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SRNL 2024, 4
Deichmann 

„Der Fisch stinkt vom Kopf“ – oder: Eine Gruppe operativ gesunder ambulanter Pflegedienste muss Insolvenz anmelden

von Arthur Deichmann, Köln

Abbildung 2

Eine Gruppe von Initiatoren verfolgte die Strategie, im Sektor der ambulanten Pflege die aktive Marktkonsolidierung voranzutreiben.

Aufgrund der wirtschaftlichen Vorteile vergleichsweiser größerer Marktteilnehmer (u.a. Finanzkraft, employer branding, kontinuierliche Beachtung des jeweils aktuellen Regulierungsumfelds, Kostensynergien in Verwaltung und in der Fahrzeugbeschaffung, Professionalität in Steuerung und Controlling) lässt sich im Markt für ambulante Pflege in den letzten Jahren ein Trend zu Unternehmenszusammenschlüssen erkennen, der zusätzlich von dem Wunsch einer Vielzahl mittelständischer Unternehmer des Sektors, nach Erreichen eines fortgeschrittenen Lebensalters ihr Unternehmen an einen geeigneten Nachfolger zu übergeben, verstärkt wird.

In ausgewählten Regionen Süddeutschlands wurden mittelständisch geprägte und in der jeweiligen Region marktführende ambulante Betriebe ausgewählt und deren Gesellschafter kontaktiert.

Innerhalb kurzer Zeit wurden Verträge mit den Gesellschaftern von sieben mobilen Pflegediensten abgeschlossen, die zum Gegenstand hatten, den jeweiligen Betrieb in der Regel über einen Asset Deal, teilweise jedoch auch in der Struktur eines Share Deals zu erwerben. Bei zwei Diensten waren die Kaufverträge als Asset Deal abgeschlossen worden; aufgrund der Tatsache, dass die Erwerbergesellschaft noch auf den Abschluss eines Versorgungsvertrages mit den Kostenträgern wartete, stand das Closing noch aus („Erwerbsanwartschaften“).

Wegen der auf Erwerberseite eingeschränkt verfügbaren Finanzmittel wurde mit den Verkäufern jeweils eine ratierliche Bezahlung des Kaufpreises unter Gewährung von Verkäuferdarlehen verhandelt und vereinbart.

Zugleich baute die Holdinggesellschaft der Gruppe zügig eine eigene Infrastruktur auf, die erhebliche Personal- und Sachkosten zu tragen hatte. Infolgedessen mussten die zur Gruppe zählenden Pflegebetriebe ihre Liquiditätsüberschüsse an die Dachgesellschaft abführen.

Schnell zeigte sich, dass die operativen Überschüsse der erworbenen Zielunternehmen nicht ausreichten, um den Liquiditätsbedarf zur Deckung Kosten der Holding und den aufgrund der Verkäuferdarlehen zu erbringenden Kapitaldienst zu finanzieren.

Es folgte der Versuch, die Gruppe außergerichtlich zu sanieren / zu entschulden bzw. vollständig oder teilweise zu veräußern. Als sich herausstellte, dass dies nicht möglich war, wurde für alle Gesellschaften der Gruppe (nicht jedoch die Closing-Anwartschaften) Insolvenzantrag gestellt.

Ein von Arthur Deichmann geleitetes M&A-Team wurde auf Initiative des vorl. Insolvenzverwalters aller zur Gruppe zählen¬SRNL 2024 S. 4 (5)den schuldnerischen Rechtsträger mit der Durchführung eines beschleunigten Investorenprozesses beauftragt.

Leider musste einer der fünf operativen Betriebe aufgrund mangelnder Performance unter Insolvenzbedingungen unmittelbar mit Insolvenzeröffnung geschlossen werden. Für vier Betriebe konnten zügig Kaufverträge als Asset Deal abgeschlossen werden. Sehr schnell lagen für zwei der Erwerbsgesellschaften die neuen Versorgungsverträge vor, so dass das Closing vollzogen werden konnte, bei einem dritten Dienst konnte der Kaufvertrag nach einer längeren Wartezeit auch erfüllt werden. Beim vierten Betrieb trat der ursprüngliche Erwerber vom Vertrag zurück und ein neuer Vertrag wurde mit einem anderen Interessenten abgeschlossen.

Drei der operativen Betriebe konnten übertragen werden, beim vierten Betrieb steht die Vertragserfüllung noch aus. Eine Übertragung der Closing-Anwartschaften war aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich.

Der Vorgang zeigt, dass Strukturierungsfehler beim Unternehmenserwerb, gepaart mit hohen Kosten auf Erwerberebene und einem Mangel an Führung und Controlling Auslöser für eine tiefe Krise einer gesamten Unternehmensgruppe sein können, deren Betriebe operativ vor Erwerb völlig gesund waren.

Abbildung 3

Deichmann Corporate Finance GmbH, eine inhabergeführte Corporate Finance/M&A-Beratung, entwickelt für ihre Mandanten bei M&A-Projekten mit unterschiedlicher Ausgangslage unter Anwendung hoher Qualitätsansprüche Lösungen, die der Zielsetzung des jeweiligen Auftraggebers soweit wie irgend möglich gerecht werden.

Häufige Ausgangslagen sind: Unternehmernachfolge, Konzernausgliederung, Exit durch Finanzinvestoren, Distressed M&A, Finanzierungsberatung, Unternehmensbewertung

 
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