternehmens mit Betriebsmitteln sowie Liquidität für die Refinanzierung von Rationalisierungs-, Erhaltungs- und Erweiterungsinvestitionen

  • Mittelfristige Absicherung der Unternehmensfortführung infolge der Nutzung von Synergiepotentialen, die mit Hilfe eines geeigneten Investors erschlossen werden können

  • Chance zu einem personellen, strategischen und organisatorischen Neuanfang

Ob nun ein M&A Prozess tatsächlich und wenn auch nur in Form eines Dual Track durchgeführt werden muss, um den Anforderungen von § 220 InsO zu genügen oder ob auch einfach nur die ermittelten Fortführungswerte im Rahmen der Vergleichsrechnung in Ansatz gebracht werden können, ist bisher nicht geklärt.

Zur Begrifflichkeit „Dual Track“: Die Bezeichnung kommt aus dem Investmentbanking und beschreibt eine Situation, bei der ein Gesellschafter seine Geschäftsanteile entweder über die Börse (IPO) oder im Rahmen einer M&A-Transaktion (Trade Sale) veräußern möchte. Im Sanierungsverfahren bezeichnet Dual Track dagegen die Zweigleisigkeit von Eigensanierung mit Erhaltung des Unternehmensträgers und Marktansprache mit dem Ziel einer Investorenlösung.

Wird ein Investorenprozess zur Absicherung der Eigensanierung nur „halbherzig“ und zur Wahrung des Scheins in der Hoffnung auf dessen Scheitern im Rahmen der Eigenverwaltung verfolgt, so besteht die Gefahr, dass Verhandlungen mit wirklich geeigneten Investoren in nicht zielgerichteter Weise geführt werden. Das Interesse dieser Interessenten kann somit erlahmen, was durchaus im Interesse der Antragstellerin bzw. deren Gesellschafter liegen kann. Daher ist ein Szenario, dass externe Investoren nicht weiter interessiert sind und unterstützt durch die Altgesellschafter lediglich ein Insolvenzplan mit „Minimal-Befriedigung“ der Gläubiger zustande kommt, durchaus möglich. Fehlen dann noch die Mittel, um eine nachhaltige Umlauf- und Investitionsfinanzierung zu realisieren, dann verlässt ein finanziell und strategisch schwach positioniertes Unternehmen das Insolvenzverfahren, wenn dieses nach einem eventuell dann nach Abschluss des nicht gewollten und gescheiterten M&A Prozesses noch möglich ist. In diesem Fall realisieren die Gläubiger lediglich eine im Vergleich zum Investoreneintritt niedrige Abfindung bzw. führt dann die Möglichkeit, dass beide Szenarien scheitern, was bei längerem Zeitablauf immer wahrscheinlicher wird, dazu, dass eine Fortführung gar nicht mehr möglich ist.

Halbherzig durchgeführte Investorenprozesse führen auch dazu, dass auf Sondersituationen fokussierte M&A-Berater Mandate, die keine nachhaltige Aussicht auf einen erfolgreichen Transaktionsabschluss erkennen lassen, nur ungerne aufgreifen. Welcher Berater ist schon bereit, gegen ein schmales Bearbeitungshonorar mit erheblichem Ressourcenaufwand ohne Aussicht auf Erfolg eine Marktansprache durzuführen? Er würde antreten, um den aus anderen Projekten gewohnten Erfolg nicht erreichen zu können! Auf Dauer wäre ein solches Vorgehen nicht rational.

Aus Sicht der Transaktionsberater-Szene sind M&A-Mandate nur dann als attraktiv einzuschätzen, wenn sie exklusiv ausgestaltet sind. Projekte, bei denen im Hinterzimmer eine Lösung mit dem Altgesellschafter (ohne den M&A-Berater) ausgehandelt wird, sind höchst unattraktiv. Hierfür wird sich auf Dauer kein M&A-Berater hergeben.

Als grundlegende Spielregel eines seriösen Investorenprozesse sollte daher verankert sein, dass der Altgesellschafter sich in einen Bieterwettbewerb mit externen Investoren begibt. Hierbei hat er immer noch den großen Vorteil, das Zielunternehmen genauestens zu kennen, während die externen Investoren sich im Rahmen einer Due Diligence-Prüfung das notwendige Wissen erst aneignen müssen. Zu beachten ist hierbei auch die erforderliche Hygiene in den Investorengesprächen. Der Altgesellschafter steht häufig im Rahmen von Management-Gesprächen und Q+A-Sessions vor der Herausforderung, konkurrierende Bieter über das Unternehmen zu informieren. Hier ist es zwingend ge¬SRNL 2021 S. 6 (8)boten, im Gläubigerinteresse das Team des Sachwalters in die Gespräche und die Korrespondenz zu integrieren. Sonst droht das „Wegbeissen“ von Investoren-Interessenten. Mehren sich offensichtlich nicht ernsthaft und seriös geführte M&A-Prozesse im Rahmen von Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren, so werden nicht sich nicht nur M&A-Berater, sondern auch Investorenkandidaten in Projekte dieser Art nicht mehr einbringen.

Werden diese Spielregeln vereinbart, um die Befriedigung der Gläubigerinteressen sicherzustellen und um auch aus Investorensicht ein transparentes und hygienisches Verfahren sicherzustellen, so wird das Risiko sehr real, dass die Altgesellschafter im Rahmen eines Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahrens ihr Unternehmen verlieren. Dann kann immer noch der Rechtsträger erhalten werden (so kann man die mit Reorganisation des schuldnerischen Unternehmens bezeichnete Zielsetzung der Insolvenzordnung interpretieren), es droht jedoch eine zumindest mehrheitliche Veränderung im Gesellschafterkreis. Die Insolvenzordnung definiert es jedoch nicht als Ziel, den Gesellschafterkreis beizubehalten.

Wenn den Gesellschaftern insolvenzgefährdeter Unternehmen deutlich wird, welches Risiko mit Schutzschirm und Eigenverwaltung verbunden ist, werden sie eher geneigt sein, die noch verfügbaren Mittel im Rahmen einer aussergerichtlichen Sanierung einzusetzen und einen Insolvenzantrag erst als letztes Mittel zur Krisenbereinigung zu stellen.

Daher ist es dringend erforderlich, dass sich die Beteiligten vor Eintritt in das Verfahren ausreichend mit den Szenarien und gebotenen Handlungen auseinandersetzen und sich nicht erst nach Eintritt in das Verfahren auf Hinweis von Gläubigerausschuss und Sachwalter mit dem M&A-Szenario auseinandersetzen, um im Ergebnis dann nicht zweigleisig auf dem Abstellgleis zu landen.

Abbildung 6

Artur Deichmann, Dipl. Kfm. und Bankkaufmann, ist Managing Partner bei SSC Consult in Köln. Seine Tätigkeitsgebiete umfassen u.a. die M&A-Beratung im Mittelstand mit Schwerpunkten in der Unternehmernachfolge, bei Konzernausgliederungen und im Rahmen der Strukturierung tragfähiger Fortführungslösungen für Unternehmen im Insolvenzumfeld.

Abbildung 7

Knut Rebholz ist Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter sowie Standortpartner in Berlin und Cottbus. Bereits seit 2005 war er bei der Vorgängersozietät Mönning & Georg als Rechtsanwalt und Partner tätig. Er wird seit 2005 als Insolvenzverwalter von den Insolvenzgerichten in Charlottenburg und Cottbus bestellt.

 
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