Editorial
Sebastian Voitzsch
Sebastian Voitzsch
„Alle Jahre wieder“ – dieser Titel eines der bekanntesten Weihnachtslieder ist längst zu einem Slogan für wiederkehrende Phänomene geworden. Auch bei Medienberichten über Insolvenzverfahren denkt man bisweilen nicht „Da war doch schon mal was?“, sondern es drängt sich ein „Ach, schon wieder“ auf. Oder eben „Alle Jahre wieder“.
Während man sich über den alle Jahre wiederkehrenden Christbaum, glänzende Kinderaugen und Geschenke freut, ist dies bei immer wiederkehrenden Insolvenzverfahren nicht der Fall. Im Gegenteil: bisweilen entsteht der Eindruck, als würde hier „ein totes Pferd geritten“, um ein weiteres Sprichwort zu bemühen. Karstadt/Kaufhof und SiNN sind Beispiele dafür, bei denen man sich fragt, ob es am Konzept liegt und ob die nächste Sanierung wirklich nachhaltigen Erfolg bringt. Hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand kommt vielmehr die Frage auf, ob dies nun das letzte Insolvenzverfahren war oder ob weitere folgen werden.
Rolf-Dieter Mönning geht in seinem Beitrag der Frage nach, worin die Gründe für diese Serieninsolvenzen liegen. Und Arthur Deichmann zeigt auf, dass manchmal auch ganz gesunde Unternehmen in Untiefen gelangen können, wenn Firmenzusammenführungen und die Gründung von Holdingstrukturen nicht gründlich geplant und mit dem nötigen langen Atem vorgenommen werden. Auch wenn hier statt „Serieninsolvenz“ wohl eher der Begriff „Ketteninsolvenz“ passend wäre, ist auch dies ein Beispiel dafür, dass solide und vorausschauende Planung zusammen mit passend aufgestellten Strukturen essentiell für eine nachhaltige Sanierung und Restrukturierung sind.
Die Fragen sind umso dringender, als das Insolvenz- und Sanierungsgeschehen sich gerade im Aufwind befindet. Sicher, ein Teil des Anstiegs ist darauf zurückzuführen, dass es zu Corona-Zeiten (Sie erinnern sich? Damals, als wir mit Masken in den Supermarkt und in die Bankfiliale, aber sonst nirgendwo hingehen konnten.) so gut wie keine Insolvenzen gab, da die Antragspflicht staatlich ausgesetzt war. Doch neben solchen Nachholeffekten gibt es in vielen Bereichen strukturelle Schwächen, die sich nun – teilweise durch zusätzliche Ursachen wie globale Krisen verstärkt – niederschlagen. Prominente Beispiele sind die Automobilindustrie, die mit der Umstellung auf E-Mobilität zu kämpfen hat sowie der Gesundheitssektor, der sich der Krankenhausreform stellen muss.
Allen Bereichen ist gemein, dass die Veränderungen, die nun zur Krise führen, nicht plötzlich und schon gar nicht unerwartet kamen. Der Online-Handel, der es großen Kaufhausketten schwer macht, ist nicht über Nacht entstanden. Auch die Klimakrise, die zum Umstieg auf alternative Energien drängt, ist schon seit den 70er Jahren Thema. Und Fehlentwicklungen im Gesundheitssektor mögen durch Corona an vielen Stellen deutlicher zutage getreten sein, als dies ohne eine Pandemie der Fall gewesen wäre – neu sind sie nicht. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen – marode Brücken und Bahngleise sind auch keine plötzlichen und unerwarteten Ereignisse.
Dem muss sich auch das Sanierungshandwerk stellen. Ein zügiger Verfahrensabschluss mit der „Rettung durch Übertragung“ mag vordergründig ein Erfolg sein – nicht zuletzt für den Verwalter, der ihn kundtun kann. Doch stetig wiederkehrende Insolvenzen werden sich nur vermeiden lassen, wenn die strukturellen Probleme erkannt und abgestellt werden. Wo dies nicht möglich ist, muss vielleicht die Erkenntnis reifen, dass eine Sanierung nicht immer erfolgreich sein kann – ein Ende mit Schrecken ist nicht nur im Sprichwort manchmal besser als ein Schrecken, der alle Jahre wiederkehrt.
Ihnen allen neben einer interessanten Lektüre des Heftes Frohe Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr 2025!
Ihr Sebastian Voitzsch